16.03.2009, 23:21
Tja, also danke für das viele Fb, dass ich komischerweise (Bis auf Leila) diesmal per privat Nachricht gekriegt hab. Naja, jedenfalls danke. Und hier kommt der nächste Teil. (Meiner Meinung nach der beste, den ich bis jetzt geschrieben hab, vorallem wegen dem Ende )
21 Tage nach der Knochenmarktransplantation erhöht sich die Zahl von Sarahs weiÃen Blutkörperchen, ein Beweis dafür, dass sich die Spenderstammzellen angesiedelt haben. Zur Feier des Tages will Logan mit mir essen gehen, Er engagiert eine private Pflegerin, die mich bei Sarah vertritt, reserviert einen Tisch im City Stream Brewery Cafe und bringt mir sogar ein schwarzes Kleid ins Krankenhaus. Er vergisst die Pumps, so dass mir nichts anderes übrig bleibt, als zur Abendgarderobe meine abgetretenen Alltagsschuhe zu tragen.
Das Restaurant ist fast voll. Kaum haben wir Platz genommen, kommt der Oberkellner und fragt, ob wir Wein möchten. Logan bestellt eine Flasche Carbernet Sauvignon.
âWeiÃt du überhaupt, ob das Rot â oder WeiÃwein ist?â
âIch weiÃ, dass Alkohol drin ist, und ich weiÃ, dass wir einen Grund zum Feiern haben.â Logan hebt sein Glas, nachdem der Kellner uns eingeschenkt hat. âAuf unsere Familieâ, sagt er.
Wir stoÃen an und trinken einen Schluck. âWas nimmst du?â
âWas soll ich denn nehmen?â
âDas Filet. Dann kann ich mal probieren, wenn ich die Seezunge nehme.â Ich klappe meine Speisekarte zu. âWeiÃt du, wie die Ergebnisse vom letzten Blutbild sind?â
Logan blickt nach unten auf den Tisch. âIch hatte gehofft, wir könnten hier mal ein bisschen Abstand von allem kriegen. Naja. Uns einfach mal unterhalten.â
âIch würde mich gerne mit dir unterhaltenâ, gebe ich zu. Aber als ich Logan ansehe, fällt mir nur wieder sarah ein. Ich habe auÃerdem gar keinen Anlass ihn zu fragen, wie sein Tag war â er hat sich drei Wochen freigenommen. Wir sind durch Krankheit verbunden.
Wir schweigen wieder. Ich schaue mich um und bemerke, dass angeregte Gespräche überwiegend an Tischen stattfinden, wo junge und schick gekleidete Leute sitzen. Die älteren Paare, die, an deren Fingern Eheringe mit dem Silberbesteck um die Wette funkeln, essen wortlos. Liegt es daran, dass sie sich so wohl miteinander fühlen? Oder wissen sie bereits, was der andere denk? Oder haben sie sich ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nichts mehr zu sagen?
Als der Kellner kommt, um unsere Bestellung entgegenzunehmen, wenden wir uns ihm beide eifrig zu, dankbar, dass jemand uns die Erkenntnis erspart, wie fremd wir uns geworden sind.
Wir verlassen das Krankenhaus mit einem ganz anderen Kind als dem, das wir hergebracht hatten. Sarah bewegt sich vorsichtig, schaut in allen Schubladen nach, ob sie auch nichts vergessen hat. Sie ist so stark abgemagert, dass ihr die Jeans nicht mehr passt; wir müssen zwei Kopftücher zusammenknoten und sie ihr als Gürtel umbinden.
Logan ist schon nach unten gegangen, um den Wagen vorzufahren. Ich packe die letzten Bücher (sie hat insgesamt 21 Bücher mit ins Krankenhaus gebracht) in Sarahs Reisetasche. Sie stülpt sich eine Fleecemütze über die glatte, kahle Kopfhaut und wickelt sich einen Schal um den Hals. Sie setzt sich einen Mundschutz auf und zieht sich Handschuhe an, Jetzt, da wir uns aus dem Krankenhaus trauen, ist sie es, die Schutz braucht.
