Hallo ihr Lieben :knuddel:
Vielen Dank für eure Feedbacks! Freut mich, dass euch das Kapitel so gut gefallen hat und dass auch neue Leser auf diese Geschichte gestoÃen sind. Ich muss leider gleich wieder offline, weshalb ich kein richtiges Re-FB geben kann, das werde ich aber beim nächsten Mal nachholen.
Ich habe weiter geschrieben. Dieser Teil ist eher ein kurzer (aber für die spätere Handlung wichtiger) Ãbergangsteil, ich hoffe, er gefällt euch trotzdem. Ich freue mich schon sehr auf eure Feedbacks. Bis zum nächsten Kapitel kann es diesmal leider ein wenig länger dauern, da ich die nächsten Wochen sehr viel Stress auf der Uni haben werde.
Ich wünsch euch noch schöne Osterfeiertage!
Bussi Selene
4. Kapitel
Das Hupen eines Autos schreckte sie aus ihren verwirrenden Träumen. Rory erhob sich langsam und ging zu dem kleinen Fenster, durch dessen dünne Jalousien nur ein schwaches Licht drang. Sie blickte auf die StraÃe. Sie war menschenleer. Der Wind hatte ein paar Blätter von den Bäumen gelöst und auf den verstaubten Beton getragen. Rory streckte sich. Ihr Rücken schmerzte. Wie so oft in den letzten Monaten war sie völlig verspannt erwacht. Es schien die Strafe, die Strafe für etwas, was sie vielleicht hätte verhindern können. Vielleicht aber auch nicht. Die Antwort darauf konnte ihr niemand geben. Sie fasste sich an ihr schmerzendes Herz. Es war nur eine der Strafen, welche auf ihren Schultern, auf ihrer Seele lasteten. Sie sank langsam auf das Bett. Es schien härter als die Tage zuvor. Sie stellte den Laptop auf die Matratze und schaltete ihn ein. Sie hatte drei E-Mails erhalten.
Die erste war von ihrer Mutter. Sie war nicht sehr lange. Rory überflog sie nur. Auch Lane hielt sich in ihrer Nachricht sehr kurz. Die Freundin erzählte von der Band und der Geburtstagsfeier ihrer Mutter. Zwischen den Zeilen war jedoch ganz anderes zu lesen. Rory schloss die Augen. Sie dachte an jenen windigen Nachmittag.
„Rory, komm mit uns. Bitte.“ Lane blickte ihre Freundin beinahe flehend an. Paris ging unruhig im Zimmer auf und ab. Zum ersten Mal schien sie nicht zu wissen, was sie noch sagen sollte. „Das hat keinen Sinn, Rory…“
Rory starrte auf die weiÃe Bettdecke, ihre Freundinnen ignorierend.
„Wie konntest du das nur tun? Wie konntest du nur so dumm sein?!“ Brach es plötzlich aus Paris heraus. Ihre Augen tränten. Auch Lane konnte ihren Schmerz nicht länger zurückhalten. Die Tränen rannen über ihre blassen Wangen. Ihre Lippen zitterten.
Rory starrte die beiden jungen Frauen an. Scheinbares Desinteresse spiegelte sich in ihren Augen. „Ich möchte alleine sein. Respektiert das bitte endlich!“
Rory zitterte als sie die Nachricht ihrer Freundin löschte. Automatisch wurde die nächste geöffnet. Sie starrte auf die Worte.
Liebe Rory,
Ich schreibe dir, obwohl ich weiÃ, dass du nicht antworten wirst. Obwohl ich weiÃ, dass du diese Mail vielleicht sogar schon nach dem ersten Satz löschen wirst. Doch das ist es mir wert. Ich werde nichts unversucht lassen dich zu erreichen.
Rory, wegzulaufen ist keine Lösung. Ich weiÃ, wovon ich spreche.
Ich sorge mich um dich. Verdammt, Rory, du bedeutest mir alles. Verstehst du es denn nicht?
Und wenn ich in das nächste Flugzeug steigen muss, ich werde es dir beweisen.
