2.Kapitel
Als Mary morgens von ihrem Wecker geweckt wurde, war sie immer noch sehr müde, aber schlieÃlich musste sie arbeiten, daran kam sie nicht vorbei. Sie stand noch etwas schlaftrunken auf und ging erst mal in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen, damit sie endlich richtig wach wurde. Der Tag gestern war wirklich sehr anstrengend gewesen, obwohl sie zu zweit an ihrem Arbeitszimmer gearbeitet hatten. Ohne Michael hätte sie es wahrscheinlich gar nicht geschafft, sie war froh ihm im Café getroffen zu haben und er war wirklich sehr nett. Sie hätte ihn eigentlich ganz anders eingeschätzt, nicht so lustig und so charmant, mehr steif und konservativ. Er war wirklich sehr nett und nach ihrer missglückten Beziehung zu Paul, hatte sie sich nicht vorstellen können, wieder einmal so einen schönen Tag mit einen Mann zu verbringen. Sie hatte Paul sehr geliebt, doch er hatte sie einfach sitzen lassen, ohne ihr noch eine Nachricht zu hinterlassen, nicht einmal seinen Eltern hatte er etwas gesagt. Irgendwann hatte er ihnen einen Brief geschrieben, das er weg musste von Galford, das er es hier nicht mehr ausgehalten habe, für Mary war eine Welt zusammengebrochen, sie konnte ihn einfach nicht verstehen. Lange Zeit noch nach Pauls Verschwinden, hatte sie sich in ihr Schneckenhaus verzogen und wollte nichts mehr von ihrer Umwelt wissen, in letzter Zeit aber hatte sie sich wieder geöffnet, sie war von zu Hause ausgezogen, hatte eine Stelle als Innenarchitektin angenommen. Sie war wieder mit sich im Reinen. Natürlich dachte sie sehr oft noch an Paul, vor allem wenn sie an Orte kam, an denen sie oft zusammen gewesen waren. Sie spürte immer noch einen Schmerz in ihrer Brust, wenn sie an Paul dachte, er war ihr Traummann gewesen, sie kannte ihn schon seit dem Kindergarten. In der Grundschule hatte sie nebeneinander gesessen, nach der Grundschule hatten sich ihre Wege getrennt, sie war beide auf eine andere Schule gegangen, aber irgendwann wollte es das Schicksal so, das sie sich wieder trafen. Marys beste Freundin Lucy war mit Pauls bestem Freund Hang zusammen gewesen, so fanden die beiden wieder zusammen und nach einem gemeinsamen romantischen Zelturlaub, mit Lucy und Hang, in Wales, waren die beiden ein Paar geworden. Ihre Beziehung war so harmonisch, selten stritten sich die beiden, sie konnten kaum einen Tag ohne einander verbringen. Doch dann war Paul plötzlich nicht mehr da, niemand wusste warum... Seit seinem Verschwinden lagen sieben Monate und Mary glaubte über ihn hinweg zu sein.