Als wir die Tür öffnen, empfängt uns Applaus vom Pflegepersonal, das wir inzwischen richtig gut kennengelernt haben. âUntersteh dich, noch einmal herzukommenâ, witzelt der Pfleger Jacob.
Nachdem sich alle einzeln von uns verabschiedet haben und wieder an die Arbeit gegangen sind, lächele ich Sarah an. âKönnen wir?â
Sarah nickt, aber sie rührt sich nicht von der Stelle. Sie steht wie angewurzelt da, denn ihr wird mit einem Mal bewusst, dass sich alles ändert, sobald sie einen Fuà durch die Tür gesetzt hat. âMom?â
Ich nehme ihre Hand. âIch helfe dirâ, sage ich und Seite an Seite machen wir den ersten Schritt.
In der Post sind lauter Krankenhausrechningen. Wir haben erfahren, dass die Versicherung nicht bereit ist, sich mit der Rechnungsabteilung des Krankenhauses in Verbindung zu setzten und umgekehrt, aber keine von beiden Parteien glaubt, dass die Forderungen korrekt sind â mit der Folge, dass sie uns Posten in Rechnung stellen, die wir gar nicht bezahlen müssten, in der Hoffnung, dass wir so dumm sind, es doch zu tun. Die finanzielle Seite von Sarahs medizinischer Behandlung zu verwalten ist so zeitaufwendig, dass weder Logan noch ich das erledigen können.
Ich werfe einen Blick in eine Supermarktwerbung, blättere in einem Reiseprospekt und überfliege die neuesten Ferngesprächtarife der Telefongesellschaft, bevor ich den Brief von der Investmentgesellschaft öffne. Normalerweise schenke ich solchen Dingen keine groÃe Beachtung. Alles Finanzielle, das über das Girokonto hinausgeht, ist Logans Ressort. AuÃerdem, die drei Fonds, die wir haben, sind ausschlieÃlich für die Ausbildung der Kinder bestimmt. Wir haben nun mal kein Geld übrig, um an der Börse zu spekulieren.
Falls sich die Bank da einen Fehler geleistet hat dann ist der ziemlich gravierend. Wir überziehen zwar schon mal das Girokonto, aber 8000 $ sind schon ein anderes Kaliber. Ich gehe in den Garten, wo Logan gerade den Gartenschlauch aufrollt.âSieh dir das mal an, entweder da hat einer bei der Bank Mist gebautâ, sage ich und reiche ihm das Schreiben, âoder die heimliche Geliebte, die du unterstützt, ist ab sofort kein Geheimnis mehr.â
Er braucht eine Sekunde zu lang, um den Brief zu lesen und in derselben Minute begreife ich, dass es sich nicht um einen Fehler handelt. Logan wischt sich mit dem Handgelenk über die Stirn. âIch hab das Geld abgenommenâ, sagt er. âOhne mir ein Wort zu sagen?â Ich will nicht glauben, dass Logan das getan hat. âDie Jungs in der Redaktion haben einen Spendenaufruf gemacht, das hab ich dir ja erzählt. Sie haben 10.000 $ zusammengekriegt. Wenn wir das Geld von dem Fonds drauflegen, ist das Krankenhaus bereit, uns eine Ratenzahlung zu bewilligen.â
âAber du hast gesagt-â
âIch weiÃ, was ich gesagt habe, Rory.â
Ich schüttele fassungslos den Kopf und verschränke die Arme vor der Brust. âDu hast mich belogen?â
âIch wollte nicht-â
âParis hat uns doch-â
âIch lasse nicht zu, dass Paris für Sarah bezahltâ, sagt Logan. âIch kann allein für Sarah sorgen.â Der Schlauch fällt zu Boden, tropft und spritzt uns die FüÃe nass. âRory, sie wird nicht alt genug werden, um das Geld fürs College zu brauchen.â
Die Sonne ist hell. Der Sprinkler zischt auf dem Gras, sprüht Regenbögen. Es ist ein viel zu schöner Tag für solche Worte. Ich drehe mich um und laufe ins Haus. Ich schlieÃe mich im Badezimmer ein.
