Das Feuer in Dir
#21

Nee ich glaube das liegt nicht nur an dem Kapitel, sondern einfach daran, dass bisher noch soooo verdammt viele fragen offen sind, dass man nicht so richtig weiss was man davon halten sol...ich finds gut eigentlich...

das mit den todesursachen siehe PN!

...
... ...
Everything changes...



...sometimes I hate it! ...
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#22

Ich hoffe, dass das nachfolgende Kapitel alle offenen Fragen löst. Es ist nicht das Ende dieser FF, aber das Ende des Rätselratens. Zumindest ist all das, was bisher offen und verwirrend war, nun abgeschlossen.
Viel Spaß beim Lesen und beim Feedbacken. Wink
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[SIZE=3]5.

Langsam ging ich zu Boden, rutschte ein Stück nach vorne, hielt ihn dabei aber noch immer fest und beugte mich vor. Dunkles Grau legte sich über uns, ich konnte nichts sehen, doch ich schaffte es und zog. Frei! Dann war da wieder diese Melodie, wunderschön und alt.
Eppes ist mein Name, es ist auch Dons Name, den ich benutzte. Doch ich verstand wenig, sagte wenig, denn die Verbindung war noch immer schlecht. Das wichtigste allerdings vermittelte ich: ein Mann war verletzt.
Dann zog ich mit aller Kraft weiter, zog bis meine Kräfte mich verließen und schaffte es. Sicherheitshalber robbte ich ein Stück nach hinten, begutachtete die Situation und schob ihn vor, schob solange bis ich nicht mehr konnte.

Dabei umschloss mich die Dunkelheit. Ich sah nichts mehr, ich fühlte nichts mehr, lag einfach nur da, versteckt im Rauch, unfähig mich zu bewegen. Vor mir lag Don, hinter mir befand sich ein klaffendes Loch. Es war warm, sehr warm und wurde immer wärmer. Mein Bruder war in Sicherheit, nur das war mir wichtig.

Ein Blinzeln war das erste Zeichen, dass er wieder zu sich kam, doch er konnte nicht sprechen. Seine Stimme war weg, erst da bemerkte er, dass er eine Maske trug. Purer Sauerstoff floss beim Einatmen durch den Mund in die Luftröhre, von dort in die Lunge und durchströmte dann mit dem Blut seinen Körper. Mit jedem Atemzug wurde er klarer. Wieder versuchte er zu sprechen, doch es kam nur ein Krächzen aus seiner Lunge.

Seine Umgebung nahm er war, merkte aber, dass etwas nicht stimmte, merkte, dass etwas fehlte. Eine weitere Trage müsste neben ihm stehen oder zumindest jemand an seiner Seite sein, doch da war niemand. Da waren nur Sanitäter und Feuerwehrmänner, also drehte er sich zur anderen Seite um. Auch dort stand nicht der Mensch, den er suchte.

Immer mehr Kraft kam zurück in seinen Körper, auch der Schmerz der Beinwunde wurde wieder allgegenwärtig, doch das war ihm egal. Zuerst zog er die Maske über den Kopf weg. Dann fasste er nach dem Arm des am nächsten stehenden Sanitäters, hielt sich daran fest und zog sich hoch zum Sitzen. Davon wollte ihn der Sanitäter zwar mit aller Kraft abhalten, doch das ließ Don nicht zu. Stattdessen schob er nun vorsichtig die Beine von der Trage und betrachtete dabei das verletzte. Eine tiefe Fleischwunde war zu sehen, die nicht schön, aber auch nicht besonders bedrohlich war. Die Schmerzen würde er ... nein, musste er aushalten.

Behutsam setzte er die Füße auf den Boden, belastete beide Beine mit seinem Körpergewicht, als er sich hinstellte und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Stimmen drangen zwar zu ihm durch, aber er verstand nichts. Er ging nur zielstrebig auf den Eingang des Hauses zu, der von zwei Feuerwehrmännern flankiert war. Auch deren Stimmen hörte er, als er das Haus betrat, verstand ihre Wörter aber nicht. Allerdings spürte er ihre in Handschuhen steckenden, kräftigen Hände auf seinen Armen, als sie versuchten, ihn zurückzuhalten. Daraufhin schrie Don sie an, dass sein Bruder noch da drin sei. Schnell war der Druck von seinen Armen weg und er hatte eine kleine, tragbare Sauerstoffflasche in der Hand. Dann sah er, wie einer der Feuerwehrmänner etwas in sein Funkgerät sprach, während er weiterging. Aber er war nicht allein, denn in seinem Augenwinkel sah er den anderen Feuerwehrmann, der mit ihm hineinging, der seinen Schritten folgte.

