~*Kapitel 24*~
Hartford, Herbst 2005
Lorelei wusste nicht ob sie weinen oder schreien sollte, ob sie sich freuen oder Angst haben sollte. Sie wusste nur, dass es zu früh war, viel zu früh. Andererseits hatten die Ãrzte ihr mehrfach versichert, es sei zwar früh, aber keineswegs so früh, das sie sich Sorgen machen müsste. Aber alleine Worte wie Frühchen, Kaiserschnitt oder Brutkasten waren nicht gerade dazu geeignet sich besser zu fühlen. Im Gegenteil, sie kam sich wie in einem dieser schlechten Filme vor, in denen die Wehen in einem stecken geblieben Fahrstuhl oder einem Flugzug hoch über dem atlantischen Ozean einsetzten. Billige Streifen in denen der natürlich zufällig anwesende Halbgott in Weià mit seinem strahlenden Elmex und Colgate Lächeln davon sprach, das das Timing zwar schlecht sei, aber das man schon alles regeln würde. Schlechtes Timing, schlechter ging es gar nicht. Nicht nur, das Rory in Chicago war, nein, sie hatte seit siebzehn Tagen kein Wort mit Luke gewechselt. Wie sauer sie auf ihn war. Einfach unglaublich wie er sich aufgeführt hatte. Bitte, sollte er doch weiter vor sich hinschmollen, sie würde nicht nachgeben. Das Schlimmste aber war, das sie in einem Anflug von geistiger Umnachtung ihre Mutter angerufen hatte, die jetzt sie und das gesamte Krankenhauspersonal tyrannisierte. Bravo, Lorelei, wirklich klasse gemacht. Als wären die Wehen nicht schon schlimm genug, musste sie sich jetzt auch noch die Vorträge Emilys anhören. Wie auf ein geheimes Stichwort, betrat diese auch prompt das Krankenhauszimmer.
âIch habe veranlasst, dass der Chefarzt gerufen wird. Zum Golfen gefahren, ich fasse es einfach nichtâ, murmelte sie empört vor sich hin und Lorelei stöhnte auf.
âEine unglaubliche Unverschämtheit, das er sich nach einer Dreizehntageschicht auch mal einen freien Tag gönnt.â
âWie geht es dir?â, fragte Emily besorgt.
âKlasse, Mom. Ich fang gleich zu steppen an, ich warte nur noch auf die Hintergrundtänzer.â
âLorelei, bitte.â
âIch habe Schmerzen, okay. Es tut einfach nur höllisch weh.â
âIch werde der Schwester sagen, sie soll dir noch ein Schmerzmittel geben.â
âDas habe ich schon getan, aber sie hat mir den Hahn zugedreht. Finito, Ende, Aus. Keine kleinen, bunten Pillen mehr. Keine Spritzen mit Heilbringendem Inhalt mehr. Aber hey: Warum gibt man den Kiddies in der Schule nicht einfach ein Mittel das Wehen verursacht? Ich schwöre dir, danach würde es sich jede Sechzehnjährige fünfzig Mal überlegen, ob sie mit ihrem Freund ins Bett steigt. Denn das ist der Spaà wirklich nicht wert.â
âLoreleiâ, rief Emily entsetzt aus.
âIch hätte es mir fünfzig Mal überlegt.â
âDas ist nicht dein erstes Kind, also hast du es dir scheinbar nicht überlegtâ, entgegnete Emily mit hochgezogenen Augenbrauen.
âWas soll ich sagen. Verdrängung. Aber zukünftig wird mir das nicht mehr passieren. Nie mehr. Kein Sex mehr. Nie wieder.â
âDu bist wirklich unmöglich.â
âSchon möglichâ, Lorelei wollte sich ein Stück aufrichten, doch Emily hielt sie davon ab.
âDieser unfassbar junge Assistenzarzt meinte, du sollst liegen bleiben.â
âIch bin kein Invalide, Mom.â
âBleib liegen!â
âGott!â, sie presste sie Zähne aufeinander, als eine neue Wehe kam. âWenn Luke hier wäre, dann würde ich ihm jetzt eine verpassen.â
âDann lass mich ihn anrufen.â
âNein!â, protestierte Lorelei.
