Nachtigallen (Dark)
#11

Na du!

Auch wenn es nur ein übergangsteil war fand ic hihn wunderschön.
Du hast einfach einen so tollen schreibstil!

Lillian tut mir Leid. Es muss schwer sein seine eltern zu verlieren.
Ich hoffe sie kommt damir klar wenn Ana ihr das mit atoption irgendwann erzählt.
Ich würde mich ganz doll freuen wenn du bald einen ganz langen und tollen teil schreiben würdest!

glg noiri

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Du bist nicht wie ich,doch das ändert nicht,
dass du bei mir bist und ich zuseh' wie du schläfst
#12

hey selene
was soll man sagen?wieder einmal genial geschrieben
du hast so einen wunderbaren schreibstil...am liebsten möchte man die ganze zeit etwas von dir lesen
lillian tut mir so leid....es muss schwer sein die eltern so früh zu verlieren
aber ana muss ihr bald sagen, dass sie adoptiert wurde
freu mich schon auf einen neuen teil
mfg lava Cool

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Perfect love is rare indeed - for to be a lover will require that you continually have the subtlety of the very wise, the sensitivity of the artist, the acceptance of the saint. [Leo Buscaglia]
#13

Hey, selene.
Hab deine FF grade entdeckt und finde sie einsame Spitze. Der Anfang hatte ein bisschen was von "Die Mitte Der Welt", von Andreas Steinhöffel. So ein wenig düster und unheimlich ein Geheimnis in die Welt der Literatur gerufen, etwas das nur wenige herausfinden, wenn sie nur die Zeilen lesen.
Dennoch, du hast einen ganz eigenen Schreibstil und die Paralelen zu diesem einfach traumhaften Buch hörten spätestens bei der zehnten Zeile auf und entwickelten ein eigenes gespühr für das fühlen anderer Leute. Ich finde es nahezu grossatig wie du umschreibst, wie du beschreibst, wie deine Charaktere aus unbekannten Schatten treten und von einer wortumschreibenden Quelle nur so überflutet werden.
Auch wenn man von Anfang an weiss: Lillian gehört nicht in das spanische Viertel, so fühle ich mich heimisch umschrieben und ertappt wenn du, möglicherweise unbewusst, an das spanische Getratsche über fremdes Leuten Leben appelierst. Damit meine ich nicht die Geüchte über Rosa Vasquez, sondern eher Consuela Moldavo wenn sie die möglichkeit in Erwägung zieht das Arturo in einer Gang sei, "nur" weil er im dunkeln mit Freunden ein joint raucht.
So, das FB ist so lange wie möglich gedehnt worden, wie ein Kaugummi. Nun noch eine letzte Frage: Bist du spanischer abstammung, hast du spanische Verwandte oder irgendsoetwas? Würde mich interesieren, vielleicht sind wir sozusagen Nachbarn...
Minoway

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#14

Hallo meine Lieben :knuddel:

@Noir-Girl: Danke schön für dein liebes FB. Freut mich, dass dir der Teil gefallen hat :freu:

@Lava: Ich hab mich total über dein FB gefreut! :freu: Vielen Dank!

@MinowaySunshine: Wow, danke schön! :freu: Freut mich total, dass dir meine Geschichte bis jetzt so gut gefällt!
Das von dir erwähnte Buch kenne ich ehrlich gesagt noch gar nicht, werds mir aber bald anschaffen, weil ich es eigentlich schon immer mal lesen wollte *g*
Zitat:Bist du spanischer abstammung, hast du spanische Verwandte oder irgendsoetwas?
Nein, leider nicht.
Aber ich liebe Spanien und Lateinamerika. Ich habe schon viele Bücher gelesen. Sowohl sachliche, als auch Romane, in welchen man auch vieles über das Leben der Menschen dort erfährt. Ich habe auch Freunde aus Spanien und Ländern Lateinamerikas, welche ich aber bis jetzt leider nur vom E-Mailschreiben kenne.
Zitat:Würde mich interesieren, vielleicht sind wir sozusagen Nachbarn...
Woher stammst du denn?

@alle: Ich hab leider eine schlechte Nachricht. Nachdem ich mir gestern meinen Lernplan zusammengestellt hatte, traf mich fast der Schlag. Ich muss bis zu meiner letzten Prüfung morgen in zwei Wochen, also am 27.6., so viel erledigt haben, dass ich gar nicht weiß, wie ich das jemals schaffen soll.
Bei meinen FFs habe ich schon ein wenig weitergeschrieben,aber es ist zu wenig um zu posten. Wollte eigentlich vor der Prüfung noch zumindest einen Teil überall posten, aber daraus wird wahrscheinlich nix. Tut mir ehrlich leid. Ich versuche aber zwischendurch weiter zu schreiben und vor meinem 2wöchigen Mexiko-urlaub (ab 4.7.) noch einen Teil zu posten.
In den "Ferien" muss ich zwar Seminarsarbeiten schreiben und arbeiten gehen, ich werde aber trotzdem regelmäßiger Teile posten, versprochen. Schließlich kann ich mir dann meine Zeit besser einteilen. Smile

Bis bald,
Bussi Selene

PS: Freu mich natürlich noch über weitere Feedbacks jeder Art.
#15

Also, jetzt muss ich mal heftig wettern...
Ich meine, ist ja okay, dass selene im moment nicht schreiben kann... aber dass diese FF 347 mal angeschaut und angeclickt wurde und nur 13 beiträge darin sind... das ist bescheuert. Jeder normale Mensch der sir diese FF ansieht müsste FF geben... sie hat es verdient.
Ich meine, täglich ziehen wir uns in unseren Computer-Alltag zurück, sehen in FFs ein die vielleicht gut, aber nicht soo toll sind. Schön, aber nicht ergreifend, spannend aber nicht fesselnd. Wer sollte eine FF lesen wollen die einen nicht fesselt: bangend vor dem PC sitzt, wärend sich die Seite lädt und hofft, bettet und zu Gott fleht, dass ein neuer Teil im Netz ist... Das ist mir bis jetzt nur wenige male passiert, dreimal um genau zu sein... Unter ihnen dieses mal. Und das ist schade. Es sollte viel öffter geschehen. Es ist... wie Liebe auf den ersten Blick...
Also, hoffe jemand liest das hier und stimmt mir zu: wer noch kein FB gebeben hat, er sollte es tun... es wäre nötig um diese FF bis zu Selenes Rückkehr auf einer der ersten Seiten zu halte. Möge mit ihr nicht das gleiche passieren was mit meiner geschah... es wäre schade und es frisst die Lust zu schreiben, wenn man merkt: "In meiner Abwesenheit liest keiner mehr was ich einst schrieb..."
Bye, Minoway...