Als Mary ihren Kaffee ausgetrunken hatte, ging sie ins Bad, duschte und machte sich für die Arbeit fertig. Sie freute sich heute richtig ins Büro zu gehen und dort Michael zu treffen. Mary ging an ihren Kleiderschrank und holte ihr bestes Kostüm raus, es saà wirklich gut und sie machte darin eine richtig gute Figur. Aus irgendeinem Grund wollte sie heute richtig gut aussehen. Sie zog ihre Lackpumps an, schloss die Wohnungstür ab und ging hinunter zu ihrem Käfer, stieg ein und fuhr los. Wenige Minuten später saà sie an ihrem Schreibtisch, mit einer Tasse Kaffee in der Hand und schaute sich unauffällig nach Michael um, der auch wenige Minuten später fröhlich zur Tür hinein kam und alle freundlich grüÃte. Als Mary an der Reihe war, zwinkerte er ihr nur schelmisch zu und setzte sich in seinen Sessel und startete seinen Laptop. âWir haben heute um 9h eine Konferenz, es geht um das Hotelprojekt, also bereitet euch bitte noch die nächsten 30 Minuten vor und kommt dann in mein Büro!â, dröhnte die Stimme des Chefs durch das Gemeinschaftsbüro, der drei Architekten Michael, Georg und Mary. âAlles klar, Marcus. Ist das Projekt denn jetzt auch sicher?â. âJa Mary, wir haben alle Mittel bewilligt bekommen, der Vertrag ist unterschrieben und jetzt gehtâs an die Planung. Aber das werden wir nachher besprechen, okay?â. âJa danke Chef, ich hätte dir nicht zu getraut, das du den alten Smith noch um den Finger wickelst.â, scherzte Mary und zwinkerte ihrem Chef verführerisch zu. âNa du bist aber heute Morgen schon gut drauf!â, witzelte Georg, Marys anderer Kollege, âSonst bist du immer noch so muffelig!â. âDas sagt grade der richtige! Wer braucht den von uns zwei, zehn Tassen Kaffee bis er wach ist?!â, schoss Mary zurück. âKinder jetzt hört aber auf!â, dröhnte abermals die Stimmer ihres Chefs Marcus durch das Büro. Mary und Georg begannen zu lachen und grinsten einander an. Die beiden kannten sich auch schon sehr lange und neckten sich daher ganz gerne. âJa wir hören ja schon auf!â, sagte Mary und Georg nickte zustimmend. An ihrem Arbeitsplatz herrschte eine freundschaftliche und warme Atmosphäre. Marcus McFadden war ein alter Freund von Marys Eltern und zugleich Marys Patenonkel, es war also kein Wunder, das Mary nach ihrem Innenarchitektur-Studium bei ihrem Patenonkel eine Arbeitsstelle bekommen hatte, obwohl sie keinerlei Erfahrungen in ihrem Beruf hatte, aber Marcus wusste ihre Kreativität und ihre strebsame Art zu schätzen. Auch Georg fand direkt nach seinem Architekturstudium bei Marcus Arbeit, der beide nur allzu gern unter seine Fittiche genommen hatte, denn Mary und Georg hatten ihr Studium mit Bravour gemeistert und es steckte wirklich viel Potenzial in ihnen. Neben den beiden arbeiteten noch zwei weitere Architekten, Michael und Sarah, eine wirklich nette und kompetente Frau, die aber gemeinsam mit John, einem weiteren Innenarchitekten, ein eigenes Büro hatte. Sarah und John hatten wirklich schon sehr viel Erfahrung und konnten somit ihren jungen Kollegen helfen, was sie auch gerne taten.
âMary kannst du mir mal eins verraten? Wie schafft ihr Frauen es immer uns Männer um den Finger zu wickeln?â. âGeorg! Wie kommst du denn jetzt darauf?â, fragte Mary verdutzt und begann ihre Unterlagen für das Meeting um 9h abzuarbeiten. âNa ja, du kennst doch Victoria und mit der hatte ich ein Date...â. âBitte verschone mich mit deinen Frauengeschichten. Du weiÃt ganz genau, das ich deine komischen Freundinnen eh nicht versteh!â, entgegnete Mary genervt. âAuÃerdem bereite ich mich grade auf das Meeting vor und das solltest du vielleicht auch besser einmal tun.â âIst ja schon gut. Du Streberin!â, neckte Georg Mary. âNimm dich in Acht!â, meinte Mary und schmiss mit ihrem Kuli nach Georg. âWärt ihr so gut und hört auf mit Gegenständen durchs Zimmer zu werfen. Da bekommt man ja noch Angst!â, lachte Michael. âWillste mitmachen? Ich finde immer einen Grund mit Dingen nach jemanden zu werfen!â, entgegnete Mary. âNein, ich glaube wir sollten uns wirklich etwas für das Meeting vorbereiten, wir haben nur noch zehn Minuten und Marcus wird sauer, wenn wir nichts getan haben und brummt uns Ãberstunden auf und du weiÃt du kochst heute für mich!â âWie du kochst für ihn? Hab ich was verpasst?â, grinste Georg neugierig.â Nein hast du nicht! Ich koche nur für ihn, weil er mir gestern beim Tapezieren geholfen hat!â. âAha. Ihr habt also beide gestern frei gehabt um gemeinsam zu tapezieren. Klingt sehr logisch!â, erwiderte Georg sarkastisch. âNein, wir haben uns zufällig im Café getroffen und dann hat es sich so ergeben! Und jetzt sollten wir langsam mal losgehen. Sonst kommen wir noch zu spät zu Marcus.â âZu spät?! Er sitzt ein Büro weiter als wir.â, witzelte Georg.
