Mitten in der Nacht klingelte das Telefon. Rory, die sowieso keinen Schlaf finden konnte sprang sofort aus dem Bett, doch jemand war ihr zuvor gekommen ... Ihre Schritte verlangsamten sich, als sie laut und deutlich die aufgebrachte Stimme ihrer GroÃmutter aus dem Wohnzimmer vernahm.
"Das sollten Sie selbst entscheiden können. Ist eine Gilmore in Pension zu alt für eine Anrede wie
Miss?"
Rory schickte ein StoÃgebet zum Himmel. Warum hatte sie ihre GroÃeltern bloà dazu überredet, das Wochenende in Stars Hollow zu verbringen? Insgeheim wusste sie die Antwort.
Weil ich es nicht länger ertrage alleine zu sein.
"Grandma?"
"Und Sie wissen anscheinend nicht, wie spät es ist."
"Grandma, gib mir das Telefon!"
Emily gestikulierte wild mit den Händen und schien keine Notitz von ihr nehmen zu wollen.
"Grandma!!"
"Aber Rory, diese unhöfliche Person-"
Nachdem ihre Enkelin ihr einen erbosten Blick zugeworfen hatte, erbarmte sich sich schlieÃlich und drückte Rory den Hörer in die Hand. Am anderen Ende der Leitung ertönte eine tiefe Frauenstimme.
"Miss Gilmore?"
"Ja, die bin ich. Was ist passiert?"
"Sie wollten es doch als erste erfahren. Ihre Mutter ist eben erwacht. Sie können Sie besuchen kommen, wenn Sie möchten. Doch es gibt da etwas, dass sie unbedingt wissen sollten-"
Den Rest hörte Rory nicht mehr - sie hatte bereits aufgelegt. Völlig aufgelöst lieà sie sich auf das Sofa sinken, um gleich darauf wieder aufzuspringen und sich die Hände auf den Mund zu schlagen. Ihre Gedanken überschlugen sich beinahe. Lorelai war wieder auf den Beinen!
"Grandma! Grandpa! Zieht euch an! In den Wagen! Mum!", stieà sie atemlos hervor.
Ihr GroÃvater eilte die Treppe hinunter.
"Kindchen, sprich in vollständigen Sätzen. Du besuchst nicht umsonst eine erstklassige Uni!
"Mum ist wach!", kreischte sie.
Nun war Emily an der Reihe, nach Luft zu ringen.
"Um Himmels Willen, Richard! Starte endlich den Wagen!"
"Ich bin doch noch gar nicht angezogen, Emily."
"Das spielt überhaupt keine Rolle. Unsere Tochter ist jetzt wichtiger!"
Rory konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die Vorstellung daran, wie sie tatsächlich zu dritt im Pyjama im Krankenhaus aufkreuzen würden, war einfach zu komisch.
In Windeseile stürmten sie aus dem Haus und sprangen in den Wagen. Grandma beschleunigte dermaÃen, als ob ihr Leben auf dem Spiel hinge. Richard war zwar anfangs etwas irritiert gewesen, als er auf dem Rücksitz Platz nehmen musste, doch er wagte ihr keinesfalls zu widersprechen. Die ganze Fahrt über sprach niemand ein Wort. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Lorelai.
Erst vor dem Krankenzimmer kam wieder Leben in sie. Emily warf Rory einen aufmunternden Blick zu.
"Geh du zuerst rein."
"Wollten wir nicht gemeinsam ...?"
"Geh schon. Ich weià doch, dass ihr zwei ein wenig alleine sein wollt."
Rory zögerte erst, betrat das Zimmer mit klopfendem Herzen und zog leise die Tür hinter sich zu. Lorelai saà aufrecht in ihrem Bett und war in eine Zeitschrift vertieft. Noch hatte sie ihre Tochter nicht bemerkt. Auf dem Nachttischchen stand eine dampfende Tasse Kaffee, die nur darauf wartete geleert zu werden. Rory schmunzelte.
Du kannst es einfach nicht lassen. Ich kenne niemanden, der sich eleganter einen Schluck Kaffee genehmigt als du. Oh man, jetzt fange ich doch tatsächlich an zu heulen. Es ist so schön dich endlich wieder ... wie soll ich sagen ... lebendig zu sehen. Am liebsten würde ich auf dich zustürmen, meine Arme um dich schlingen und dich nie wieder loslassen. Aus Angst dich ein weiteres Mal zu verlieren. Das könnte ich nämlich nicht ertragen. Ich werde dich für immer unter einen gläsernen Sturz stellen, damit dir niemand auch nur ein Haar krümmt. Dich mit Samthandschuhen anfassen, damit dir nichts geschieht. Wärst du eine Seifenblase müsste ich in ständiger Sorge leben, du könntest eines Tages zerplatzen. Das alles und mehr will ich dir unbedingt mitteilen.