[SIGPIC]C:\Documents and Settings\charlotte\Escritorio\Fotos\Others\Williesig copia.jpg[/SIGPIC]

#16

Hallo!

MinowaySunshine, danke für deine liebe Unterstützung :knuddel:

@alle: So, habs wirklich geschafft die neuen Teile fertig zu schreiben und poste sie natürlich gleich.
Ich hoffe, sie gefallen euch. Freu mich über jedes Feedback, sowohl Lob als auch konstruktive Kritik - schließlich kann ich die Geschichte nur dadurch verbessern.

Ich melde mich, sobald ich wieder da bin.
Bis bald,
Bussi Selene


3. Teil

Rosa

Spanish Harlem, 1975

Die sanften Klänge eines alten kubanischen Liedes drangen durch die beiden Räume des Cafes. Rosa strich sich lächelnd eine dunkle Haarsträhne hinter ihr Ohr und summte mit, während sie mit dem Tablett zur Theke ging. „Zwei Bier noch!“ Rief sie fröhlich und stellte das Tablett ab.
Der Cafebesitzer, welcher von allen nur Al genannt wurde, schüttelte grinsend den Kopf und stellte zwei große Gläser Bier auf das Speisetablett. „Und jetzt gehe.“
„Wie bitte?“ Sie runzelte die Stirn.
„Señorita Vasquez…“ Er blickte sie streng an. „Ich habe dir vor einer Stunde gesagt, dass du nachhause gehen kannst.“
Sie lachte. „Diese beiden Gäste möchte ich noch bedienen.“
Er entzog ihr das Tablett. „Das mache ich. Einen schönen Abend noch.“
Sie gab schließlich nach. „Danke, dir auch. Bis morgen.“
Al blickte ihr Kopf schüttelnd nach. Er hatte in den sechzig Jahren seines Lebens noch nie so eine ehrgeizige junge Frau gesehen.
Rosa nahm ihre Weste vom Garderobenständer, wünschte noch einmal allen einen schönen Abend und verließ das Cafe. Vor der Tür schlüpfte sie in ihre rote Strickweste und zog ein weißes Haarband aus deren Tasche, mit welchem sie ihr Haar zusammenband. Lächelnd ging sie die lange Straße hinunter und beobachtete zwei kleine Jungs, welche Ball spielten. Sie liebte Kinder über alles und freute sich schon auf die Zeit, wenn auch sie glückliche Mutter sein würde. Ihre eigene Mutter, Ana, war der Meinung, dass sie sich noch Zeit lassen sollte. Schließlich war sie erst achtzehn und hatte gerade erst ihren ersten richtigen Freund kennen gelernt. Ana traute den Männern nicht. Ihre erste und einzige Liebe hatte sie kurz nach Rosas Geburt verlassen und sich nie wieder gemeldet. Sie hatte Angst, ihrer Tochter könnte ähnliches passieren. Rosa war vernünftig und klug, aber auch sehr romantisch. Letzteres bereitete Ana große Sorgen.
Rosa schüttelte bei dem Gedanken an ihre Mutter den Kopf. Ana sorgte sich immer zu viel. Aber trotz ihrer vielen Macken liebte Rosa ihre Mutter abgöttisch. Sie war ohne Vater aufgewachsen, doch bei Ana hatte ihr nie etwas gefehlt. Rosa zählte sich selbst sogar zu den wenigen, die Glück hatten. Schließlich hatte sie Ana, Jorge und einen sicheren Job, der ihr auch noch sehr große Freude bereitete. Sie war gesund und ihres Lebens froh. Eigentlich gab es nur noch zwei Dinge, welche ihr Glück perfekt machen konnten. Sie seufzte lächelnd und strich zärtlich über den Ring. Ana wusste es noch nicht. Sie würde es ihr am kommenden Sonntag nach dem Kirchbesuch sagen. Ihre Mutter war an Sonntagen immer besonders gut gelaunt und noch dazu besonders gutmütig. Ana glaubte, dass die heilige Jungfrau sie an diesem Tage genauer beobachten würde als sonst. Für Rosa hatte dies schon immer sehr unlogisch geklungen und sie hatte sich schon oft gefragt, wie ihre Mutter auf diesen Gedanken gekommen war. Irgendwann hatte sie aber begonnen, heiklere Themen nur noch sonntags anzusprechen.