âHerein!â, sagte Marcus, als Mary an seiner Tür klopfte. âAch ihr seid es schon. Ich war grad völlig in Gedanken versunken und hab gar nicht mit bekommen, dass schon 9h ist. Aber setzt euch schon mal hin!â. âGerne!â, entgegnete Mary mit gerunzelter Stirn. Ihr war aufgefallen das Marcus in letzter Zeit, öfters nicht ganz bei der Sache war, irgendetwas schien ihn zu bedrücken. Als die drei Platz genommen hatten, begann Marcus zu reden. âAlso wie schon erwähnt, haben wir das Projekt bekommen und jetzt geht es nur darum Einzelheiten zu klären. Georg und Michael, ihr arbeitet zusammen am Entwurf des Hauses. Es soll im mediterranen Stil erbaut werden und etwa 25 Zimmer in 5 Etagen, sowie einer Empfangsaula, einem Fitness- und Wellnessbereich auf eigener Etage, aber näheres besprecht ihr einfach mit Mr. Smith und du, Mary, bist natürlich für die Einrichtung zuständig, aber auch da bespreche es am besten mit Mr.Smith. Entschuldigt mich jetzt bitte. Ich muss noch etwas Wichtiges erledigen. Ihr könnt für heute Schluss machen.â âWie um 9h Schluss machen?â, erkundigte sich Mary entsetzt. âJa heute macht ihr einfach schon um 9h Schluss. Wie gesagt ich habe noch etwas wichtiges zu tun und ihr habt ja eh nichts besseres zu tun als euch zu ärgern und deshalb macht ihr heute schon um 9h Feierabend!â âAber..â, entgegnete Mary. âNichts aber. Ich bin euer Chef und wenn ich sage Feierabend, dann heiÃt das auch Feierabend, okay?!â. Mary und die zwei Männer standen etwas verdutzt auf und gingen in ihr Büro. âWas haben wir denn angestellt, das er uns JETZT frei gibt?! Ich meine er hätte uns gestern gleich sagen können, das wir nur wegen einem unnötigen Meeting ins Büro kommen müssen, dann hätte ich wenigstens Victoria Bescheid sagen können, das wir uns heute zum Brunchen treffen können.â, sagte Georg leicht genervt. âAch sei doch ruhig! Du und deine Frauengeschichten. Da ist irgendwas faul mit Marcus, ich sehe doch, dass es ihm nicht gut geht. Aber ihr Männer seid einfach nur auf euch fixiert, da merkt ihr so was gar nicht!â, entgegnete Mary sauer. Sie kramte ihre Sachen zusammen und verlieà das Büro. âÃhm Mary, warte mal.â, rief Michael ihr vorsichtig hinterher, als sie stehen blieb und sich umdrehte, sagte er: âAlso...Also...Ich mein was ist jetzt mit heute Abend? Ich meine treffen wir uns jetzt noch oder nicht? Ich will mich ja nicht aufdrängen!â. âTut mir Leid, aber können wir das Treffen verschieben? Ich spüre das da bei Marcus was nicht in Ordnung ist und ich will ihm, als Patennichte beistehen. Aber wir holen es nach, einverstanden?â. Mary lächelte ihn verlegen an und Michael nickte verständnisvoll. Mary ging weiter, stieg in den Fahrstuhl und fuhr ins Erdgeschoss und verlieà das Bürogebäude. Was war bloà mit Marcus los. So etwas wie heute hatte er noch nie gemacht. Sie einfach morgens heim geschickt und er wirkte so traurig. Sie würde sofort zu ihren Eltern fahren und nachfragen, ob sie irgendetwas wüssten. Sie stieg in ihren Käfer und sagte liebevoll: âSo Zacky jetzt wollen wir doch einmal sehen, ob wir nicht raus bekommen, was mit Onkel Marcus los ist. Es wäre doch gelacht, wenn Detektivin Mary Olsen nicht raus bekommt, was da wohl los ist.â Sie startete den Motor und fuhr los. Als sie bei ihren Eltern ankam, begann es zu regnen. âOh wie ich dieses Wetter hasse!