Gleich darauf klopft Logan an die Tür. âRory? Rory, es tut mir leid.â
Ich tue so, als würde ich ihn nicht hören, als hätte ich kein Wort von dem gehört, was er gesagt hat.
Zu Hause tragen wir alle einen Mundschutz, damit Sarah keinen tragen muss. Ich werfe unwillkürlich einen Blick auf ihre Fingernägel, wenn sie sich die Zähne putzt oder Cornflakes eingieÃt, um zu sehen, ob die dunklen Furchen, die von der Chemo stammen, verschwunden sind â ein sicheres Zeichen, dass die Transplantation erfolgreich war. Zweimal am Tag gebe ich Sarah eine Wachstumsfaktorspritze in den Oberschenkel, was notwendig ist, bis die Zahl der neutrophilen Granulozyten tausend übersteigt. Ab dann bildet sich das Knochenmark von allein weiter.
In die Schule darf sie noch nicht wieder, daher lassen wir uns den Unterrichtsstoff nach Hause schicken. Ein- oder Zweimal ist sie mitgekommen, Elena von der Schule abzuholen, aber sie weigert sich, aus dem Auto zu steigen. Sie fährt brav mit ins Krankenhaus zum regelmäÃigen Blutbild, aber wenn ich anschlieÃend vorschlage, einen Abstecher in den Buchladen zu machen oder einen Donut essen zu gehen, will sie nicht.
An einem Samstagmorgen ist die Zimmertür der Mädchen nur angelehnt. Ich klopfe leise. âLust auf einen Einkaufsbummel?â
Sarah zuckt die Achseln. âJetzt nicht.â
Ich lehne mich gegen den Türrahmen. âTäte dir gut, mal ein bisschen rauszukommen.â
âKeine Lust.â Obwohl ich sicher bin, dass sie selbst es nicht mal merkt, streicht sie sich mit der flachen Hand über den Kopf.
âSarahâ, setzte ich an.
âSag es nicht. Erzähl mir nicht, dass die Leute mich nicht anstarren werden, denn das werden sie. Erzähl mir nicht, es ist egal, denn das ist es nicht. Und erzähl mir nicht, dass ich gut aussehe, denn das ist gelogen.â Ihre wimpernlosen Augen füllen sich mit Tränen. âIch bin ein Freak, Mom. Sieh mich doch an.â Ich tue es und ich sehe die Stellen, wo die Augenbrauen einmal waren und die Wölbung ihrer endlosen Stirn und die kleinen Dellen und Beueln, die normalerweiÃe unter den Haaren versteckt sind. âNaâ, sage ich ruhig. âDas lässt sich ändern.â
Ohne ein weiteres Wort marschiere ich die Treppe hinunter, weil ich weiÃ, dass Sarah mir folgen wird. Unten komme ich an Elena vorbei, die ihre Buntstifte fallen lässt, um hinter ihrer Schwester herzutrotten. Im Keller krame ich einen uralten Scherapparat hervor, dann rasiere ich mir eine Schneise von vorn nach hinten mitten durch die Haare.
âMom!â, keucht Sarah.
âWas denn?â, eine braune Haarwelle landet auf Elenas Schulter. Sie nimmt sie vorsichtig in die Hand. âEs sind nur Haare.â
Als ich mir erneut mit dem Apparat über den Kopf fahre, muss Sarah lächeln. Sie zeigt auf eine Stelle, die ich vergessen habe, ein kleiner Schopf, der wie ein verlorener Wald da steht. Ich setze mich auf einen umgedrehten Milchkasten und lasse mir die andere Kopfhälfte von Sarah rasieren. Elena setzt sich auf meinen SchoÃ. âDann ichâ, bettelt sie.
Eine Stunde später spazieren wir drei Hand in Hand durchs Einkaufszentrum, ein Trio kahlköpfiger Mädchen. Stundenlang bummeln wir durch die Geschäfte. Ãberall drehen sich Köpfe nach uns um und flüstern Stimmen. Wir sind wunderschön, wir drei.