4. Teil

Sarah

Nähe Helsinki, 1977

„Vorsicht!“ Sarah lief den schmalen Holzsteg entlang und ließ sich mit einem Freudenschrei ins Wasser fallen.
„Du bist vollkommen verrückt geworden!“ Ihre beiden Freundinnen musterten sie Kopfschüttelnd und wischten sich die Wassertropfen aus dem Gesicht.
„Entschuldigt.“ Sarah kletterte lachend aus dem kühlen Meer und setzte sich auf den Steg. „Aber mir war so heiß.“
„Und deshalb musstest du uns nass spritzen?“
„Ich habe mich entschuldigt.“
„Was, wenn dich jemand so gesehen hat?“ Lena musterte ihre Freundin Stirn runzelnd.
Sarah zog sich lachend das Kleid über die nasse Unterwäsche. „Und wenn schon. Außerdem ist hier weit und breit niemand zu sehen.“
Svenja schüttelte den Kopf. „Lenas Tante hat uns bestimmt nicht hier her mitgenommen, damit wir uns so unzüchtig benehmen.“
Sarahs Augen weiteten sich belustigt. „Unzüchtig?“ Sie lachte. „Wir haben 1977.“
„Meine Tante ist aber trotzdem sechzig Jahre alt! Und du übrigens erst vierzehn.“ Gab Lena zurück.
„Beruhigt euch. Sie ist in der Stadt um Einkäufe zu erledigen und wird uns nicht vor fünf Uhr abholen.“ Sarah erhob sich.
„Wohin willst du nun schon wieder?“ Fragte Svenja misstrauisch.
Ihre Freundin seufzte genervt. „Seht ihr das Cafe dort drüben? Ich werde auf die Toilette gehen und fragen, ob sie ein Telefon haben. Meine Mutter möchte, dass ich sie täglich anrufe.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, lief sie zu dem Gebäude.
Nachdem sie sich die Hände gewaschen hatte, musterte sich Sarah Stirn runzelnd im Toilettenspiegel. Sie versuchte ihr zersaustes hellblondes Haar mit den Fingern zu bändigen. Als ihr das gelungen war, besah sie ihr Gesicht kritisch. Ihre Mutter und Großmutter sagten ihr täglich wie hübsch sie wäre. Sie fand sich jedoch langweilig, nichts sagend. Genauso wie ihr Leben. Genieße deine Kindheit so lange du kannst. Sagte ihre Mutter immer, wenn sie mit ihr über ihre Gedanken sprach. Doch Sarah wollte nicht mehr Kind sein. Sie wollte wie ihre schöne Lieblingsbuchheldin Melissa reisen, die Welt entdecken. Wie Melissa wollte sie das Leben voller Leidenschaft auskosten und ihre große Liebe kennen lernen. Sie ist noch so naiv. Sagte ihre Großmutter immer. Sie begreift gar nicht, wie gut es ihr hier geht. Sarah war in einem goldenen Käfig aufgewachsen, welcher erst nach der Scheidung ihrer Eltern allmählich zu brechen begonnen hatte. Manchmal schien es dem Mädchen als hätte ihr Leben erst begonnen, nachdem ihr Vater endlich gegangen war. Natürlich sagte sie ihrer Mutter nichts von diesen Gedanken. Diese wäre sehr verletzt. Ganz im Gegensatz zu ihrer Großmutter, welche abends stets in den Garten ging um ihren Naturgeistern dafür zu danken. Sarah empfand den schon sehr alten Naturglauben ihrer geliebten Großmutter als befremdlich. Sie hatte sich aber vorgenommen, sich mehr davon erzählen zu lassen. Auch damit wäre ihre Mutter, welche diesen schon lange nicht mehr praktizierte, gewiss nicht einverstanden. Sie verleugnet nur äußerlich. Meinte die Großmutter. Sarah hielt das für reines Wunschdenken.
Sie fuhr sich noch einmal durch ihr langes Haar, bevor sie den Raum verließ.
Auf dem Gang zwischen den Toiletteneingängen und dem eigentlichen Cafe standen drei Männer, welche sich leise in einer fremden Sprache unterhielten. Sarah beobachtete sie Stirn runzelnd. Sie wusste nicht was es genau war, aber irgendetwas irritierte sie an diesem Bild.
Plötzlich bemerkte sie einer der drei. „Hey, was willst du?“
Sarah erschrak. „Ich…ich suche nur den Telefonautomaten.“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Dort hinten.“ Er wies wütend auf einen kleinen Seitengang.
„Danke.“ Sarah mühte sich um ein kurzes Lächeln bevor sie in die angegebene Richtung lief.
Ihr Herz pochte noch immer wie wild, als sie die Münzen in den Schlitz warf. Schon nach wenigen Sekunden vernahm sie einen Ton. Sarah ballte die Hand zu einer Faust und bat innerlich, dass ihre Mutter abheben möge. Doch es schien niemand zuhause zu sein. Sarah legte nach zwei Minuten seufzend auf. Sie lehnte sich nachdenklich an die kühle Steinwand.
Plötzlich vernahm sie eine Stimme neben sich. „Hallo.“
Sarah drehte sich um und erkannte den Mann als einen der drei von vorhin. Sie runzelte unsicher die Stirn.
„Ich wollte mich für das unhöfliche Verhalten meines Freundes entschuldigen. Er ist heute schlecht gelaunt. Eheprobleme. Das hat man davon, wenn man heiratet.“ Er zwinkerte.
Sarah musste unwillkürlich lächeln. Der Mann hatte eine sanfte und weiche Stimme, welche zugleich so männlich war. Seine Augen schienen so viel zu erzählen, strahlten so viel Erfahrenheit aus, obwohl er gewiss nicht älter als neunzehn war.
„Auch ich habe schlechte Tage.“ Antwortete Sarah lächelnd.
Er erwiderte ihr Lächeln. „Wie heißt du denn?“
„Sarah.“
„Bist du von hier?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin aus Stockholm. Aber Finnland ist meine zweite Heimat. Meine Mutter stammt von hier. Ich bin aber gerade mit zwei Freundinnen und der Tante einer der beiden hier auf Urlaub. Wir reisen aber schon morgen wieder ab. Leider. Ich liebe Helsinki.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Er machte sie nervös. Sie mochte dieses Gefühl nicht, konnte jedoch nicht dagegen ankämpfen. „Wie heißt du?“
„Eduardo. Ich komme aus Kolumbien, reise gerade mit ein paar Arbeitskollegen durch Skandinavien.“
„Kolumbien?“ Sarahs Augen leuchteten.
„Warst du schon mal dort?“
„Nein, leider.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber ich möchte gerne einmal dort hin. Ich habe leider erst sehr wenig von der Welt gesehen.“
Er nickte lächelnd. „Hör mal, Sarah. Ich werde nächste Woche in Stockholm sein. Willst du mich nicht ein wenig rumführen? Ich werde dir dafür von Kolumbien erzählen und dir ein paar Bilder zeigen. Na, was sagst du?“
Sarah wurde augenblicklich von einer Hitzwelle erfüllt. Was würde wohl ihre Mutter sagen, würde sie sich mit Eduardo treffen? Sie hielt sicherlich nicht viel von dieser Idee.
„Ich weiß nicht recht. Ich habe nächste Woche viel zu tun.“ Meinte Sarah zögernd.
Er nickte verständnisvoll und zog eine kleine Karte aus der Hosentasche. „Das ist die Nummer des Hotels mit der Durchwahl zu meinem Zimmer. Ruf mich einfach an, solltest du doch Zeit haben.“ Er reichte sie ihr.
Sarah ergriff sie zögernd. „Okay.“
„Ich muss jetzt gehen. Machs gut, Sarah. Vielleicht sehen wir uns ja wieder.“ Mit diesen Worten verschwand er.
Sarah war zu verwirrt gewesen um zu antworten. Diese verrückte Geschichte würde ihr niemand glauben. Sie starrte auf die Karte und beschloss schließlich sie zumindest aufzuheben. Während sie zurück zu ihren Freundinnen lief, ahnte sie noch nicht, dass an diesem Tage das letzte Kapitel ihrer Kindheit begonnen hatte.