Nichts drang zu mir durch, plötzlich war ich alleine. Aber ich konnte mich nicht bewegen, es war anstrengend. Er war weg, er hatte mich alleine gelassen. Ich spürte seine Abwesenheit. Genauso hatte ich mich vor fünf Jahren gefühlt, als Mum mich plötzlich alleine ließ, hatte ich mich heute in Dons Büro gefühlt. Doch es war mir nicht egal, ich wollte nicht alleine sein. Also dachte ich an alle Menschen, die ich Liebe: Amita, Don, Dad, Larry und all die anderen Menschen aus meinem Leben sah ich vor mir, sie standen um mich herum. Lauter Menschen, die mein Leben beeinflusst haben. Sie sagten kein Wort, auch ich sagte kein Wort. Doch ich wusste, dass ich sie nie wieder sehen würde.

Ich rufe um Hilfe - ein letztes Mal, dann nehme ich ihre Hand. Ich fühle sie, sie lebt. Darum gehe ich mit ihr. Große Schritte helfen mir, den Weg schneller zu gehen. An ihrer Seite ist es nicht weit, denn ich sehe schon die Haustür. Mum öffnet sie, als wir sie erreichen. Von draußen scheint helles Licht herein, Sonnenschein. Wo soll ich eigentlich hin? Sie hat mir nichts gesagt. Muss ich zur Arbeit? Hat Don angerufen? Ich weiß es nicht, aber sie weiß, wo sie mit mir hingeht. Sie wird mir den richtigen Weg zeigen.

Den Flur schritt er so schnell wie möglich ab, passte jedoch auf, wo er hintrat, denn schon einmal war ihm der Boden unter den Füßen weggebrochen. Er sah nichts, lief einfach nach Gefühl. Die Hitze vom Feuer spürte er, war aber ertragbar, zumindest redete er sich das ein. Doch darum kümmerte er sich nicht. Seinen Bruder würde er nicht zurücklassen, er würde ihn retten. So konnte es nicht enden, er konnte ihn nicht auch noch verlieren. Diese Familie würde so schnell keine Toten mehr sehen. Außerdem konnte er ihn spüren, war sich der Nähe seines Bruders bewusste. Nur noch Meter konnten sie trennen. Dann spürte er ihn, als er versehentlich gegen seine Schulter trat.

„Charlie, Charlie!“, rief er laut.

Eine Reaktion erhielt er darauf nicht, nicht einmal ein Zucken. Schnell nahm er sein Atemgerät und führte es an den Mund seines Bruders. Doch der bewegte sich noch immer nicht. Darum nahm er das Atemgerät wieder an sich, um frischen Sauerstoff einzuatmen, ehe er ihn hochhob und über seine Schulter legte, denn er musste ihn hier raus schaffen. Vom Feuerwehrmann ließ er sich dabei nicht helfen, denn er wollte niemand anderem Charlies Leben in die Hände legen, stattdessen gab er ihm das Zeichen für den Rückzug, bevor er wieder das Gebäude verließ.

„Wohin gehen wir, Mum?“
„Dorthin, wo uns nichts und niemand jemals trennen kann, wo Du glücklich bist.“
„Ist Amita auch da?“


Endlich erreichte Don den Ausgang, konnte Licht sehen und frische Luft einatmen. Sein Atemgerät ließ er zu Boden fallen. Dann legte er vorsichtig seinen kleinen Bruder ab, als er am Rande eine Erschütterung bemerkte. Doch die interessierte ihn nicht, seine Aufmerksamkeit lag einzig und allein bei Charlie.

Ich stehe endgültig vor der Tür, durch die Mum schon vorausgegangen ist. Sie winkt mir zu; ich will ihr folgen, will sie nicht wieder verlieren.