In Liebe,
Logan
Sie ballte die linke Hand zu einer Faust. Die Nägel drangen schmerzhaft in ihre Haut. Die Finger der anderen Hand zitterten als sie die Nachricht löschte. „Sag ihm nicht, wo genau ich mich aufhalte.“ Schrieb sie ihrer Mutter, bevor sie den Laptop wieder abschaltete. Warum lieà er sie nicht in Ruhe? Hatte er ihr nicht schon genug angetan? Musste er noch mehr Salz in die Wunde streuen? Warum konnte er nicht ein neues Leben beginnen und sie einfach vergessen? So wie es auch Jess sicherlich schon getan hatte. Der Gedanke an ihren Exfreund versetzte ihr einen weiteren Stich. Rory griff nach den Notizen des Vortags und versuchte sich darauf zu konzentrieren.
Es war früher Nachmittag als sie das Mietauto vor dem Garden Manor parkte. Eine Pflegerin teilte ihr nach ihrer Nachfrage mit, dass sich Elizabeth wohl noch im Garten aufhalte. Rory betrat die Anlage lächelnd. Heute war ein sehr milder Tag. Elizabeth war offenbar nicht die einzige gewesen, welche ein wenig Zeit in der herbstlichen Landschaft verbringen wollte. Rory erblickte einige Heimbewohner mit Pflegern, welche durch die Anlage spazierten. SchlieÃlich entdeckte sie Elizabeth auf einer alten Holzbank unter einer groÃen Eiche. Neben ihr saà eine schon sehr betagte Frau im Rollstuhl. Rory strich sich die Haarsträhne, welche der sanfte Wind aus ihrer Klammer gelöst hatte, hinters Ohr und trat näher. „Guten Tag.“
Elizabeth nickte kurz. „Sie kommen früh, Miss Gilmore. Donnerstags pflege ich ein wenig mit Mildred Cooper spazieren zu gehen. Aber leisten Sie uns meinetwegen ein wenig Gesellschaft. Mildred, das ist Miss Gilmore, eine Journalistin aus den Staaten. Ich habe dir von ihr erzählt.“
„Guten, Tag, Mrs. Cooper.“
Mildred schenkte ihr einen flüchtigen Blick, konzentrierte sich wieder auf das kleine Gänseblümchen, welches sie in den Händen hielt.
Elizabeth deutete Rory sich zu setzen. „Es ist ein warmer Tag, Mildred. Ungewöhnlich warm, bedenkt man, dass der Herbst begonnen hat. Es erinnert mich an einen dieser Herbsttage während meines Italienaufenthalts vor vielen Jahren.“
Mildred fuhr die Konturen der Blüten nach.
Elizabeth nickte. „Blumen haben etwas Reines, Vollkommenes. Es ist traurig, wie wenig der Mensch sie zu schätzen weiÃ. Rosie und ich haben mit Clara gesprochen. Du weiÃt, sie ist zuständig für die Anlage. Wir wollen im Frühjahr mithelfen. Und auch neue Pflanzen säen. Das ist unser Beitrag, unsere kleine Revolution im tristen Heimalltag. Mia ist auch ganz angetan von dieser Idee. Sie mag es, wenn ich beschäftigt bin.“ Elizabeth lachte.
Mildred blickte sie aus glänzenden Augen an. Rory bemerkte den warmen Braunton dieser.
„Wir planen auch einen Apfel- und einen Kirschbaum anzubauen…“ Fuhr Elizabeth fort. „Das scheint mir endlich eine Aufgabe, die Sinn macht. Als nächstes wird die abwechslungslose Heimküche erneuert. Wir müssen für unsere Rechte kämpfen, Mildred. Wir mögen zwar alt und schon etwas schwächer sein, aber das gibt den Jungen nicht das Recht über uns zu bestimmen.“
„Kirschen…“ begann Mildred mit leiser Stimme. „Mutter machte jeden Freitag Kirschkuchen.“
Elizabeth nickte. „Das sind die Dinge, welche uns ewig in Erinnerung bleiben werden. Meine Mutter hat uns immer vorgelesen. Meistens Märchen und Sagen. Ich liebte die Zeit vor dem Schlafen gehen. Diese Geschichten, so ernst sie auch teilweise waren, gaben mir stets ein Gefühl von Hoffnung.“
Mildred blickte auf die scheinbar endlosen Wiesen der Anlage. „Es ist warm, nicht?“
„Ja, sehr sogar. Möglicherweise wird es die ganze restliche Woche so bleiben, aber diesen Radiowettersendungen kann man nicht trauen.“
Mildred betrachtete Rory. „Anna ist sehr hübsch.“
Elizabeth lächelte milde. „Das ist nicht Anna. Anna ist meine älteste Tochter.“
„Du siehst aus wie dein Vater, Anna. Ich habe ihn kennen gelernt, damals in Mailand.“
„Ja, Mildred. Unglaublich, wie lange das schon her ist, nicht? Die Zeit vergeht und wir werden nicht jünger.“ Elizabeth betrachtete die Freundin mit einem sanften Lächeln.