5. Teil

Lillian

New York City, 2000

Lillian schloss lächelnd die Augen und ließ das süße Eis auf der Zunge zergehen.
Arturo schüttelte grinsend den Kopf. „Du brauchst zwei Stunden für zwei Kugeln Eis am Stiel.“
Sie öffnete die Augen wieder. „Dafür weiß ich zu genießen.“ Gab sie zurück. Ihre Blicke wanderten durch den Abschnitt des Parks. „Ich liebe den Central Park. Er ist ein Fleckchen Paradies.“
„Ja, besonders Nachts.“
Sie rollte mit den Augen. „Warum willst du mir immer die Stimmung verderben?“
„Ich bin ein Sadist.“
„Aber es stimmt doch, man glaubt kaum, dass Spanish Harlem in Wirklichkeit ein Teil Manhattans ist. Es liegen Welten dazwischen.“
„Ich will weder in dem einem noch in dem anderen für immer leben müssen.“
Lillian runzelte die Stirn. „Wer hat sich diesen Schwachsinn eigentlich ausgedacht?“
Arturo blickte sie fragend an.
„Ich meine, warum gibt es heutzutage nur noch Menschen, die zu viel und solche, die zu wenig haben? Dagegen sollte man etwas tun.“
„Was möchtest du denn tun?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht werde ich ja Politikerin.“
„Oder Präsidentin. Das hätte uns gerade noch gefehlt. Ein weiblicher Präsident…“
„Wären mehr Frauen an der Spitze, würde es auch weniger Kriege geben.“
„Da wäre ich mir gar nicht so sicher. So viel wie ihr immer rumzickt...“
Lillian aß den letzten Rest ihres Eises und blickte auf ihre Uhr. „Ich muss zurück.“
„Heute ist Samstag. Willst du dir nicht wenigstens am Wochenende eine Pause gönnen?“
„Ich habe schon den ganzen Tag pausiert. Wenn ich noch weniger für meine Bildung tue, brauche ich mich nirgendwo mehr zu bewerben…“ Lillian seufzte.
„Warum willst du eigentlich unbedingt studieren?“
„Was?“ Sie blickte Arturo ungläubig an.
„Deine Eltern hatten es weit gebracht ohne jemals studiert zu haben.“
„Sie brachten es soweit damit ihre Tochter einmal studieren kann!“
„Aber ist es auch das, was du willst?“
„Natürlich. Ich wollte schon immer studieren. Aber ich werde es wahrscheinlich nicht schaffen. Die Universitäten interessiert es nicht, dass irgend so ein Mädchen aus Spanish Harlem studieren möchte. Meinen Eltern würde es das Herz brechen, würden sie noch leben.“
„Versuch es weiter. Das Schlimmste, das du machen kannst, ist aufzugeben.“
Lillian nickte. „Elena hat das auch gesagt.“
Arturo erhob sich von der Parkbank. „Na komm schon. Ich bringe dich nachhause. Du hast noch viel zu tun.“
„Danke…sobald ich meinen Abschluss habe, werde ich abends wieder mitkommen, versprochen.“ Meinte Lillian lächelnd, als sie ins Auto stieg. Die beiden besuchten seit einem Jahr Freitag- und Samstagabends gemeinsam einen Club, in welchem nur lateinamerikanische Musik gespielt wurde. Lillian konnte sich mit dem Großteil der englischsprachigen Popmusik nicht anfreunden und war froh, dass es Arturo nicht anders ging. Sie tanzte Salsa und Merengue seit sie fünf Jahre alt war und hatte in ihm nicht nur einen Freund, sondern auch den perfekten Tanzpartner gefunden. Musik war schon immer sehr wichtig in Lillians Leben gewesen. Sie war, wie die meisten in ihrem Viertel, damit aufgewachsen. Lillian verstand es nicht nur, sie wusste genau, was die Menschen meinten, wenn sie sagten, Salsa wäre nicht nur ein Tanz sondern ein Lebensgefühl.
„Das will ich auch hoffen.“ Meinte Arturo und startete den Motor. „Wann sind denn deine Prüfungen?“
Lillian fuhr sich durchs Haar. „Schon in einem Monat.“ Ihre Stimme hatte einen unsicheren Tonfall angenommen. Sie war sich natürlich schon lange der genauen Daten bewusst, diese unmittelbare Konfrontation damit, versetzte ihren Körper dennoch in eine Art Schwindelzustand. Über diese Gefühle konnte sie nicht mit Arturo sprechen. Er würde sie höchstens als typische Spinnerei von Frauen abtun. Wie viele hatte er die Schule niemals abgeschlossen, sondern stand mit seinen dreiundzwanzig Jahren bereits fest im Berufsleben. Sein sicherer Job im Geschäft seines Vaters war das Einzige, das Ana an ihm schätzte.
Lillian beobachtete die vorbeiziehenden Straßen. „Weißt du, was ich mich oft frage?“
Er gab einen Ton von sich, welcher eventuell als so etwas wie Was denn? Gedeutet werden konnte.
„Ob meine Mutter das auch so geliebt hat. Ob sie auch so gerne spazieren gefahren ist. Ich bin mir fast sicher, dass sie das ist. Wahrscheinlich nachdem sie donnerstags gearbeitete hatte und bevor sie mit ihren Freundinnen in die Flamenco Bar gegangen war. Ich wüsste gerne, was für ein Gewand sie dabei getragen hatte.“ Lillian lächelte. „Sie war so wunderschön, konnte alles tragen, da einfach alles gut an ihr aussah.“
„Bei ihrer Tochter ist es nicht anders.“
Ohne darauf einzugehen, fuhr Lillian fort. „Ich habe es leider verpasst ihr die vielen Fragen zu stellen, welche mir am Herzen liegen.“ Ihre Stimme senkte sich.
Arturo beobachtete sie aus dem Augenwinkel. „Auch wenn es nicht dasselbe sein mag und sie dir auch nicht alles erzählen können wird, kannst du dich mit einigen solcher Fragen bestimmt an deine Großmutter wenden.“
Lillian seufzte. „Es ist nicht leicht mit Großmutter über meine Mutter zu sprechen.“ Sie ging nicht weiter darauf ein und war erleichtert, dass er sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben schien.
„Sehen wir uns morgen?“ Fragte sie, als er vor dem Wohnhaus hielt.
„Mein Onkel hat morgen Geburtstag. Ich kann bestimmt nicht vor zehn Uhr abends weg.“
„Ich muss übermorgen zur Schule. Aber ich kann danach wieder bei dir im Laden vorbeischauen.“
„Okay.“
„Solltest du morgen Beistand brauchen, begleite ich dich gerne. Du weißt, ich liebe die Enchilladas deiner Tante.“
Er wich ihrem Blick aus.
Lillian runzelte die Stirn. „Hey, ich wollte mich nicht zu eurer langweiligen Familienfeier aufdrängen…“
„Hör mal…“ Er seufzte. „Meine Mutter hat Yolanda eingeladen. Sie ist die Enkeltochter einer alten Freundin der Familie…“
Lillian hielt für einen Moment den Atem an. Schließlich erwiderte sie. „Um so besser. Ich habe ohnehin nur aus Höflichkeit gefragt.“ Sie zuckte mit den Schultern.
„Okay.“
Lillian lächelte kurz. „Also, ich werde dann mal gehen.“ Sie küsste ihn flüchtig auf die Wange. „Danke für das Eis. Bis Montag.“ Sie stieg aus und schloss die Autotür.
#17