Doch stattdessen stehe ich unschlüssig neben der Tür herum und weià nicht, was ich sagen soll. Ich glaube das Herz ist mir gerade in die Hose gerutscht. Ich meine, wie erklärt man einem Menschen, wie unendlich gerne man ihn hat, wie schrecklich einsam man sich ohne ihn fühlt und wie glücklich, wenn man mit ihm zusammen ist? Wie beschreibt man den allerschönsten Moment in seinem Leben? Den Moment, in dem die beste Freundin, die es auf diesem Planeten zu finden gibt, endlich wieder die Augen aufgeschlagen hat? Ich will die richtigen Worte finden, doch sie wollen mir einfach nicht einfallen. Verdammt - wieso habe ich keine pro und contra Liste erstellt? Ich bin unvorbereitet. Ich-
"Arnold Schwarzenegger soll eine Affäre mit der Queen haben? Das ich nicht lache! Haha! Ich lach mit tot. Nein krank. Oder beides ..."
Ach Mum, wie sehr mir deine Stimme gefehlt hat. Deine spontanen Eingebungen, die Grandma immer zur WeiÃglut bringen. Dein unverwechselbarer Wortwitz. Dein-
In dem Moment sah Lorelai kurz von ihrer Zeitschrift auf und bemerkte ihre Tochter. Rory hielt den Atem an und lächelte gleichzeitig ihr sonnigstes Lächeln.
Wahrscheinlich sehe ich jetzt gerade total verkrampft aus. Aber dafür bin ich bestimmt auch der glücklichste Mensch auf Erden ...
"Oh, hi." Lorelai schien auf irgendetwas zu warten. Als Rory nichts erwiderte, widmete sie sich wieder der Klatschkolumne. Etwas irritiert setzte Rory sich in Bewegung.
"Die Bettwäsche ist heute schon einmal gewechselt worden. Noch einmal stehe ich bestimmt nicht auf. Mir tun sämtliche Knochen weh ..."
Deine Scherze waren immer schon weltklasse, Mum. Und ich dachte schon, du hättest nicht ganz kapiert wer hier vor dir steht.
Erleichter lieà Rory sich auf die Bettkante sinken. Ãffnete den Mund, klappte ihn wieder zu. Startete einen erneuten Versuch, etwas zu sagen. Sie wollte unbedingt loswerden, wie schrecklich ihre Mutter ihr gefehlt hatte. Doch sie brachte keinen Ton heraus. Also umschloss sie spontan Lorelais Hand. Doch ... da war keine Wärme ... Erschrocken zog sie ihren Arm wieder zurück. Irgendetwas stimmte nicht.
Was ist los, Mum?
Nun lieà Lorelai die Zeitung sinken und lächelte.
"Danke, ich weià das sehr zu schätzen. Aber eigentlich brauche ich kein Mitleid."
Unsicher lächelte Rory zurück. Normalerweise hätte sie spätestens jetzt wie ein Wasserfall zu quasseln begonnen, doch irgendetwas lieà sie innehalten.
"Freust - freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?", begann sie.
Lorelai nickte. "Doch klar. Wir kennen uns zwar erst seit 10 Minuten, aber warum nicht. Hey, steht mir eigentlich ein Irokese? Die Queen trägt neuerdings einen ..."
Rory verstand die Welt nicht mehr.
Mum? Liegt es an mir, dass ich Scherz und Ernst nicht mehr voneinander unterscheiden kann? Hab ich etwa das Gefühl verloren, deine Worte richtig einzuschätzen? Oder woran liegt es sonst, dass ich im Augenblick verwirrt bin? Wo ... wo ist die Liebe? Warum drückst du mich nicht? Warum sagst du mir nicht, wie du dich fühlst? Wie gerne würde ich dir all diese Fragen stellen, doch aus irgendeinem Grund kann ich es nicht.
Auf einmal liefen Rory heiÃe Tränen über die Wangen.
"Mum?", klagte sie.
Lorelai wirkte sichtlich überfordert.
"Oh mein Gott, das - das wollte ich nicht. Hab ich etwas falsches gesagt? Das mit dem Irokesen war doch nicht ernst gemeint. Ich bin übrigens Lorelai. Und Sie?"
