Hey! :-) Danke für euer tolles FB und hier auch schon der nächste Teil. Der ist diesmal allerdings nicht so gut geworden, weil ich 1. müde war und ich mich 2. nicht wirklich in Logan hineinversetzen konnte, aber naja.
Hoffe euch gefällts trotzdem :-)
LOGAN
Wenn ich arbeiten muss, esse ich zweimal zu Abend. Das erste mal früh, meiner Familie zuliebe, damit wir alle zusammen am Tisch sitzen können. Heute Abend hat Rory Roastbeef gemacht. Der Braten steht auf dem Tisch, als sie uns zum Essen ruft.
Sarah rutsch als erste auf ihren Stuhl. „Na, Kleines“, sage ich und drücke ihr die Hand. Das Lächeln, das sie mir schenkt, erreicht nicht ihre Augen. „Was hast du heute so gemacht?“
Sie schubst ihre Bohnen auf dem Teller hin und her. „Dritte-Welt-Länder gerettet, ein paar Atome gespaltet und den groÃen amerikanischen Roman vollendet. Zwischen der Dialyse natürlich.“
„Natürlich.“
Rory dreht sich um und schwingt ein Messer. „Was immer ich auch getan habe, sage ich und zieh den Kopf ein, „es tut mir leid.“
Sie übergeht das. „Schneid den Braten auf, ja?“
Ich nehme das Tranchiermesser und schneide in das Roastbeef und in diesem Moment kommt David in die Küche geschlurft. Wir erlauben ihm, über der Garage zu wohnen, aber er muss mit uns zusammen essen, so lautet die Abmachung. Seine Augen sind feuerrot, seine Kleidung umhüllt süÃlicher Rauch. „Das darf doch nicht wahr sein“, seufzt Rory, doch als ich mich umdrehe, starrt sie auf den Braten. „Der ist doch gar nicht fertig.“ Sie hebt die Kasserolle mit bloÃen Händen hoch, als wäre ihre Haut mit Asbest beschichtet und schiebt sie zurück in den Backofen.
David greift nach einer Schüssel Kartoffeln und häuft sich einen Teller voll. Mehr und mehr und mehr.
„Du stinkst“, sagt Sarah und wedelt mit der Hand vor ihrem Gesicht.
David ignoriert sie und nimmt einen Bissen von seinen Kartoffeln. Ich weià zwar nicht, was das über mich sagt, aber ich bin richtiggehend begeistert, dass ich ihm anmerken kann, was für eine Droge durch seinen Organismus flieÃt: Marihuana, nicht Ecstasy, Heroin oder was weià ich noch alles, das wenig Spuren hinterlässt.
„Nicht jeder hier mag Eau de Hasch“, knurrt Sarah.
„Nicht jeder hier kriegt seine Drogen durch einen Port verpasst“, antwortet David.
Rory hebt die Hände. „Bitte, könnten wir einfach...nicht?“
„Wo ist Elena?“, fragt Sarah.
„War sie nicht in eurem Zimmer?“
„Seit heute morgen nicht mehr.“
Rory steckt den Kopf zur Küchentür hinaus. „Elena! Essen kommen!“
„Seht mal, was ich mir gekauft hab“, sagt Sarah und zupft an ihrem T-Shirt. Es hat ein psychedeisches Batikmuster und vorne drauf ist die Abbildung eines Krebses und das Wort KREBS gedruckt. „Kapiert ihr?“
„Du bist Löwe.“ Rory sieht aus, als wäre sie den Tränen nahe.
„Was macht der Braten?“, frage ich, um sie abzulenken.
Da kommt Elena in die Küche. Sie wirft sich auf ihren Stuhl und senkt den Kopf. „Wo hast du gesteckt?“, fragt Sarah.
„War unterwegs.“ Elena blickt auf ihren Teller, macht aber keine Anstalten, sich zu bedienen.