â, entfuhr es Mary und sie rannte von ihrem Auto schnell zu Haustür, die Gott sei Dank überdacht war und klingelte. Ihre Mutter öffnete verwundert die Tür. âWas verschafft uns denn die Ehre, dass du uns um diese Zeit besuchst?â. âMum, wir müssen unbedingt einmal mit einander reden! Ich mache mir grade sehr Sorgen um Marcus. Aber darf ich reinkommen oder soll ich hier im Regen verharren?â, erwiderte Mary. âNein komm rein. Ich mach uns einen Tee und dann reden wir über Marcus. Einverstanden?â. Mary nickte nur, ging in den Flur, zog ihre Jacke aus und setzte sich an den Küchentisch und beobachte ihr Mutter beim Tee machen. âAch du kannst in der Zwischenzeit ja schon mal erzählen, was dir so Sorgen macht. Kekse?â. âDanke nein Mum. Also in letzter Zeit wirkt Marcus so... ach so weggedrehten. Er ist oft in seinen Gedanken versunken und wenn er mal nicht nach denkt ist er so, so komisch. Und vor allem launisch. Heute hat er uns nach einem sehr kurzen Meeting einfach nach Hause geschickt und das um 9h. WeiÃt du vielleicht was mit ihm los ist?â. âNein, du da kann ich dir leider auch nicht weiter helfen. Aber wie wärâs, wenn du ihn einfach mal besuchst?â. âNa ja er sagte, er müsse noch etwas Wichtiges erledigen. Aber ich kann ja nachdem wir unseren Tee getrunken haben, bei ihm vorbei schauen. Gute Idee, Mum. Danke!â. âGern geschehen.â, meinte Mary Mutter, Jane, und goss dabei ihrer Tochter eine Tasse Tee ein. Die beiden unterhielten sich noch eine Weile und als Mary die Kirchturmuhr zwölf schlugen hörte, verabschiedete sie sich von ihrer Mutter und machte sich auf den Weg zu Marcus, der nur ein Dorf weiter wohnte. Es regnet immer noch und sie hatte Probleme etwas durch die angeschlagenen Scheiben ihres Käfers zu sehn, deswegen fuhr sie sehr langsam. Als sie bei Marcus Haus ankam, sah sie Licht brennen und freute sich innerlich darüber, das er da war, als er aber nach ihrem Klingeln, die Tür öffnete, schlug ihre Stimmung sofort um. Sie hatte Marcus noch nie weinen gesehen. Erschreckt rief sie: âMarcus, was ist den passiert?!â. Er schaute sie mit seinen traurigen Augen an und Mary konnte sich nicht zurückhalten ihn in den Arm zu nehmen. Langsam gingen die beiden ins Haus und setzen sich im Wohnzimmer auf die Couch. âErinnerst du dich an meine Mutter, Mary?â, fragte Marcus weinerlich. Mary schüttelte den Kopf. âWir haben uns nie gut verstanden, aber es gab Zeiten, da konnten wir wenigstens normal mit einander reden und haben wenigstens ab und zu telefoniert. Vor zwei Wochen klingelte das Telefon und als ich ran ging, war es der Nachbar meiner Mutter, der mir Bescheid geben wollte, das meine Mutter schwer krank im Krankenhaus liegt. Ich habe alles stehen und liegen gelassen und bin schnell zu ihr gefahren. Als ich dann vor ihrem Krankenbett stand und sie so jämmerlich daliegen sah, fing sie plötzlich an mir Vorwürfe zu machen, welch schlechter Sohn ich immer gewesen sei, ich hätte mich nie für sie interessiert und hätte sie einfach so sitzen gelassen, als Vater gestorben war. Wir fingen fürchterlich an zu streiten und...â. Marcus begann fürchterlich an zu weinen und stotterte nur noch. âUnd...haben uns fürchterliche Dinge an den Kopf zu werfen...Wir...sagten uns...Di...inge die man nicht einmal...seinen schlimmsten Feind...sagt...Ich meinte nur... sie war nie eine Mutter für mich...