Die Hände hatten vergeblich nach einem Puls gesucht, auch war kein Atem an Mund und Nase zu spüren. Wie in Trance arbeitete er eine Liste ab, die er schon am Anfang seiner Ausbildung eingetrichtert bekommen hatte und ließ seine Hände zu Charlies Brust wandern. Ein paar Mal pressten sie darauf, ehe er seinen Mund auf den seines Bruders legte und so dessen Lunge mit Atem füllte. Noch immer spürte er keine Lebenszeichen, woraufhin sich Verzweiflung in ihm breit machte und Tränen ihren Weg über sein Gesicht bahnten, die Wangen hinunterliefen und auf den leblosen Körper seines Bruders tropften. Doch er gab nicht auf und wiederholte strikt die Prozedur. Was um ihn herum geschah, nahm er nicht wahr. Er wollte nur, dass sein Bruder überlebte. Wieder presste er mit seinen Händen auf den Brustkorb.

Gerade setze ich den Fuß auf die Schwelle, als die Tür vor meiner Nase zugeschlagen wird. Mum ist nicht mehr zu sehen. Ich bin allein, wieder allein und werde es wohl bleiben.

Ein weiteres Mal atmete Don für seinen Bruder, brachte frische Luft in dessen Lungen, als er behutsam und doch entschieden von einem Sanitäter beiseite geschoben wurde, aber auch das bemerkte er nur am Rande. Seine Aufmerksamkeit galt nur seinem Bruder

„Du darfst nicht gehen, Charlie“, flüsterte er mehr zu sich selbst, wobei eine weitere Träne seine Wange herunter rann und im Ruß, der ihn bedeckte, eine Spur hinterließ.

In meinem Kopf höre ich eine vertraute Stimme. Plötzlich verschwimmt mein Elternhaus zu abstrakten Umrissen. Nichts ist, wie es eben war, aber ich spüre frische Luft.

Plötzlich vernahm er das Geräusch, von dem er dachte, es nie wieder zu hören. Sein kleiner Bruder atmete, das hörte er sofort und sah auch eine leichte Bewegung des Brustkorbs.

„Mum? Wo bist Du?“
„Charlie? Charlie! Du musst wach bleiben! Charlie!“


Auf das was sein Bruder sagte, achtete Don nicht. Ihm war nur wichtig, dass er wieder atmete. Woraufhin hemmungslos die Tränen über seine Wangen liefen.[/SIZE]

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#23

WOW einfach nur WOW...
ich bin begeistert.
Erstmal ne tolle Idee, dass Charlie seine Mom im Tod trifft, aber doch ganz schön traurig...
Im Haus selber, als Don rein ist (was allerdings für meinen Kopf schwer herauszulesen war, dass er überhaupt reingegangen ist) und Charlie spürt hab ich tatsächlich ne Gänsehaut bekommen...
Bei der Frage ob Amita auch da ist musste ich schlucken und wollte erst nicht weiterlesen...
Als Don dann an fängt zu weinen wären mir auch beinahe die Tränen gekommen, aber ich musste mich zusammenreissen, weil ein Abeitskollege neben mir sitzt und der bestimmt sonst denkt ich wäre bekloppt...

OT: hast du gestern Numb3rs geguckt...ich fand die letzte Therapiestunde gestern ja mal richtig geil...warum muss Don da eigentlich hin?

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#24

L.V.G.L.L.G. schrieb:WOW einfach nur WOW...
ich bin begeistert.
Vielen Dank
Zitat:Erstmal ne tolle Idee, dass Charlie seine Mom im Tod trifft, aber doch ganz schön traurig...
Naja, es ist eher als Nahtod-Erfahrung gedacht.
Zitat:Im Haus selber, als Don rein ist (was allerdings für meinen Kopf schwer herauszulesen war, dass er überhaupt reingegangen ist) und Charlie spürt hab ich tatsächlich ne Gänsehaut bekommen...
hm, kommt wirklich nicht so klar rüber. Das ist wohl das Problem, wenn man sich nur selbst korrigiert, denn für mich hat es Sinn gemacht. Was vllt. daran liegt, dass ich weiß, was ich sagen wollte.
Zitat:Bei der Frage ob Amita auch da ist musste ich schlucken und wollte erst nicht weiterlesen...
DA habe ich einen Satz vergessen, darum liest es sich traurig. Hatte meine korrigierte Vorlage nicht vorliegen, als ich korrigierte, drum steht er nun nicht da.
Zitat:Als Don dann an fängt zu weinen wären mir auch beinahe die Tränen gekommen, aber ich musste mich zusammenreissen, weil ein Abeitskollege neben mir sitzt und der bestimmt sonst denkt ich wäre bekloppt...
Bist Du irgendwie nah am Wasser gebaut?