So kenne ich Elena gar nicht. Ich bin es gewohnt, mich mit David herumzuschlagen, Sarahs Last zu erleichtern. Aber Elena ist die Konstante in unserer Familie. Elena kommt mit einem Lächeln herein. Elena erzählt uns von der Drossel, die sie mit einem gebrochenen Flügel gefunden hat oder von der Mutter, die sie im Wal-Markt mit nicht einem sondern gleich zwei Paar Zwillingen gesehen hat. Elena ist unser Rückhalt und sie so teilnahmslos dasitzen zu sehen, macht mir klar, dass Schwigen einen Klang hat,
„Ist was passiert?“, frage ich,
Sie blickt zu Sarah hinüber, weil sie denkt, die Frage wäre an ihre Schwester gerichtet und zuckt zusammen, als sie merkt, dass sie gemeint ist. „Nein.“
„Geht's dir gut?“
Wieder reagiert Elena mit Verzögerung. Diese Frage ist normalerweise Sarah vorbehalten. „Ja.“
„Ich mein nur, weil du nichts ist.“
Elena blickt auf ihren Teller, bemerkt, dass er leer ist und häuft dann einen Berg Essen darauf. Sie schaufelt sich gründlich Bohnen in den Mund, zwei Gabeln voll.
„He.“ Sarah zeigt auf Elenas Hals. „Dein Medaillon ist weg.“
Ich habe es ihr mal geschenkt, vor Jahren. Elena hebt die Hand an ihr Schlüsselbein. „Hast du es verloren?“, frage ich.
Sie zuckt die Achseln. „Vielleicht bin ich einfach nicht in der Stimmung, es zu tragen.“
Sie hat es noch nie abgenommen, soweit ich weiÃ. Rory nimmt den Braten aus dem Backofen und stellt ihn auf den Tisch. Als sie das Messer nimmt, um ihn zu schneiden, blickt sie Sarah an. „Apropos nicht in der Stimmung sein, gewisse Sachen zu tagen“, sagt sie, „geh und zieh dir ein anderes T-Shirt an.“
„Wieso?“
„Weil ich es sage.“
„Das ist kein Grund.“
Rory stöÃt das Messer in den Braten. „Weil ich es am Abendessenstisch unangemessen finde.“
„Aber Davids Metalhead-T-Shrits findest du angemessen? Was hatte er gestern noch mal für eins an? Alabama Thunder Pussy?“
David verdreht die Augen in ihre Richtung. Den Ausdruck habe ich schon öfters gesehen: das lahme Pferd in einem Spaghetti-Western, bevor es den Gnadenschuss erhält.
Rory sägt das Fleisch durch. Jetzt sieht es aus wie ein zu stark gebratener Holzklotz. „Seht euch das an“, sagt sie. „Das ist hin.“
„Es ist gut so.“ Ich nehme die Scheibe, die sie mit Mühe abgetrennt hat und schneide ein kleines Stück davon ab. Ich könnte genauso gut Leder kauen. „Köstlich. Ich geh schnell in den Keller und hole die Kreissäge, damit wir alle was abkriegen.“
Rory blinzelt und dann gluckst ein Lachen aus ihr heraus. Sarah kichert. Sogar David verzieht den Mund zu einem Lächeln.
Erst jetzt fällt mir auf, dass Elena schon vom Tisch aufgestanden ist und vorallen Dingen, dass es keiner gemerkt hat.
Colin, Finn und ich sitzen in der Redaktion vom Hartford Courant. Während Colin und ich in unseren Gedanken versunken sind, schreibt Finn einen Brief an sein aktuelles Objekt der Begierde. Colin wirft einen Blick auf ihn und schüttelt den Kopf. „Den solltest du dir abspeichern, dann brauchst du immer nur den Namen zu ändern und ihn neu auszudrucken.“
„Bei ihr hier ist das anders“, sagt Finn.
„Ja klar. Sie hat schon zwei volle Tage durchgehalten. Huntzberger, gib dem Jungen ein paar Tips, ja?“
„Wieso gerade ich?“
Finn blickt über den Rand des Laptops. „Mangels besserer Alternativen“, sagt er und das stimmt. Colins Frau hat ihn vor drei Jahren verlassen, wegen eines Cellisten, der mit einem Symphonieorchester in Hartford auf Tournee war und Finn wechselt seine Freundinnen wie andere ihre Unterwäsche.