21 Tage nach der Knochenmarktransplantation erhöht sich die Zahl von Sarahs weiÃen Blutkörperchen, ein Beweis dafür, dass sich die Spenderstammzellen angesiedelt haben. Zur Feier des Tages will Logan mit mir essen gehen, Er engagiert eine private Pflegerin, die mich bei Sarah vertritt, reserviert einen Tisch im City Stream Brewery Cafe und bringt mir sogar ein schwarzes Kleid ins Krankenhaus. Er vergisst die Pumps, so dass mir nichts anderes übrig bleibt, als zur Abendgarderobe meine abgetretenen Alltagsschuhe zu tragen.
Das Restaurant ist fast voll. Kaum haben wir Platz genommen, kommt der Oberkellner und fragt, ob wir Wein möchten. Logan bestellt eine Flasche Carbernet Sauvignon.
âWeiÃt du überhaupt, ob das Rot â oder WeiÃwein ist?â
âIch weiÃ, dass Alkohol drin ist, und ich weiÃ, dass wir einen Grund zum Feiern haben.â Logan hebt sein Glas, nachdem der Kellner uns eingeschenkt hat. âAuf unsere Familieâ, sagt er.
Wir stoÃen an und trinken einen Schluck. âWas nimmst du?â
âWas soll ich denn nehmen?â
âDas Filet. Dann kann ich mal probieren, wenn ich die Seezunge nehme.â Ich klappe meine Speisekarte zu. âWeiÃt du, wie die Ergebnisse vom letzten Blutbild sind?â
Logan blickt nach unten auf den Tisch. âIch hatte gehofft, wir könnten hier mal ein bisschen Abstand von allem kriegen. Naja. Uns einfach mal unterhalten.â
âIch würde mich gerne mit dir unterhaltenâ, gebe ich zu. Aber als ich Logan ansehe, fällt mir nur wieder sarah ein. Ich habe auÃerdem gar keinen Anlass ihn zu fragen, wie sein Tag war â er hat sich drei Wochen freigenommen. Wir sind durch Krankheit verbunden.
Wir schweigen wieder. Ich schaue mich um und bemerke, dass angeregte Gespräche überwiegend an Tischen stattfinden, wo junge und schick gekleidete Leute sitzen. Die älteren Paare, die, an deren Fingern Eheringe mit dem Silberbesteck um die Wette funkeln, essen wortlos. Liegt es daran, dass sie sich so wohl miteinander fühlen? Oder wissen sie bereits, was der andere denk? Oder haben sie sich ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nichts mehr zu sagen?
Als der Kellner kommt, um unsere Bestellung entgegenzunehmen, wenden wir uns ihm beide eifrig zu, dankbar, dass jemand uns die Erkenntnis erspart, wie fremd wir uns geworden sind.
Wir verlassen das Krankenhaus mit einem ganz anderen Kind als dem, das wir hergebracht hatten. Sarah bewegt sich vorsichtig, schaut in allen Schubladen nach, ob sie auch nichts vergessen hat. Sie ist so stark abgemagert, dass ihr die Jeans nicht mehr passt; wir müssen zwei Kopftücher zusammenknoten und sie ihr als Gürtel umbinden.
Logan ist schon nach unten gegangen, um den Wagen vorzufahren. Ich packe die letzten Bücher (sie hat insgesamt 21 Bücher mit ins Krankenhaus gebracht) in Sarahs Reisetasche. Sie stülpt sich eine Fleecemütze über die glatte, kahle Kopfhaut und wickelt sich einen Schal um den Hals. Sie setzt sich einen Mundschutz auf und zieht sich Handschuhe an, Jetzt, da wir uns aus dem Krankenhaus trauen, ist sie es, die Schutz braucht.
Als wir die Tür öffnen, empfängt uns Applaus vom Pflegepersonal, das wir inzwischen richtig gut kennengelernt haben. âUntersteh dich, noch einmal herzukommenâ, witzelt der Pfleger Jacob.
Nachdem sich alle einzeln von uns verabschiedet haben und wieder an die Arbeit gegangen sind, lächele ich Sarah an. âKönnen wir?â
Sarah nickt, aber sie rührt sich nicht von der Stelle. Sie steht wie angewurzelt da, denn ihr wird mit einem Mal bewusst, dass sich alles ändert, sobald sie einen Fuà durch die Tür gesetzt hat. âMom?â
Ich nehme ihre Hand. âIch helfe dirâ, sage ich und Seite an Seite machen wir den ersten Schritt.