Lillian konnte ihre leichte Enttäuschung nicht leugnen, wenn auch gleich sie sich über diese ärgerte. Arturo hatte schließlich keinerlei Verpflichtungen ihr gegenüber. Genauso wenig, wie sie Verpflichtungen ihm gegenüber hatte.
„Was hast du denn?“ Ihre Großmutter musterte sie misstrauisch.
Lillian schloss verwirrt die Tür. „Was sollte ich denn haben?“
„Ich habe die Sorgenfalten auf deiner Stirn gesehen, als du die Wohnung betreten hast. Dieser Taugenichts hat es doch nicht gewagt sich unsittlich dir gegenüber zu verhalten?“
Lillian setzte sich zu ihrer Großmutter auf das Sofa. „Er hat sich vorbildhaft benommen.“
„Das will ihm auch geraten sein. Hör mal, Lillian. Ich habe in einem Karton ein altes Kleid deiner Mutter gefunden. Ihr würde es bestimmt gefallen, würdest du es morgen tragen.“
Lillian erhob sich freudig. „Wo ist es?“
„Auf meinem Bett. Sie es dir schnell an.“
Das Mädchen lief lächelnd in das kleine Schlafzimmer Anas und kam wenige Minuten später Freude strahlend zurück. „Es ist traumhaft…aber ich kann es doch nicht für einen einfachen Kirchbesuch tragen. Dafür ist es viel zu edel.“
Ana schüttelte den Kopf. „Du sollst es auf der Feier tragen. Arturos Onkel hat doch morgen Geburtstag?“
Lillian wich ihrem Blick aus. „Ich bin nicht eingeladen.“
„Wie bitte? Das ist ja wohl die Höhe! Sind wir ihnen etwa nicht gut genug?“
Lillian zuckte mit den Achseln. „Es ist in Ordnung, Großmutter. Arturo und ich sind schließlich nicht verlobt oder so etwas.“
„Ihr seid seit einem Jahr zusammen.“
„Wir treffen uns seit einem Jahr, Großmutter.“ Berichtigte Lillian.
Ana schüttelte den Kopf. „Sogar von Arturo hätte ich etwas mehr Anstand erwartet.“
„Großmutter. Er ist mir zu nichts verpflichtet…“
„Was redest du da, Mädchen? Mit jeder Beziehung geht man Verpflichtungen ein!“
Lillian seufzte. „Ich werde ihm am Montag zu Recht weisen.“
Ana nickte schon etwas zufriedener. „Vergiss nicht darauf.“
„Ganz bestimmt nicht, Großmutter. Darf ich uns ein wenig Tee machen?“
„Mach das, mein liebes Kind.“
„Großmutter?“ Fragte Lillian, während sie das Wasser aufkochte. „Erzählst du mir mehr von Mutter? Ich würde gerne wissen, wie sie in meinem Alter gelebt hat. Was sie dachte und fühlte. Wovon sie träumte. Ob sie schon damals so gerne tanzte. Ihre Lieblingsfarbe.“
Ana wich seufzend ihrem Blick aus. „Rot. Rot. Sie trug am liebsten rot und liebte nichts mehr als zu tanzen…“ Ihre Augen tränten. Sie atmete tief durch, bevor sie weiter sprach. „Lass den Tee, Mädchen.“
Lillian sah verwundert hoch.
Ihre Großmutter deutete auf die leere Stelle neben sich. „Setz dich. Es wird Zeit, dass wir über ein ganz anderes Kapitel in Rosas Leben sprechen…“
Lillian ließ sich Stirn runzelnd neben sie sinken. Ihr Herz wurde mit einem Mal von einem eigenartigen Druck erfasst, als ahnte es, dass es nicht mehr lange dauerte, ehe der einzig stabile Teil Lillians Welt zerbrechen würde.
#18

ich mach jetzt mal platzhalter
ich geb dir später fb

EDITConfusedo selene...jetzt gibt es fb
der teil war einfach toll
vor allem die beiden rückblenden....einfach toll wie du die ganze atmosphäre und so beschreibst
und dann noch die gegenwart
ich wäre auch enttäsucht wie lillian, wenn mich mein Freund(oder auch nicht freund) zu einem wichtigen geburtstag nicht mit nehmen würde
ich bin aber gespannt, was ana jetzt erzählen wird
freu mich schon auf einen neuen teil
mfg lava

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#19

mach auch mal den platzhalter
bin grad zu baff


so erstmal ganz großes SORRY

ich hab meinen platzhalter vergessen^^

die teile waren absolute klasse

mehr fb gibts gleich :-)

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Du bist nicht wie ich,doch das ändert nicht,
dass du bei mir bist und ich zuseh' wie du schläfst
#20

Hallo!

@Lava: Danke schön :freu: Freut mich, dass dir der Teil so gut gefallen hat!

@Noir-Girl: Kein Problem Smile . Freu mich auf dein FB.


Es macht mir grad so viel Freude bei dieser Geschichte weiterzuschreiben, dass ich gleich drei weitere Teile poste. Ich hoffe, sie gefallen euch. Ich freu mich, wie immer, über jedes Feedback.

