6.3.: Letzter Tag
(Sichtwechsel, Lukes Sicht der Dinge)
Mitten in der Nacht und vollkommen unangebracht, zugleich auch unerwartet, klingelte das von mir nur allzu sehr gehasste Telefon.
âNicht schon wieder, was will TJ wieder von mir?â, murmelte ich hundemüde und verärgert zugleich.
Eigentlich wollte ich gar nicht abheben, aber ich hatte so eine dunkle Ahnung, deshalb watschelte ich mit schweren FüÃen zum Telefon und hob den glitschigen Hörer ab.
âLuke Danes, sehr erfreut über mitternächtliche Störung.â
âMr. Danes, ich muss Ihnen...â, fing eine Frauenstimme zu sprechen an.
âLiz, hör mit diesen Unsinn auf!â, unterbrach ich sie.
âIch glaube, Sie verwechseln mit jemanden, Mr. Danes.â
âWer sind Sie denn?â
âHier spricht das Hartford Medical Hospital.â
âOh Mann, geht es um die 400⬠Dollar, die ich wegen Ceasars Unfall dem Krankenhaus noch schuldig bin, denn wenn ja, kann ich Ihnen den Scheck noch einmal senden...â, begann ich.
âMr. Danes!â, die Frau schien wütend zu werden.
âJa?â
âEs geht hier um keinen Scheck!â
âWorum denn? Braucht das Krankenhaus etwa schon wieder eine 1000⬠Spende?â, fragte ich zynisch.
âMr. Danes, sie empfinden das vielleicht als Scherz, aber...â, begann sie, mittlerweile schon irrsinnig zornig.
â...aber das Krankenhaus hat nun mal Schulden und muss deshalb mitten in der Nacht Leute deshalb belästigen, weilâs Spaà macht und...â, wollte ich den Satz vervollständigen, aber wurde von einer mittlerweile hysterischen Krankenhausmitarbeiterin unterbrochen.
âMr. Danes, ich habe keine Ahnung wovon Sie reden, ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass eine gewissen Rory Gilmore mich gebeten hat, Ihnen mitzuteilen, dass Sie sofort das Krankenhaus besuchen sollen.â
âW-was?â, fragte ich schockiert.
âSie erwähnte auch, dass es um ihre Mutter Lorelai Gilmore ginge.â
âDanke.â, sagte ich noch völlig geschockt und lieà den Hörer fallen.
Wie vom Blitz getroffen zog ich mich an, rannte zu meinem Wagen und fuhr weg.
Während dieser scheinbar ewig langen Fahrt machte ich mir viele Gedanken, aber wer würde das nicht? Ich meine, Lorelai und Krankenhaus? Das konnte nichts Gutes bedeuten. Die wirrsten, aber auch schlimmsten Dinge malte ich mir aus, versuchte aber auch mit innerlichen Gegenargumenten mich zu beruhigen. Vielleicht war es ja nur eine gebrochene Hand? Aber was, wenn es ein furchtbarer Unfall war? Oh mein Gott, so durfte ich nicht denken.
Positiv denken, das redete ich mir ein. Das war jetzt das Wichtigste. Nur nicht an so schlimme Dinge denken, das darf man einfach nicht machen, sonst steigert man sich noch wo hinein, oder?
Du hast gewusst, eines Tages muss du gehn.
So gehtâs uns allen mal, was gibtâs daran falsch zu verstehn?
Der Tod ist nichts, worauf man sich konzentriert.
Wir denken nie daran, bis es passiert.
Ich bin hilflos.
Weià nicht, wieâs weitergehen soll.
Was mache ich bloÃ?
Fühl mich so hilflos.
Kurz vor drei Uhr in der Früh kam ich am vollkommen geleerten Parkplatz des Hartfort Medical Hospitals an. Vorsichtig öffnete ich die Tür meines Chevrolets. Ich vernahm einen leichten, eisigen Wind. Diesen Wind kannte ich. Denselben verspürte ich am Tag an dem meine Mutter starb und auch als mein Vater starb. Er hieà nichts Gutes, dieser Wind, deshalb zögerte ich auch, aus dem Wagen auszusteigen. Aber dann tat ich es und schritt in Richtung Eingang des Krankenhauses.
Ich weià nicht, was du willst.
Weià nicht, wie du dich fühlst.
Weià nicht ob ichâs ertrag.
Und selbst jetzt bist du stark.
An deinem letzten Tag...
An deinem letzten Tag...
âOh Gott Luke, endlich!â, rannte mir die völlig verheulte Rory entgegen und umschlang mich sofort.
âWas ist denn los?â, fragte ich vorsichtig und blickte in ihre mit Tränen gefüllten, von einem verschmierten, dunkelblauen Wimperntuschenschleier umrandeten Augen.
âMom ist...â, weinte sie in meine Brust.
âWas ist mit ihr?â, fragte ich, selbst den Tränen nahe.
Bevor sie antworten konnte, kam eine streng aussehende Krankenschwester und sprach mich an.
âMr. Danes, Ms. Lorelai Gilmore hat nach Ihnen verlangt.â
In diesem Moment war ich so erleichtert wie noch nie. Sie lebte also noch!
Ich denk, was haben wir zusammen verpasst?
Ich wünsche mir so sehr, dass du noch etwas mehr Zeit hast.
Ich weiÃ, es war nicht immer ganz so leicht mit mir.
Ich will stark sein, bleib bis zum Schluss bei dir.
Ich will stark sein,
so stark wie du...
Doch als ich das Zimmer betrat, wurde mir klar, dass es zu spät war. Der Arzt erklärte mir, dass Lorelai in spätestens einer Stunde ihren schweren Verletzungen erliegen würde und schon alle nötigen Geräte von ihrem Körper getrennt wurden. Sie könne zwar noch sprechen, teilte man mir mit, aber ich sollte trotzdem nicht zu viel erwarten, sie wäre zwar nicht mehr im Komazustand, aber auch nicht richtig wach.
Ich weià nicht, was du willst.
Weià nicht, wie du dich fühlst.
Weià nicht, ob ichâs ertrag.
Und selbst jetzt bist du stark.
An deinem letzten Tag...
An deinem letzten Tag...
Mittlerweile konnte ich mir die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich nahm neben Lorelai Platz und sah in ihr Gesicht. Es war komplett zerschunden und verbeult. Ihr Körper wurde nur mehr von künstlichen Fäden zusammengehalten.
Vorsichtig nahm ich ihre Hand. Sie war eisig kalt, da ihr Herz scheinbar nicht mehr stark genug schlug, um den ganzen Körper mit Blut zu versorgen. Sicherlich hatte sie aber viel Blut verloren. Zittrig begann sie zu sprechen.
âLuke, ich liebe dich...â, das waren ihre letzten Worte, bevor sie in meinen Armen starb.
Noch kann ich dich spürn.
Doch ich werd dich verliern.
Weià nicht, ob ichâs ertrag.
Und du bist so unendlich stark.
An deinem letzten Tag...
An deinem letzten Tag...
In diesem Augenblick wurden mir die Augen geöffnet und ich verstand das ersten Mal den Sinn meines Lebens.
THE END