âEr ist dein Mann. Er sollte hier sein.â
âEr sollte sich bei mir entschuldigen. Er sollte auf den Knien um Vergebung flehen.â
âLorelei!â
âDu wirst ihn nicht anrufen. Denn ansonsten werde ich bis ans Ende meiner Tage kein Wort mehr mit dir wechseln und das ist ein Versprechen!â
âDas ist doch kindisch, Lorelei. Ihn wegen eines dummen kleinen Streits von der Geburt seines Kindes fernzuhalten, ich bitte dich.â
âMom, das geht dich nichts an. AuÃerdem bist du wohl kaum als Expertin für Beziehungsratschläge geeignet, Mrs. Heywood âPalmer â Gilmore â Palmer â Heywood.â
âDas ist wirklich nicht der passende Moment, um ââ, sie hielt inne. âOh mein Gott.â
âOh mein Gott was?â
âOh mein Gott!â
âMom?â
âDein Vaterâ¦. Wie, wie spät ist es?â, sie sah auf ihre Uhr.
âZu spät, um sich das mit dem Kinderkriegen anders zu überlegen.â
âOh mein Gottâ, Emily lies sich auf einen freien Stuhl fallen. âOh mein Gott!â
âWas ist mit ihm?â
âWir waren verabredet.â
âDu und Gott?â
âDein Vater und ichâ, tadelnd sah sie ihre Tochter an. âVor drei Stunden.â
Lorelei tätschelte ihren Bauch. âDein Timing ist wirklich zum kotzen, Frodo.â
âFrodo? Wer ist Frodo?â, fragte Emily verwirrt.
âDein Enkel.â
âFrodo? Das ist nicht dein ernst! Du kannst einen Gilmore doch nicht Frodo nennen.â
âJetzt wo ich deine Reaktion darauf sehe, ziehe ich es ernsthaft in Erwägung, Mom.â
Gedankenverloren schüttelte Emily den Kopf. âRichard.â
âFrodo wird ganz bestimmt nicht Richard heiÃen, vergiss es.â
âDas meinte ich doch nicht. Ich meinte deinen Vater. Er â ich habe ihn versetzt.â
Lorelei seufzte. âImmerhin hattest du einen guten Grund. AuÃerdem -â, versuchte sie ihre Mutter aufzuheitern, wurde jedoch von einer weiteren Wehe daran gehindert. âVerflucht, langsam wird es wirklich ungemütlich hier.â
âIch werde einen Arzt holenâ, eilig stand sie auf und kehrte fünf Minuten später mit einem Gefolge aus Ãrzten, Schwestern und Pflegern zurück.
âWarum verkaufen wir nicht gleich Eintrittskarten?â, fragte Lorelei ächzend.
âKeine schlechte Idee, Mrs. Gilmoreâ, sagte einer der Ãrzte und sah auf den Monitor. âAllerdings wird uns nicht mehr viel Zeit dafür bleiben, da wir sie jetzt in den Kreissaal bringen werden.â
âSchade, gerade jetzt wo ich mich an diese Schmerzen gewöhnt habe.â
âIhr Bedauern steht ihnen förmlich ins Gesicht geschriebenâ, entgegnete er mit einem Lächeln und tätschelte ihre Hand. âWo ist der glückliche Vater?â
âWir konnten ihn bislang nicht erreichenâ, kam Emily ihrer Tochter mit einer Antwort zuvor und diese verdrehte die Augen.
âNa hoffentlich.â
âIch bitte dich, Lorelei, nimm endlich Vernunft an.â
âIch bin vernünftig.â
âSo vernünftig wie eine Fünfjährige, die unbedingt ein Kaninchen haben will, obwohl sie sich vor diesen Viechern fürchtet.â
âArghhhhh!â, sie griff nach dem Ãrmel des Arztes. âWenn sie schon am operieren sind, können sie mir da nicht gleich eine neue Identität verpassen? Ich dachte da an eine Art Marilyn Monroe â Look. Wäre das wohl möglich?â
âWir werden sehen, was sich machen lässtâ, antwortete er zwinkernd und zwei der Pfleger machten sich daran das Bett aus dem Zimmer zu schieben.
ATN: Kleines Weihnachts-Leckerli....Rest folgt so bald wie möglich *GG*