â. Marcus brach völlig zusammen und Mary nahm ihn in ihre Arme und lieà ihn solange heulen, saà einfach nur da und tröstete ihn, auch ihr ging es in diesen Moment nicht gut, sie musste so an Paul denken. âUnd in ... diesem Moment...starb sie!â, wieder begann er zu weinen. Auch Mary begann zu weinen. Alle Erinnerungen an Paul kamen in ihr hoch, die sie die letzten Wochen so erfolgreich verdrängt hatte. Marcus hatte sich nach einer Weile einigermaÃen beruhigt und erwiderte Mary: âIch denke deine Mum weiÃ, trotz allem, das ihr so einen fürchterlichen Streit hattet, das du sie liebst und ich glaube, sie war einfach so einsam und sehnte sich nach dir, das sie dir Vorwürfe machte.â Marcus nickte nur und begann wieder zu schluchzen. Mary fiel es schwer sich zu beherrschen nicht wieder mit dem Heulen anzufangen. Es ging hier nicht um sie, sondern sie war hier um Marcus zu trösten und nicht um ihre eigenen Probleme zu besprechen. Sie streichelte Marcus über den Kopf und er beruhigte sich allmählich wieder. âDanke Kleines, dass du mir zu gehört hast, obwohl es dir doch selbst nicht so gut geht. Es tat gut dir alles erzählen zu können...â. âMarcus. Ich muss Danke sagen, du bist doch sonst auch immer für mich da und jetzt habe ich dir einmal zu gehört. Ich denke vielleicht solltest du dir professionelle Hilfe holen, die dir dabei hilft deinen Trauer und deinen Schmerz zu verarbeiten, denn so gerne wie ich dir auch helfen würde, kann es einfach nicht. Es tut mir Leid!â, entgegnete Mary. âEs muss dir doch nicht Leid tun, aber du hast Recht, professionelle Hilfe ist wahrscheinlich besser.â âJa und vor allem nehme dir mal etwas Urlaub, du bist ja auch völlig überarbeitet! Sarah und John werden den Laden auch mal ohne dich schmeiÃen können und ich verspreche dir, ich werde mich auch ordentlich benehmen und nichts anstellen. Du hast mein Ehrenwort!â. Marcus lachte darüber traurig und sah Mary tief in die Augen. âUnd was ist mit dir? Du hast doch auch Probleme. Paul?â, fragte er nur. Mary nickte und kämpfte gegen die Tränen an. âWenn es dir nichts ausmacht, werde ich jetzt gehen, ich muss noch...â. âNein, du warst schon lange genug hier. Aber ich glaube auch du solltest einmal mit jemanden über deine Probleme reden. Du siehst ja, was passiert wenn man nicht redet.â Mary nickte nur und stand von der Couch auf und ging Richtung Haustür, drehte sich zu Marcus, der ihr gefolgt war um, umarmte ihn und flüsterte dabei: âDanke Marcus. Danke für alles was du für mich getan hast. Du bist der beste Patenonkel den es gibt!â. Marcus drückte sie noch einmal fest an sich und gab ihr ein Kuss auf die Stirn. Mary ging hinaus, es regnete immer noch. Sie stieg in ihr Auto und brach in Tränen aus. Alles kam in ihr hoch. Sie hätte so gern mit jemanden darüber gesprochen. Ihre Mutter kam dabei nicht in Frage, sie verstanden sich zwar ganz gut, aber Jane interessierte es nicht sonderlich, was für Probleme ihre Tochter hatte, ihre beste Freundin Lucy war mit ihrem Ehemann Hang weg gezogen und telefonieren wollte sie nicht. Als Mary die VerbindungsstraÃe Richtung Galford entlang fuhr, drang es sie danach zu Michael zu fahren. Insgeheim tat es ihr Leid ihn abgewiesen zu haben, doch ihr Patenonkel war wichtiger gewesen. Sie bog am Ende der StraÃe ab und hielt vor Michaels Haus, stieg aus und klingelte. Als Michael die Tür öffnete, bekam er einen Riesen Schreck und nahm Mary sofort in seine Arme, genauso wie sie es vorhin mit Marcus getan hatte. âGott Mary. Was ist passiert? Du weinst ja?!