Filmriss. Mir wird schlecht. Ich kann nicht glauben, was du eben von dir gegeben hast. Auf einmal spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Doch es ist nicht Grandma, sondern die blonde Ãrztin. Und in ihren Worten schwingt soviel Mitleid mit, dass mir nur noch übler wird.
"Man hat es dir noch nicht gesagt, oder? Gedächtnisschwund. Schlimme Sache. Damit hat niemand gerechnet."
Rory würgte. Schluckte. Sprang auf und machte auf dem Absatz kehrt.
"Entschuldige,
Lorelai. Ich muss jetzt gehen."
Dann stürzte sie aus dem Raum. Sofort kamen ihre GroÃeltern herbeigeeilt.
"Rory Schätzchen, ist alles in Ordnung?"
"Ja, alles wunderbar. Ihr könnt jetzt zu Mum. Ich - ich hole ihr bloà Kaffe. Alles ok. Das sind bloà Freudestränen."
Ohne eine Antwort abzuwarten begann sie zu laufen.
Schneller. Schneller. Nur weg hier. Bloà weg. Vorbei an der Entbindungsstation, wo soeben ein Baby das Licht der Welt erblickte. Vorbei am OP-Saal, wo massenhaft Blut gegen die Scheibe spritzte. Vorbei an den Toiletten. Und einfach blindlinks weiter. Als sie keinen blassen Schimmer mehr hatte, wo sie sich befand, hielt Rory inne. Wovor lief sie eigentlich davon? Vor ihrer Mutter?
Das ist nicht mehr meine Mutter, meldete sich ihre innere Stimme zu Wort. Der Gedanke erschrak sie. Wie ein Häufchen Elend sank sie zu Boden und wimmerte.
Wieso? Wieso nur? Zu ihren Knien bildete sich ein richtiger Tränensee.
Na bestens, dann kann ich mich wenigstens gleich darin ertränken. Wieder so ein eigenartiger Gedanke.
Ich war immer die Vernünftige, vergiss das nicht. Irgendwo ging eine Tür auf. Schritte näherten sich.
"Rory?"
Erschrocken sah sie auf. "Tristan?"
Ãberrascht wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht.
Tristan. Tristan.
"Sag mal weinst du etwa?", fragte er und beugte sich zu ihr herunter.
"Ich - Was machst du hier? Ich meine ... Tut mir leid, das ist einfach zu viel für mich." Mit diesen Worten hechtete sie in den nächstbesten Aufzug und verlieà das Krankenhaus. Nahm hinter dem Steuer des Wagens Platz und bretterte mit vollem Karacho nach Stars Hollow. Wie ihre GroÃeltern wieder zurück kamen, war eine andere Frage. Vor Pattys Tanzschule lieà sie das Auto stehen und stolperte zu Fuà weiter. Verwirrt. Ohne Ziel. Ein Tränenschleier erschwerte ihr die Sicht.
Das war einfach zu viel. Mum. Tristan. Irgendwann landete sie vor Deans Haus.
"VERDAMMT, WAS MACHE ICH HIER?", kreischte sie. Ein paar Leute streckten die Köpfe aus den Fenstern. Darunter auch Dean selbst. Rory machte kehrt und eilte weiter.
Wo soll ich bloà hin? Wohin nur? Lane? Luke? Nein, niemand den ich sehen will. Ich will nach Hause. Von meiner besten Freundin in den Schlaf gewiegt werden. Aber diese Freundin kann sich nicht mehr an mich erinnern ... Wird es nie wieder können.
Einmal schlug sie sich das Knie auf, verlor einen Schuh, zerfetzte ihr Pyjamaoberteil (
Anmerkung: danke minoway!! *g*), heulte, schrie und spuckte, warf mit Steinen um sich, trat nach allem was ihr in den Weg kam und lieà ihren Gefühlen freien Lauf. Mit letzter Kraft erklomm sie die wenigen Stiegen zum Stadtpavillon, lieà sich auf die Bank sinken und kramte ihr Handy aus der Tasche. Inzwischen hatten einige Bewohner aus Stars Hollow einen Kreis um den Pavillon gebildet und verfolgten bestürzt das Geschehen. Wie in Trance wählte Rory die erstbeste Nummer, die ihr in den Sinn kam. Mobilbox.
"Dad? Bitte - komm nach Stars Hollow."
Hoffe, euch hat der Teil gefallen. Ich für meinen Teil bin zumindest zufrieden ... Naja gut, einmal durchlesen sollte ich mir das ganze vielleicht noch einmal, aber ansonsten ...
Bald geht's weiter ... FB natürlich nicht vergessen!! :p