In der Post sind lauter Krankenhausrechningen. Wir haben erfahren, dass die Versicherung nicht bereit ist, sich mit der Rechnungsabteilung des Krankenhauses in Verbindung zu setzten und umgekehrt, aber keine von beiden Parteien glaubt, dass die Forderungen korrekt sind â mit der Folge, dass sie uns Posten in Rechnung stellen, die wir gar nicht bezahlen müssten, in der Hoffnung, dass wir so dumm sind, es doch zu tun. Die finanzielle Seite von Sarahs medizinischer Behandlung zu verwalten ist so zeitaufwendig, dass weder Logan noch ich das erledigen können.
Ich werfe einen Blick in eine Supermarktwerbung, blättere in einem Reiseprospekt und überfliege die neuesten Ferngesprächtarife der Telefongesellschaft, bevor ich den Brief von der Investmentgesellschaft öffne. Normalerweise schenke ich solchen Dingen keine groÃe Beachtung. Alles Finanzielle, das über das Girokonto hinausgeht, ist Logans Ressort. AuÃerdem, die drei Fonds, die wir haben, sind ausschlieÃlich für die Ausbildung der Kinder bestimmt. Wir haben nun mal kein Geld übrig, um an der Börse zu spekulieren.
Sehr geehrter Mr. Huntzberger,
hiermit teilen wir Ihnen mit, dass der auf Ihren
Namen â Logan M. Huntzberger â laufende Fonds mit
der Nummer 323456 zugunsten Ihrer Tochter â
Sarah L. Huntzberger â durch die kürzlich erfolgte
Auszahlung in Höhe von $ 8.369,56 aufgelöst ist.
hiermit teilen wir Ihnen mit, dass der auf Ihren
Namen â Logan M. Huntzberger â laufende Fonds mit
der Nummer 323456 zugunsten Ihrer Tochter â
Sarah L. Huntzberger â durch die kürzlich erfolgte
Auszahlung in Höhe von $ 8.369,56 aufgelöst ist.
Falls sich die Bank da einen Fehler geleistet hat dann ist der ziemlich gravierend. Wir überziehen zwar schon mal das Girokonto, aber 8000 $ sind schon ein anderes Kaliber. Ich gehe in den Garten, wo Logan gerade den Gartenschlauch aufrollt.âSieh dir das mal an, entweder da hat einer bei der Bank Mist gebautâ, sage ich und reiche ihm das Schreiben, âoder die heimliche Geliebte, die du unterstützt, ist ab sofort kein Geheimnis mehr.â
Er braucht eine Sekunde zu lang, um den Brief zu lesen und in derselben Minute begreife ich, dass es sich nicht um einen Fehler handelt. Logan wischt sich mit dem Handgelenk über die Stirn. âIch hab das Geld abgenommenâ, sagt er. âOhne mir ein Wort zu sagen?â Ich will nicht glauben, dass Logan das getan hat. âDie Jungs in der Redaktion haben einen Spendenaufruf gemacht, das hab ich dir ja erzählt. Sie haben 10.000 $ zusammengekriegt. Wenn wir das Geld von dem Fonds drauflegen, ist das Krankenhaus bereit, uns eine Ratenzahlung zu bewilligen.â
âAber du hast gesagt-â
âIch weiÃ, was ich gesagt habe, Rory.â
Ich schüttele fassungslos den Kopf und verschränke die Arme vor der Brust. âDu hast mich belogen?â
âIch wollte nicht-â
âParis hat uns doch-â
âIch lasse nicht zu, dass Paris für Sarah bezahltâ, sagt Logan. âIch kann allein für Sarah sorgen.â Der Schlauch fällt zu Boden, tropft und spritzt uns die FüÃe nass. âRory, sie wird nicht alt genug werden, um das Geld fürs College zu brauchen.â
Die Sonne ist hell. Der Sprinkler zischt auf dem Gras, sprüht Regenbögen. Es ist ein viel zu schöner Tag für solche Worte. Ich drehe mich um und laufe ins Haus. Ich schlieÃe mich im Badezimmer ein.