â âMichael schluchzte sie nur und Michael schob sie sanft in sein Wohnzimmer. âIch weià auch nicht, warum ich ausgerechnet zu dir komme, ich meine wir kennen uns ja nicht sonderlich gut, aber...ich brauche jemanden der mir zu hört und du...du warst der einzige der mir in den Sinn kam.â. âIst schon gut!â, sagte Michael sanft und streichelte ihr übers Haar. âEs ist alles einfach nur schrecklich. Ich weià nicht wie es dazu kommen konnte. Wir waren so glücklich und nun ist er weg. Einfach weg ohne etwas zu sagen! Dieser ScheiÃkerl!â, entfuhr es Mary. âWer ist einfach weg?â. âPaul. Mein Freund. Oder soll ich eher Exfreund sagen?â Marys Trauer war der Wut gewichen. âIch hasse ihn so sehr dafür. Ich hasse ihn!â, schrie sie und schlug mit der Faust auf den Tisch. âBeruhige dich.â, sagte Michael einfühlsam. âEs wir doch alles gut!â. âNichts wird gut! Wurdest du schon einmal von einem Menschen, den du über alles geliebt hast, einfach so verlassen, ohne Vorwarnung. Einfach so?â. âJa.â, sagte Michael nur. âJa?â, fragte Mary erstaunt. âJa. Als ich noch in Harfold studierte, war ich mit der bezaubernsten Frau zusammen, die es gab. Sie hieà Joanna. Sie war wunderschön und klug, ich verliebte mich sofort in sie, als ich sie das erste Mal sah. Nach vielen romantischen Treffen kamen wir endlich zusammen und ich war der stolzeste Mann ganz Irlands. Ich liebte sie sehr. Wir konnte nicht ohne einander. An ihrem zwanzigsten Geburtstag machte ich ihr einen Heiratsantrag. Sie willigte ein und ich war so unendlich glücklich...â, plötzlich schossen Tränen in Michaels Augen, er beherrschte sich aber und begann nicht zu weinen. âEines Tages, es war ein Samstag fuhr sie los, um ihre Eltern zu besuchen, die nur 100 Kilometer entfernt von uns wohnten... Sie kam dort nie an. Sie geriet in einen Stau und ein LKW Fahrer sah das Stauende nicht und rauschte in ihr Auto hinein...Sie war sofort...tot. Man konnte ihr nicht mehr helfen und ich, ich konnte ihr nicht einmal mehr sagen, wie sehr ich sie liebte.â Erschrocken sah Mary Michael an. âEs...es...es tut mir so unendlich Leid für dich. Ich konnte ja nicht ahnen, dass dir so etwas Fürchterliches passiert ist. Ich hätte nicht zu dir gehen...â. âQuatsch, es war richtig, das du gekommen bist, ich habe lernen müssen damit um zu gehen. Früher tat es mir schrecklich weh und ich konnte kaum über Joanna sprechen. Aber heute...heute denke ich fröhlich an sie zurück und danke Gott für jeden einzelnen Moment, den ich mir ihr verbringen durfte. Ich kann mich doch nicht ewig in mein Schneckenhaus verkriechen und darüber grübele, was Joanna noch alles hätte erleben können, oder wie unser Leben weiter gegangen wäre, wenn nicht dieser Unfall passiert wäre. Aber ich denke du bist nicht hier, um dir meine Lebensgeschichte und meine Probleme anzuhören, erzähl mir mehr über Paul. Wie habt ihr euch kennen gelernt, warum hat er dich verlassen?â, forderte Michael sie auf.