Gute Nacht,
Bussi Selene


6. Teil

Rosa

Spanish Harlem, 1975

„Was sagtest du gerade?“ Ana rückte ihre Brille zurecht und musterte das Mädchen ungläubig. Sie musste sich verhört haben. Oder ihre Tochter erlaubte sich einen sehr üblen Scherz. So ein Benehmen an einem Sonntag. Dabei hatte Rosa gerade beim heutigen Kirchbesuch besonders andächtig gewirkt. Ana beobachtete die Gesichtszüge ihrer Tochter. Rosas dunkle Augen strahlten wie immer, auf ihrer Stirn hatte sich jedoch eine leichte Falte gebildet. Das Mädchen fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Sie war offensichtlich nervös. Die Erkenntnis über ihr perfektes Gehör und die Tatsache der sichtbaren Ehrlichkeit Rosas rangen Ana ein tiefes Seufzen ab.
„Mamá…“ Rosa atmete tief durch und lächelte plötzlich wieder mit jedem Teil ihres Antlitzes. Sie ergriff die Hand ihrer Mutter. „Jorge hat mich gebeten seine Frau zu werden.“
Da Ana erneut einer regungslosen Starre verfiel, zog sich Rosas Stirn wieder in Falten. Ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie weiter sprach. „Er wird mit dir sprechen. Am Mittwoch. Ich…wir…wollten nur, dass du darauf vorbereitet bist. Wir respektieren deine traditionellen Werte.“ Da ihre Mutter noch immer nicht reagierte, sondern stattdessen begann ihre Brille mit einem Tuch, welches sie aus der Rocktasche gezogen hatte, zu putzen, fuhr Rosa seufzend fort. „Jorge ist ein guter Mann. Er…er liebt mich aufrichtig.“ Erneut schien durch ihr Lächeln die längst verabschiedete Sonne wieder aufzugehen. „Er hat eine gute Arbeitsstelle. Die Summe unserer Gehälter langt für eine bescheidene, aber sichere Zukunft. In dem Gebäude neben der Flamenco Bar wird im Jänner ein Zimmer frei, da die Garcias ausziehen. Jorge und ich würden also weder dir noch seinen Eltern zur Last fallen…natürlich wäre dieses Zimmer nur eine Zwischenlösung…“
Ana runzelte die Stirn und betrachtete ihre Tochter. Rosa trug ein sehr schlichtes Kleid in sanftem rot, sie hatte ihre langen dunklen Locken zu einem Zopf geflochten. In Anas Augen sah sie auch jetzt wie eine bezaubernde Prinzessin aus. Ihre Augen bekamen einen sanften Ausdruck. Sie räusperte sich leise. „Cariña, welcher Tag ist heute?“
Rosa stutzte einen Moment. „Sonntag, Mutter. Der Tag des Herrn.“
„Hältst du es nicht für auffällig mir wichtige Dinge immer am Tag des Herrn mitzuteilen?“
Rosa senkte den Kopf, sah ihrer Mutter jedoch sogleich wieder in die Augen. „Mir scheint als würden unsere sonntäglichen Gespräche die besonders innigen sein. Außerdem handelt es sich bei der Ehe um ein Sakrament. Welcher Tag wäre folglich besser geeignet um darüber zu reden, als der Tag des Herrn?“
Ana runzelte belustigt die Stirn und lehnte sich die Arme verschränkend im Sessel zurück. „Sag mir, Cara, gibt es auch ein heiliges Sakrament bezüglich des Zerbrechens von Vasen? Möglicherweise bist du da besser bewandert als ich. Ich werde die Bibel in Zukunft genauer lesen.“
„Mamá, das war vor zehn Jahren…“
Ana lächelte. „Dein Gedächtnis funktioniert ausgezeichnet. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Wochen du schon wie ein Engel durch die Räume geschwebt bist und unschuldig überlegt hast, wie du mir heiklere Dinge an kommenden Sonntagen beibringen könntest…“ Ihre Augen blitzten amüsiert.
„Mamá, es tut mir leid. Aber mir scheint tatsächlich als könnten wir solche Dinge besser an Sonntagen besprechen.“
„Gerade diese Dinge sollten aber nicht am Ruhetag besprochen werden.“ Ana versuchte streng zu klingen.
„Ja, da hast du recht. Es tut mir leid. Ich war sehr gedanken- und respektlos.“
„Allerdings. Das warst du.“ Ana räusperte sich. „Möglicherweise könntest du heiklere Dinge zukünftig Donnerstagabend ansprechen. Ich habe zu Zeit eine Glückssträhne beim Kartenspiel und bin daher an diesen Tagen stets sehr beschwingt und gelassen.“ Ihre Augen blitzten erneut belustigt.
Ein leichtes Lächeln umspielte Rosas Lippen. „In Ordnung.“ Sie runzelte die Stirn. „Und was denkst du nun über…“ Sie hielt inne.
„Worüber denn, Cariña?“
„Jorge und mich…als Ehepaar…“
„Nun…“ Ana nahm ihre Brille Stirn runzelnd ab und sah durch als würde sie die Sauberkeit der Gläser überprüfen. „Ihr seid noch nicht lange zusammen…“ Sie setzte ihre Brille wieder auf.
Rosa seufzte. „Ich weiß. Aber wir sind füreinander bestimmt. Dessen bin ich mir ganz sicher. Ich liebe ihn mit jeder Faser meines Körpers.“
Anas Augen weiteten sich. „Ich hoffe, das bedeutet nicht, dass du dich auf Dinge eingelassen hast, die sich für ein unverheiratetes Mädchen nicht gehören?“
Rosa lachte. „Aber nicht doch. Sowohl Jorge als auch ich wollen bis zu unserer Hochzeit warten.“
Ana atmete erleichtert auf. „Das ist sehr vernünftig.“
„Mamá…“ Rosa ergriff die Hand ihrer Mutter. „Ich weiß, dass du in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen gemacht hast. Für nichts auf der Welt mag es eine volle Garantie geben, aber mein Herz sagt mir, dass es von Gott gewollt ist, Jorge zu heiraten. Auch mein Verstand widerspricht dem nicht.“
Ana blickte in die dunkelbraunen Augen ihrer Tochter. Plötzlich lächelte sie. „Er macht dich glücklich und ist gut zu dir. Noch dazu hat er eine sehr gute Arbeitsstelle.“ Sie griff sich ans Kinn. „Am Mittwoch kommt er also.“
Rosa nickte ungeduldig. „Was…was wirst du ihm sagen?“ Ihr Herzschlag wurde schneller.
„Erst mal, dass er die verstaubten Schuhe ausziehen soll, bevor er mein Heim betritt.“
„Mamá…“ Ihre Tochter schenkte ihr einen flehenden Blick.
„Rosa, als Ehefrau wirst du einmal mehr Geduld haben müssen. Männer können schwierig sein. Und Kinder erst recht. Wie ich dich kenne, willst du noch dazu ein halbes Dutzend davon.“
„Drei würden schon genügen.“ Rosa lächelte.
„Drei? Versprich mir, dass ihr sie nicht in eurer Zeit neben dieser Bar bekommen werdet. Dort ist die falsche Gegend für Kinder…“
„Auch diesbezüglich muss ich dir Recht geben, Mutter.“
„Bevor du mich aus lauter vor Angst und Nervosität bewirktem Respekt auch noch siezt, werde ich dir wohl sagen müssen, was ich denke. Dich bis Mittwoch warten zu lassen hättest du zwar aufgrund deiner Respektlosigkeit gegenüber des Tags des Herrn verdient, ich möchte jedoch nicht so sein. Also wenn dein Jorge mich mit Respekt und Blumen begrüßt und mir die Frage stellt, werde ich ihm mitteilen, dass meine Antwort der deinen entspricht.“
Rosa schien einen Moment erstarrt, bevor sie ihre Mutter weinend umarmte.
Ana drückte ihre Tochter an sich und strich ihr liebevoll über den Rücken. „Tränen der Freude am Tag des Herrn…“ Sie schüttelte den Kopf, lächelte aber.