Colin stellt ein Bier vor mir auf den Tisch und ich lege los. „Eine Frau“, sage ich „ist wie ein Lagerfeuer.“
Finn klappt den Laptop zu und johlt. „Hört, hört: das Tao von Captain Huntzberger.“
Ich achte nicht auf ihn. „Ein Feuer ist etwas Wunderschönes, nicht? Wir schauen gebannt hinein, wenn es brennt. Wenn wir es im Zaum halten können, schenkt es uns Licht und Wärme. Nur wenn es auÃer Kontrolle gerät, müssen wir in die Offensive gehen.“
„Cap will damit sagen“, sagt Colin, „dass man seine Flamme schön gegen Seitenwinde abschirmen muss. He Finn, rück die letzte Flasche Bier rüber, die du unterm Tisch versteckst!“
Wenn wir gerade so beisammen sitzen, bedeutet das normalerweise, dass in wenigen Minuten das Telefon klingelt und jemand uns eine heiÃe Story verklickern will.
„He Logan, erinnerst du dich noch an diesen Hausbrand und an diesen Toten, der uns Ãrger gemacht hat?“, fragt Colin. „Als wir noch ziemlich neu waren?“
Du liebes bisschen, ja. Ein Typ, der mindestens 200 Kilo auf die Waage brachte und im Bett an einem Herzinfarkt gestorben war. Die Bestattungsfirma bekam den Toten nicht die Treppe herunter und bat diese unschuldingen Journalisten, die teilnahmlos in der Cafeteria saÃen, obwohl sie eigentlich weitere Brandopfer interviewen sollten, um Hilfe. „Flaschenzug“, erinnere ich mich laut.
„Und er sollte eingeäschert werden, aber er war zu dick...“ Colin grinst. „Bei meiner seligen Mutter, ich schwöre, sie mussten ihn zum Tierarzt bringen.“
Finn blickt ihn verständnislos an. „Wozu denn das?“
„Was glaubt du denn, was man mit toten Pferden macht, Einstein?“
Als der Groschen fällt, weiten sich Finns Augen. „Wahnsinn“, sagt er und packt nach kurzer Ãberlegung den Laptop in seine Tasche.
„Was glaubt ihr, wen die beauftragen, den Schornstein von der medizinischen Fakultät zu säubern?“
„Die armen Schweine vom Amt für Arbeitsschutz“, erwidert Colin.
„Jedenfalls war das mit Sicherheit keine Brandstiftung“, brummt Finn.
Im letzten Monat hatten wir eine ganze Brandstiftserie. Für die Artikel habe ich so viel recherchiert, dass ich jetzt meist auf Anhieb erkennen kann, ob das Feuer gelegt wurde oder nicht – an Spritzmustern von brennbaren Flüssigkeiten, an mehrfachen Brandherden, an schwarzem Rauch oder an einer ungewöhnlichen Konzentration von Feuer an einer einzigen Stelle. Aber Brandstifter gehen auch schlau vor – in etlichen Fällen wurde das Feuer unter Treppen gelegt, um der Feuerwehr den Zugang zu den Flammen abzuschneiden. Brände, die gelegt werden, haben meist zur Folge, dass die Gebäude einstürzen, während die Feuerwehrleute noch drin sind und versuchen, sie zu löschen.
Colin schnaubt. „Vielleicht ja doch. Vielleicht ist der Fettwanst ein Selbstmordbrandstifer. Er ist in den Schornstein geklettert und dann -“
„Es reicht“, sage ich.