Mildred fixierte die weiÃen Blüten.
„Martha und ich haben gestern wieder Schach gespielt. Sie hat wieder verloren und schmollt heute noch ein wenig. Aber würde sie sich besser fühlen, würde ich sie gewinnen lassen? Du warst die geborene Meisterin, Mildred. Dich konnte niemand schlagen. WeiÃt du noch, als wir uns damals in den Saloon geschlichen hatten und du diesem frauenfeindlichen Geizhals zwanzig Pfund beim Schach abnahmst? Das war unglaublich und unseren unsanften Rauswurf allemal wert.“
Ein kurzes, kaum sichtbares Lächeln umspielte Mildreds Lippen.
„Elizabeth?“ Mia betrachtete sie Stirn runzelnd. „Ich bat Sie doch Mildred vor drei Uhr zurückzubringen. Sie braucht ihren Schlaf und ihre Tabletten.“
Mildred fixierte einen imaginären Punkt in der Wiese.
„Ich kenne Mildred seit wir beide fünfzehn waren. Sie hasst nichts mehr als in einem stickigen Raum gefangen zu sein. Sie schätzt die Natur. Mehr als alles andere.“
„Elizabeth, ich akzeptiere es, wenn sie Rosie und Martha gelegentlich zu Gebotsverletzungen überreden, aber Mildreds gesundheitlicher Zustand ist äuÃerst schlecht, das wissen Sie.“
„Und denken Sie, dass sie früher genesen wird, wenn Sie sie einsperren? Sie sind die geborene Diktatorin, Mia.“
Mia seufzte leise und sah zu Rory, welche ihren Blick auf Elizabeth gerichtet hatte. „Ich werde Mildred nun in ihr Zimmer bringen.“
„Sie haben sie doch sowieso schon aufgegeben!“
„Elizabeth…“
Elizabeth sah zu ihrer Freundin, welche den Blick noch immer auf die Wiese gerichtet hatte. „Mildred und ich haben uns gerade sehr gut unterhalten! Nur zu Ihrer Information. Warum sollte Mildred mit jedem sprechen? In unserem Alter darf man wohl schon darüber entscheiden!“
Mia seufzte leise und schenkte Elizabeth ein mildes Lächeln bevor sie sich mit Mildred entfernte. Elizabeth sah der Freundin Kopf schüttelnd nach. „Die Ãrzte hatten ihr nur noch wenige Monate gegeben. Das war vor zwei Jahren. Doch Mildred ist eine Kämpferin. Sie sagen, sie würde nur noch wenig mitbekommen. Doch ist das ein Grund sie aufzugeben? AuÃerdem spüre ich, dass sie jedes Wort versteht. Auch wenn sie nicht immer antwortet. Auch wenn ihre Worte nicht immer für jeden klar zu sein scheinen.“
Rory erkannte die Kraft in Elizabeths Augen. Die Liebe zu ihrer Freundin. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Wollte keine falschen Worte wählen.