7. Teil

Sarah

Stockholm, 1977

Die ersten Sonnenstrahlen drängten sich durch die dünnen Jalousien. Die sanfte Stille wurde von dem lauten Ruf der kräftigen Stimme Ilses unterbrochen.
Sarah saß mit einem Mal kerzengerade in ihrem Bett.
„Sarah! Zeit zum Frühstücken!“ Hallte es erneut durch das große Haus. Es war Mittwoch. Mittwochs und freitags pflegte Sarahs Mutter früher zur Arbeit zu fahren, weshalb es die Aufgabe der Großmutter schien das Mädchen zu wecken. Da Ilses Zimmer auf der unteren Etage lag und sie bereits eine Stunde vor ihrer Enkeltochter mit ihrem ausgiebigen Frühstück zu beginnen pflegte, empfand sie es niemals als notwendig so viele Stufen zu gehen, nur um sie sanfter wecken zu können. Sie war ohnehin der Meinung, Sarah müsse endlich lernen selbst rechtzeitig aufzustehen. Acht Stunden Schlaf mochten bequem sein, sie verwöhnten das Mädchen aber zu sehr. Ilse selbst war auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte um diese Zeit längst im Stall oder auf den Feldern gearbeitet. Nach etwa einer halben Stunde vernahm die ältere Dame bereits die sanften Schritte ihrer Enkeltochter.
Als Sarah den geräumigen Essraum betrat, thronte ihre Großmutter bereits auf dem edelsten aller Stühle, einem in weinrot eingefärbten Lehnstuhl. Sie war sehr gut gekleidet, wie immer, und hatte die silbernen Haare kunstvoll hochgesteckt. Ihr rechter kleiner Finger hob sich, als sie an ihrem Kaffee nippte. Es gab Tage, an welchen Sarah die ländliche sowie ärmliche Herkunft ihrer Großmutter bezweifelte. Die Königinmutter Sybilla konnte nicht eleganter gewesen sein. Ilses ausgeprägte Verschwendsucht schien Sarah auch nicht sehr naturlieb. Sie dachte manchmal, dass es sich bei dem alten Naturglauben, von welchem die Urgroßmutter Ilses jener angeblich in einer stürmischen Winternacht in ihrer kleinen Hütte erzählt hatte, auch nur um ein Märchen handelte, welches lediglich irgendeiner Belehrung Sarahs dienen sollte.
„Guten Morgen.“ Sarah ließ sich gähnend auf dem Holzstuhl gegenüber ihrer Großmutter sinken und goss sich heiße Schokolade in ihre bunte Tasse, welche, genauso wie Besteck und ihr Teller, bereits am Tisch stand.
„Der Morgen hat bereits vor einer Ewigkeit begonnen.“
„Mein Unterricht beginnt heute erst um zehn Uhr. Ich hatte meinen Wecker für halb neun gestellt…“
„Halb neun? Weißt du, was ich in deinem Alter um halb neun bereits gemacht habe?“
„Kühe gemolken?“ Sarah biss sich auf die Unterlippe.
Ilse ging nicht darauf ein. „Wir mussten bereits um fünf Uhr aufstehen! Manchmal auch früher. Und Morgenmuffel durften wir alle schon gar nicht sein, sonst hätte uns Vater den Hintern versohlen.“
Sarah nickte. „Entschuldige. Ich werde versuchen in Zukunft früher aufzustehen. Selbstständig.“
„Wann bist du denn erst schlafen gegangen?“
Das Mädchen seufzte. Sie liebte ihre Großmutter, aber morgens war sie unerträglich. „Gegen eins.“
„Ein Uhr? Himmel, Kind! Was treibst du denn so lange?“
„Ich habe noch etwas gelesen.“
„Ach Kindchen…du liest seit über einem Jahr wiederholt immer wieder dasselbe Buch. Was fasziniert dich so an dieser Geschichte?“
„Ich lese parallel auch anderes.“ Berichtigte Sarah. „Melissas Leben fasziniert mich.“
Ilse seufzte. „Melissa ist eine fiktive Person.“
„Ich weiß. Aber ihr fiktives Leben ist so…“ Sarah lächelte verträumt. „…realistisch und wunderbar geschildert.“
„Pah!“ Ilse lachte. Sie hatte Büchern noch nie sehr viel abgewinnen können. „Geh raus, Mädchen.“ Sie deutete auf das große Fenster, welches den Blick zu dem riesigen Garten bot. „Dort draußen spielt sich das wahre Leben ab. Geh raus und erlebe das Leben, es gibt nichts Wunderbareres als das. Lass das dumme Buch. Die Autorin hat sich wahrscheinlich wie du stets in ihren vier Wänden versteckt und ihre Träume niedergeschrieben.“
Sarah runzelte die Stirn. „Ich würde ja gerne rausgehen. Und reisen, ganz viel reisen. Ich möchte die Welt sehen.“ Sie lächelte sehnsüchtig.
„Die Welt? Pah! Schau dir erst einmal Skandinavien genauer an. Wozu brauchst du die Welt? Du hast keine Prüfungen mehr. Gehe heute mit deinen Freundinnen in den Park. Besucht ein Kino. Was kann dir die Welt bieten, das Schweden dir nicht bieten kann?“
„Ich…ich weiß es nicht. Aber ich muss es herausfinden…“
Ilse schüttelte den Kopf. „Diese viel zu jungen Autorinnen aus Amerika setzen euch Mädchen nur Flausen in den Kopf.“
„Aber du hast es doch auch geliebt zu reisen.“ Gab Sarah zu bedenken.
Ilse seufzte. „Dein Großvater und ich verreisten vor der Geburt deiner Mutter ein paar Mal, ja. Wir waren in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und einmal in Washington. Und weißt du, wo es am schönsten war? Hier in Stockholm.“
Sarah nickte. „Das mögt ihr so empfunden haben. Aber ich muss diese Erfahrung selbst machen.“
„Sarah, du bist vierzehn, bald fünfzehn Jahre alt. Sei Kind, so lange du kannst.“
„Ach Großmama…“ Sarah seufzte.
„Dir geht es hier so gut. Was vermisst du denn? Deinen Vater?“
„Nein!“ Meinte das Mädchen entschieden. „Ich weiß es nicht…“
„Du bist noch so jung, hättest aber am liebsten schon alles hinter dir. Die Reisen, die große Liebe. Ich bin fünfundsechzig und habe das alles schon erlebt. Wenn du möchtest, tauschen wir.“
Sarah schmierte sich lachend etwas Butter auf ihr Brot und griff nach dem Käse.
„Ach, Sarah.“ Ilse musterte ihre Enkeltochter Kopf schüttelnd. „Die Vorfreude ist doch die schönste Freude.“
Sarah seufzte leise und biss von ihrem Brot. „Erzähle mir von deiner Kindheit.“ Bat sie schließlich, um das Thema zu wechseln. Ihre Großmutter würde sie wohl niemals verstehen. Sarah stellte sich oft die Frage, ob Ilse diese Träume früher nicht auch gehabt hatte.