„Ach Logan, du musst doch zugeben, dass es wirklich witzig ist -“
„Nicht für die Eltern des Mannes. Nicht für seine Familie.“
Beklommenes Schweigen, während die anderen Männer nach Worten suchen. SchlieÃlich sagt Finn, der mich am längsten kennt: „Irgendwas nicht in Ordnung mit Sarah?“
Mit meiner ältesten Tochter ist immer irgendwas nicht in Ordnung. Das Problem ist, es hört einfach niemals auf. Ich stehe auf und gehe aus dem Zimmer.
Als Sarah auf die Welt kam, stellte ich mir vor, wie hinreiÃend schön sie an ihrem Hochzeitstag wäre. Dann bekam sie APL und stattdessen malte ich mir aus, wie sie in der Aula ihrer High School das Abschlusszeugnis entgegennimmt. Als sie einen Rückfall hatte, wünschte ich mir, dass sie ihren 5. Geburtstag feiern kann. Inzwischen habe ich keine Erwartungen mehr und so übertrifft sie sie alle.
Sarah wird sterben. Es hat lange gedauert, bis ich das sagen konnte. Wir alle werden sterben, das ist klar, aber die Kinder sollten nicht vor den Eltern sterben. Sarah sollte sich von mir verabschieden müssen.
Es kommt mir fast vor wie ein Schwindel, dass sie nach all den Jahren, in denen sie die Statistik widerlegt hat, nicht an Leukämie sterben wird. Andererseits hat uns Dr. Hayes schon vor langer Zeit erklärt, dass das der übliche Ablauf ist – der Kampf gegen die Krankheit schwächt den Körper, bis nach und nach lebenswichtige Organe aufgeben. Bei Sarah sind es die Nieren.
Früher am Abend habe ich Rory geholfen, die Küche sauberzumachen. „Glaubst du, irgendwas stimmt nicht mit Elena?“, fragte ich, als ich den Ketchup in den Küchenschrank stelle.
„Weil sie die Halskette abgenommen hat?“
„Nein.“ Ich zuckte die Achslen. „Ãberhaupt.“
„Gemessen an Sarahs Nieren und Davids Soziopathie würde ich sagen, es geht ihr gut.“
„Sie konnte es nicht erwarten, dass das Abendessen zu Ende war.“
Rory drehte sich an der Spüle um. „Was vermutest du denn?“
„Ãhm...ein Junge?“
Rory wirft mir einen Blick zu. „Sie hat keinen Freund“
Gott sei Dank. „Vielleicht hat sie Krach mit einer Freundin.“ Wieso hat Rory mich gefragt? Was weià ich denn schon von den Stimmungsschwankungen einer Dreizehnjährigen?
Rory wischte sich die Hände an einem Handtuch ab und stellte den Geschirrspüler an. „Vielleicht benimmt sie sich bloà wie ein ganz normaler Teenager.“
Ich überlegte, wie Sarah mit 13 war, aber ich konnte mich nur an den Rückfall und die Stammzellentransplantation erinnern, die sie in dem Alter hatte. Sarahs normales Leben rückte irgendwie in den Hintergrund, überschattet von den Zeiten, in denen es ihr schlecht ging.
„Ich muss morgen mit Sarah zur Dialyse“, sagt Rory.
„Wann kommst du von der Arbeit?“
„Gegen 8. Aber ich habe Bereitschaft und ich würde mich nicht wundern, wenn unser Brandstifter wieder zuschlägt.“
„Logan?“, sagte sie. „Wie sah Sarah aus, was meinst du?“
Besser als Elena, dachte ich, aber danach hatte sie nicht gefragt. Sie wollte, dass ich die gelbe Tönung von Sarahs Haut mit gestern verglich. Sie wollte, dass ich die Art interpretierte, wie sie die Ellbogen auf den Tisch aufstützte, zu matt, um den Körper aufrecht zu halten.
„Sarah sieht richtig gut aus“, log ich, weil wir das füreinndaer tun.
„Vergiss nicht, ihnen gute Nacht zu sagen, bevor du gehst“, sagte Rory und sie drehte sich um und stellte die Tabletten zusammen, die Sarah vor dem Schlafengehen nimmt.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28.03.2009, 10:27 von
Blumenkind.)