âPaul und ich kennen uns schon seit wir kleine Kinder waren. Paul wohnte im Nachbarhaus von uns. Wir spielten häufig zusammen im Sandkasten und erzählten uns abenteuerliche Geschichten, gingen zusammen in den Kindergarten, sogar in dieselbe Gruppe. Dann waren wir zu alt für den Kindergarten und gingen in die Grundschule, auch dort machten wir alle zusammen. Wir saÃen nebeneinander, wir lösten gemeinsam die Mathematikaufgaben, machten Witze über die Lehrer und teilten unser Pausenbrot. Aber dann trennten sich unsere Wege und wir gingen auf zwei verschiedene Schulen. Ich auf ein allgemeines Gymnasium und er auf ein technisches. Sein Wunsch war schon immer gewesen, Ingenieure zu werden, was ich werden wollte, wusste ich damals nicht. Auf dem Gymnasium lernte ich meine beste Freundin Lucy kennen. Wir verstanden uns ab der ersten Stunde. Wir mochten dieselben Fächer, dieselbe Musik, dieselbe Mode, einfach alles. Als wir in der zwölften Klasse waren, ging Lucy mit Hang, Pauls besten Freund, aber das wusste ich damals noch nicht. Natürlich litt Lucys und meine Freundschaft darunter und so beschlossen wir, mal wieder etwas gemeinsam zu machen. Wir gingen schwimmen. Natürlich war auch Hang dabei, die beiden waren schon damals unzertrennlich, aber Hang hatte diesmal einen Freund dabei. Seit dem ersten Augenblick verliebte ich mich in ihn, wahrscheinlich so wie bei dir und Joanna. Ich ahnte nicht, dass der Junge, in den ich mich verliebt hatte Paul war. Erst als wir einander vorgestellt wurde, dämmerte es uns. WeiÃt du Paul war damals in der Grundschule umgezogen und somit sahen wir uns eigentlich gar nicht mehr und somit konnte ich ihn auch gar nicht erkennen. Wir beiden waren sehr überrascht, wie sehr wir uns doch verändert hatten. Und nach etlichen romantischen Treffen kamen wir zusammen. Wir machten gemeinsam Campingurlaub in Wales, wir stritten und wir liebten uns, wir waren einfach das perfekte Paar. Ich dachte mein Leben hätte ohne ihn keinen Sinn mehr, ich war überzeugt davon, dass Paul mein Traummann war. Aber vor genau sieben Monaten verschwand er plötzlich, niemand weià genau wo er ist, überhaupt warum er weg ist. Nicht einmal ich oder seine Eltern. Er hat ihnen irgendwann einen Brief geschrieben, mehr aber auch nicht. Ich habe mich eine Zeit lang von der AuÃenwelt abgeschirmt, ich wollte nichts mehr von meinen Freunden wissen, nichts. Dann ging es bergauf und ich fühlte mich besser, als ich aber heute bei Marcus war, da, da kam alles wieder hoch in mir, ich weià auch nicht wieso. Und dann hatte ich das Bedürfnis, als ich auf der LandstraÃe von Marcus hierher nach Galford fuhr, das ich zu dir fahren und dir alles erzählen. Jetzt weià ich selbst, das ich nicht so unverschämt hätte sein dürfen und bei dir hätte reinplatzen dürfen, vor allem nach dem ich dich habe sitzen lassen, es tut mir Leid.â.
âMary! Wenn du dich noch einmal dafür entschuldigst, das du hier aufgekreuzt bist, dann lädst du mich sooft zum Essen ein. Ich mag dich sehr, du warst mir schon seit ich in unserem Büro aufgekreuzt bin und dich an deinem überladenen Schreibtisch hab sitzen sehn, sympathisch und das ich dich gestern hab besser kennen lernen können, finde ich echt prima. WeiÃt du ich kenn hier nicht viele Menschen. Ich bin ja noch relativ neu hier und da empfinde ich es als eine Ehre, wenn eine so eingesessene Bürgerin wie du, zuerst an mich denkt und mir ihr Leid klagt. Und ich kann dich gut verstehen.