„Ist Mildred eben so lange hier wie Sie?“
Elizabeth schüttelte den Kopf. „Sie kam bereits zwei Jahre vor mir hier her. Sie hatte einen Schlaganfall erlitten. Ich besuchte sie jeden Tag, ehe ich selbst hier landete. Wie das Leben so spielt…“
Rory nickte langsam. „Wollen wir hinein gehen?“
Elizabeth schüttelte den Kopf. „Bleiben wir hier. Oder sind Sie aus Zucker und ertragen den Wind nicht?“
„Hier ist es sehr schön.“
„Das ist unsere kleine Oase. Nur hier können wir uns für wenige Stunden wieder wie Menschen fühlen.“
Rory wagte keine Fragen zu stellen. Sie betrachtete ihre Schuhspitzen.
„Haben Sie heute keine Fragen an mich?“
Rory lächelte leicht. „Doch. Entschuldigen Sie.“ Sie zog das Diktiergerät aus der Tasche.
Elizabeth beobachtete sie Kopf schüttelnd. „Ich habe auch viele Beobachtungen und Gespräche niedergeschrieben. Doch niemals habe ich so ein Gerät benützt.“ Sie runzelte die Stirn. „Wie geht es Ihnen heute? Sie wirken angespannt. Ich dachte, sie lieben diese Anlage so sehr, so wie sie immer strahlen. Heller als ein Weihnachtsstern.“ Es klang spöttisch.
„Ich habe nur schlecht geschlafen.“
„Schon wieder? Sie sollten Milch vor dem Schlafen gehen trinken. Das hilft.“
Rory nickte. „Ich werde es versuchen. Vielen Dank für den Tipp.“
Elizabeth musterte sie eingehend. „Sind sie verheiratet?“
„Wie bitte?“ Rory runzelte die Stirn.
„Ich schlief immer schlecht als mein Mann verreist war.“
„Nein, ich bin nicht verheiratet.“
Elizabeth nickte. „Haben Sie schon einmal daran gedacht?“
Rory wich ihrem Blick aus. Sie spielte unruhig mit den Fingern. Was bezweckte Elizabeth mit diesen Fragen? „Ja.“
„In Ihrem Alter war ich längst verheiratet. Doch in der heutigen Zeit scheint Heirat wohl nicht mehr als erstrebenswert. Warum haben Sie nicht geheiratet?“
„Weil wir uns während unserer Verlobungszeit trennten…“ Ihre Stimme überschlug sich. Sie räusperte sich leise.
Elizabeth stellte keine weiteren Fragen, musterte Rory nur nachdenklich. „Beginnen wir nun?“
„Womit?“
„Sehen Sie, Kindchen, dieser Ort behagt niemandem. Sie sind noch nicht einmal eine Woche hier und werden schon vergesslich. Mit der Befragung.“
„Sie erwähnten Ihren Italienaufenthalt. Einige Ihrer Werke spielten dort. Das Land musste einen sehr wichtigen Eindruck bei Ihnen hinterlassen haben.“
„Soll das nun eine Frage sein oder eine Annahme?“
„Beides.“
Elizabeth nickte. „Ja. Ich war sechs Monate in Florenz. Es war wohl eine meiner prägendsten Erfahrungen, wenn auch nicht meine prägendste.“
„Sie haben gewiss viele interessante Menschen kennen gelernt.“
„Wollen Sie auf etwas Bestimmtes hinaus, Miss Gilmore? Ich schätze direkte Fragen.“
„Das Bild über Ihrem Bett…“ Rory biss sich auf ihre Unterlippe. Sie hatte kein Recht diese Frage zu stellen.
„Was ist damit?“
„Wurde es für Sie persönlich gemalt?“
Elizabeths Miene veränderte sich nicht. Sie betrachtete Rory Stirn runzelnd. „Ja.“ Antwortete sie schlieÃlich. [SIZE=3]„Interessieren Sie sich denn auch für Malerei?“
„Es ist wunderschön. Ich muss es immerzu ansehen, es lässt mich nicht los. Diese perfekten Konturen und Farben, es scheint zu leben…“
Elizabeth lächelte milde. „Bilder scheinen uns oft lebendiger als das Leben selbst.“ SchlieÃlich begann sie über das Portrait ihrer UrgroÃmutter zu erzählen, welches das Vorzimmer ihres Elternhauses geschmückt hatte. Rory sollte erst später verstehen, dass - und warum - Elizabeth das Thema so gekonnt gewechselt hatte. [/SIZE]