8. Teil

Lillian

Spanish Harlem, 2000

Lillian spürte weder die erfrischenden Regentropfen, welche zunehmend begannen ihr dünnes Kleid zu durchnässen, noch nahm sie Laute und Gerüche, welche aus den Lokalen der Seitenstraße drangen, wahr. Ihre Beine schienen die Kontrolle über ihren Körper übernommen zu haben. Erst vor dem letzten grauen Häuserblock kam sie zur Ruhe.
Weder Arturo noch Yolanda, welche sich an die Hausmauer gelehnt unterhielten, bemerkten sie. Die junge Frau vollkommen ignorierend schritt Lillian auf ihn zu.
Endlich schien er sie zu registrieren. „Lillian! Was ist passiert?“ Er musterte sie erschrocken. Lillians Wimperntusche war zerronnen, sie zitterte am ganzen Körper.
Yolanda rollte mit den Augen und zündete sich eine Zigarette an. „Hör mal.“ Sagte sie an Arturo gewandt. „Wir müssen heute nicht ausgehen.“ Yolanda warf Lillian einen verächtlichen Blick zu. „Wir sehen uns sowieso morgen auf der Feier.“ Mit diesen Worten kehrte sie ihnen den Rücken und ging.
„Lillian! Was ist passiert?“ wiederholte Arturo Yolandas Abgang vollkommen ignorierend. Er ergriff Lillians Hände. „Hat dir jemand etwas angetan? Sag es mir!“ Seine Stimme hob sich.
Sie presste die Augen zusammen und atmete tief durch. Schließlich schüttelte sie kaum merklich den Kopf.
Arturo seufzte kurz erleichtert auf, bevor sich eine wütende Falte auf seiner Stirn bildete. „Es ist doch nicht wegen Yolanda? Wir wollten lediglich tanzen gehen. Du warst es, welche diese Art Beziehung wollte!“
Lillian wollte gerade antworten, als sie plötzlich eine Gruppe junger Männer bemerkte, welche sie belustigt musterte.
„Was ist denn los, Arturo, hast du die Kleine angebumst?“ Lachte einer. „Hey Lilly, lässt du mich jetzt auch mal ran?“
Lillian ignorierte die dumme Bemerkung. „Können wir irgendwo anders hingehen?“ Bat sie leise.
Arturo warf dem jungen Mann einen drohenden Blick zu, bevor er schließlich Lillians Hand ergriff und das Mädchen mit sich zog.
Sie liefen durch zwei kleine Seitengassen bevor sie den kleinen Laden seines älteren Bruder, in welchem er hin und wieder aushalf, erreichten. Lillian musterte die Graffitis auf den Glasfenster, welche bereits mehrere Sprünge aufwiesen.
Arturo zog einen kleinen Schlüssel aus seiner Jacke und sperrte die Tür auf. Während er sie in den dunklen Raum schob, erinnerte sich Lillian einen Moment an die schon längst vergangene Nacht, in welcher er sie das erste Mal hergebracht hatte. Sie hatte eine schmerzhafte Platzwunde auf ihrer Lippe gehabt, mit welcher sie Ana nicht hätte unter die Augen treten können. Diese hätte ihre Enkeltochter abends nie wieder aus der Wohnung gehen lassen. Lillian hatte den Schock am darauf folgenden Abend immerhin soweit überwunden gehabt, dass sie es geschafft hatte, ihre Großmutter bezüglich ihres Aufenthaltes und der zumindest etwas verheilten Verletzung erfolgreich zu belügen.
Arturo versperrte die Tür, legte eine dünne Matte auf den verstaubten Boden und deutete ihr sich zu setzen. Lillian gehorchte seufzend. „Es…es tut mir leid. Ich wollte nicht…“ Sie brach ab und beobachtete mit einem leichten Lächeln die beinahe zärtliche Art und Weise, wie er seine Lederjacke um ihre Schultern legte. „Danke.“ Flüsterte sie kaum hörbar.
Arturo setzte sich zu ihr und strich ihr kurz über die Wange.
„Ich weiß, dass du mir keine Rechenschaft schuldig bist.“
„Lillian, was ist passiert? Ist etwas mit deiner Großmutter?“
Sie wandte den Kopf von ihm und musterte die aufgetürmten Kisten. „Nein.“
„Weiß sie, wo du gerade bist?“
„Sie wird es sich denken können.“ Erwiderte Lillian gleichgültig.
Arturo musterte sie nachdenklich. Es kam nicht selten vor, dass Ana und Lillian stritten. Aber kein Streit hatte sie bis jetzt so aus der Fassung gebracht. „Möchtest du hier übernachten?“
Sie zuckte mit den Schultern.
„Hast du Hunger? Ich kann nachschauen, ob wir irgendetwas da haben.“
Lillian drehte sich langsam zu ihm und schüttelte den Kopf.
Arturo fuhr durch ihr langes Haar, welches beinahe wieder trocken war. Lillian kniff die Augen zusammen um seine Gesichtszüge besser erkennen zu können. In seinen Augen lag eine ungewohnte Besorgtheit. Lillian atmete tief durch. Sie schloss die Augen, damit er die Tränen darin nicht sehen konnte, und schlang ihre Arme um seinen Hals. Lillian presste ihre Lippen auf seine, als benötige sie seinen Atem um überleben zu können. Vielleicht war es auch so. Arturo streifte ihr die Jacke ab und bedeckte ihren Nacken mit Küssen. Da ihr Kleid noch feucht war, benötigte er dieses Mal ihre Hilfe um sie zu entkleiden. Sie bedeckte seinen Nacken mit Küssen, während er ihren BH öffnete. Arturo entledigte sich seines Shirts und der alten Jeans, bevor er Lillian schließlich umfasste und sie stürmisch auf die harte Matte drückte. Sein heißer Atem auf ihrer nackten Haut und seine starken Hände, welche sich jeder Stelle ihres Körpers widmeten, lösten glühende Wallungen aus, welche sie alles vergessen ließen.
...


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