Gleich darauf klopft Logan an die Tür. âRory? Rory, es tut mir leid.â
Ich tue so, als würde ich ihn nicht hören, als hätte ich kein Wort von dem gehört, was er gesagt hat.
Zu Hause tragen wir alle einen Mundschutz, damit Sarah keinen tragen muss. Ich werfe unwillkürlich einen Blick auf ihre Fingernägel, wenn sie sich die Zähne putzt oder Cornflakes eingieÃt, um zu sehen, ob die dunklen Furchen, die von der Chemo stammen, verschwunden sind â ein sicheres Zeichen, dass die Transplantation erfolgreich war. Zweimal am Tag gebe ich Sarah eine Wachstumsfaktorspritze in den Oberschenkel, was notwendig ist, bis die Zahl der neutrophilen Granulozyten tausend übersteigt. Ab dann bildet sich das Knochenmark von allein weiter.
In die Schule darf sie noch nicht wieder, daher lassen wir uns den Unterrichtsstoff nach Hause schicken. Ein- oder Zweimal ist sie mitgekommen, Elena von der Schule abzuholen, aber sie weigert sich, aus dem Auto zu steigen. Sie fährt brav mit ins Krankenhaus zum regelmäÃigen Blutbild, aber wenn ich anschlieÃend vorschlage, einen Abstecher in den Buchladen zu machen oder einen Donut essen zu gehen, will sie nicht.
An einem Samstagmorgen ist die Zimmertür der Mädchen nur angelehnt. Ich klopfe leise. âLust auf einen Einkaufsbummel?â
Sarah zuckt die Achseln. âJetzt nicht.â
Ich lehne mich gegen den Türrahmen. âTäte dir gut, mal ein bisschen rauszukommen.â
âKeine Lust.â Obwohl ich sicher bin, dass sie selbst es nicht mal merkt, streicht sie sich mit der flachen Hand über den Kopf.
âSarahâ, setzte ich an.
âSag es nicht. Erzähl mir nicht, dass die Leute mich nicht anstarren werden, denn das werden sie. Erzähl mir nicht, es ist egal, denn das ist es nicht. Und erzähl mir nicht, dass ich gut aussehe, denn das ist gelogen.â Ihre wimpernlosen Augen füllen sich mit Tränen. âIch bin ein Freak, Mom. Sieh mich doch an.â Ich tue es und ich sehe die Stellen, wo die Augenbrauen einmal waren und die Wölbung ihrer endlosen Stirn und die kleinen Dellen und Beueln, die normalerweiÃe unter den Haaren versteckt sind. âNaâ, sage ich ruhig. âDas lässt sich ändern.â
Ohne ein weiteres Wort marschiere ich die Treppe hinunter, weil ich weiÃ, dass Sarah mir folgen wird. Unten komme ich an Elena vorbei, die ihre Buntstifte fallen lässt, um hinter ihrer Schwester herzutrotten. Im Keller krame ich einen uralten Scherapparat hervor, dann rasiere ich mir eine Schneise von vorn nach hinten mitten durch die Haare.
âMom!â, keucht Sarah.
âWas denn?â, eine braune Haarwelle landet auf Elenas Schulter. Sie nimmt sie vorsichtig in die Hand. âEs sind nur Haare.â
Als ich mir erneut mit dem Apparat über den Kopf fahre, muss Sarah lächeln. Sie zeigt auf eine Stelle, die ich vergessen habe, ein kleiner Schopf, der wie ein verlorener Wald da steht. Ich setze mich auf einen umgedrehten Milchkasten und lasse mir die andere Kopfhälfte von Sarah rasieren. Elena setzt sich auf meinen SchoÃ. âDann ichâ, bettelt sie.
Eine Stunde später spazieren wir drei Hand in Hand durchs Einkaufszentrum, ein Trio kahlköpfiger Mädchen. Stundenlang bummeln wir durch die Geschäfte. Ãberall drehen sich Köpfe nach uns um und flüstern Stimmen. Wir sind wunderschön, wir drei.