bitte sehr, frisch auf dem Silbertablett!
Ein bissl gar melodramatisch dieses Mal, hmm woran könnte das wohl liegen??
Teil 6:
Fünf Wochen. Fünf Wochen sind eine lange Zeit. In fünf Wochen kann viel geschehen. Fünf Wochen ist es her, dass sie sich zum ersten Mal nicht zusammenreiÃen hat können. Fünf Wochen â seit dem sie zum ersten Mal von ihren Gefühlen preisgegeben hat. Ein kleiner Schwank aus ihren Gedanken, die sie stumm ausgeschrieen hat. Es ist vorüber. Die Narben sind verheilt, die Feiertage vorüber. Sie geht wieder ihrem normalen Schulalltag nach. Seit dem ist es â Besser?
Eine Psychiaterin, das soll die Besserung sein. Sie haben es vorgeschlagen. Wollen es zusammen mit ihr machen. Wollen sie dabei unterstützen. Und sie? Sie nickt, stimmt zu, gibt ihnen Recht. Es ist das Beste. Aber ist es besser?
Um diese Frage zu beantworten, geht sie nun einmal die Woche gemeinsam mit ihren GroÃeltern in die Praxis der dunkelhaarigen Frau mit Brille. Einmal die Woche sitzen sie alle im Kreis und reden. Falsch. Sie reden nicht. Die Frau stellt fragen. Die Frau sagt, sie müsse darüber reden, um es zu verarbeiten. Sie nickt. Spricht nicht, aber nickt. Die Frau redet weiter. Sagt, sie müsse nun endlich den Mund aufmachen, handeln. Sie nickt wieder. Ãffnet nicht den Mund, handelt nicht. Wie könnte sie auch? Die Frau redet und redet und redet. In ihrem Kopf nur noch ein störender monotoner Unterton. Ein Unterton gefüllt mit Vorwürfen gegen sie, gefüllt mit Mitleid.
Mitleid. Ist es das was sie braucht? Verständnis. Die Frau sagt, sie würde sie verstehen, sie kenne viele Leute, Mädchen wie sie. Nichts versteht sie, gar nichts.
Die Frau sagt, man müsse sie mit der Vergangenheit konfrontieren, um Besserungen zu erzielen. Sie solle sich einen Plan aufstellen, ihr Ziel solle die Ãberwindung sein.
Gesagt getan. Sie wird eingehäuft mit Fotos, Tagebüchern, Briefen und Zeugnissen.
Sie widerspricht dem aufgestellten Plan. Sieht sich weder Briefe noch Fotos an. Sie kann es nicht. Will es nicht.
Schon so oft mussten sie die Sitzung abbrechen. âNicht vorhandenes Mitarbeitenâ
Diese Frau macht es sich einfach. Kassiert Geld dafür, dass sie sich quält. Erwartet sie wirklich von ihr, dass sie mitarbeitet? Soll sie sich etwa von einer komplett fremden Frau vorschreiben lassen, wie sie über den Tod des wohl wichtigsten Menschen in ihrem Leben hinweg kommen soll? Was für ein absurder Gedanke. Sie muss lachen bei diesem Gedanken. Sie lacht, steigert sich hinein, bald wird aus dem lachen nur noch ein hysterisches Aufschreien. Solange, bis sie sich beruhigt, wieder einmal.
Und die GroÃeltern? Die sind verzweifelt. Sie lässt niemanden an sich heran, redet nicht, noch weniger als früher. Haben sie etwas falsch gemacht? Wollten sie nicht immer nur das Beste für ihre Enkeltochter? Haben sie versagt? Schon wieder?
Sie lebt in einer Trancewelt, sagen die Ãrzte. Ãrzte sind gebildete Menschen, die haben Recht, egal wessen Argument dagegen steht. Ãrzten kann man vertrauen, muss man vertrauen. Ãrzte sagen einem im Notfall auch das was man hören will, sie haben Recht.
Sie geht all ihren Arbeiten nach, verhält sich ganz normal. Doch wenn man in ihre Augen sieht, dann sieht man nichts. Jeder Funke Lebendigkeit ist erloschen.
Sie tun alles, zahlen alles, um diesen Funken wieder zu zünden. Aber sie macht nicht mit. Wehrt sich gegen die Beruhigungsmittel, redet nicht mit den Leuten, die sie engagieren, redet nicht mit ihnen.
Doch sie lacht. Sie lacht nach auÃen hin. Tief in ihr ist es kohlschwarz. Die Scheinwelt in der sie sich bis jetzt so wohl gefühlt hat ist zerbrochen. Es gibt sie nicht mehr, und sie wird sie auch nie wieder aufbauen können. Was geschehen ist, ist geschehen und lässt sich nicht wieder gutmachen. Wie so vieles in ihrem Leben.
Zu lange vermissen sie schon die Wärme ihrer Enkelin, die Freude in den Augen, das Glitzern, dass sie sosehr an ihre Tochter erinnerte. Zu lange haben sie sie schon nicht mehr lachen gesehen. Sie vermissen sie, wollen sie zurück haben. Wollen nicht schon wieder eine Tochter verlierenâ¦
Dass ihr Lachen, ihre Freude, das Glitzern in ihren Augen nie natürlich, sondern eintrainiert und geübt war, das wissen sie nicht. Sie können es nicht wissen. SchlieÃlich hat sie es ihnen zu Liebe getan. Doch damit ist Schluss. Sie haben ihre Schutzmauer ein für alle mal zerstört. Sind sie nicht selbst schuld? Nein, sie sind es nicht, und das weià sie. Will es nicht zugeben, will jemanden die Schuld geben, sucht einen Sündenbock.
Sie ist entsetzt über ihre eigenen Gedanken. Sie liebt sie doch, vergöttert sie. Warum kann sie sich nicht ausdrücken? Konnte sie es jemals? Sie kann schauspielern. Wer ist Marilyn Monroe, Julia Roberts? Sie alle wissen wie man es macht. Doch können tun sie es nicht. Nicht so wie sie.
Könnt ihr ihre Frage beantworten?
Ist es besser?