Zitat:OT: hast du gestern Numb3rs geguckt...ich fand die letzte Therapiestunde gestern ja mal richtig geil...warum muss Don da eigentlich hin?
Natürlich habe ich es gestern geguckt. Er ist in Therapie, weil er wohl jemanden niedergeschossen hat. Warum genau weiß ich nicht, hab da eine kleine Numb3rs-Lücke. Übrigens lief gestern erst die letzte Folge der 3. Staffel, also haben wir noch 12 vor uns, war da fehlinformiert.

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#25

Oh ja ich bin sehr nah am Wasser gebaut....

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#26

Oh,wow.
Echt gut. Die indung von Charlie und Don find ich tooooll♥

2 fb für einen Abend^^
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#27

Fritzi753 schrieb:Oh,wow.
Echt gut. Die indung von Charlie und Don find ich tooooll♥

2 fb für einen Abend^^
Vielen lieben Dank hierfür. Es freut mich immer, wenn jemandem mein Geschreibsel gefällt.

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#28

So meine lieben Leserinnen und ähm Leserinnen, dies ist mein letzter Ausflug in dieser Fanfiction, denn sie ist beendet. Ich hoffe, das Lesen hat Euch Spaß gemacht. Zumindest ging es mir beim Schreiben immer gut.
Somit wünsche ich Euch an dieser Stelle ein letztes Mal viel Spaß beim lesen. Obwohl das Ende nah ist, freue ich mich über Feedback.
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6.


Ich erwachte und suchte Mum, doch ich sah sie nicht. Da war nur mein großer Bruder, der weinte - ein seltener Anblick. Dann wurde alles um mich herum dunkel und ich versank in einem tiefen, traumlosen Schlaf.

Nun hockte er an den Beinen seines Bruders, wo er noch nah genug, aber auch leicht entfernt war. Das Piepen, das regelmäßig die Geräusche um ihn herum durchbrach, sagte ihm, dass Charlie atmete und sein Herz schlug. Jede Bewegung der Sanitäter und Ärzte beobachtete er genau, seinen eigenen Schmerz nahm er gar nicht wahr, so besorgt war er. Erst als eine Trage erschien, auf der sein Bruder transportiert werden sollte und er wie selbstverständlich aufstehen und ihm folgen wollte, wurde er sich der Wunde an seinem Bein bewusst, denn er konnte sein Körpergewicht nicht mehr halten und fiel zu Boden. Ihm fehlte die Kraft und der Wille weiterzumachen. Binnen Sekunden sah er Rettungspersonal auf sich zukommen, das ihn verarzten wollte, während sein Bruder sich von ihm entfernte. Darum ließ er niemanden an sich heran, wehrte sich vehement gegen jegliche ärztliche Hilfe und hörte nicht auf ihren Rat sondern verlangte, seinen Bruder ins Krankenhaus zu begleiten. In dem Moment war ihm sein Bein egal, nur Charlies Leben zählte. Doch er konnte niemanden davon überzeugen und musste eine kurze Untersuchung über sich ergehen lassen. Schließlich bekam er grünes Licht und der Feuerwehrmann, der zuvor mit ihm durchs Feuer gegangen war, bot ihm seine Hilfe an und stützte ihn auf dem Weg zum Krankenwagen.

Auf einem Notsitz an der Tür saß er und wachte über seinen kleinen Bruder, wie er es schon immer getan hatte und auch für den Rest seines Lebens tun würde. Die Tränen waren zwar versiegt, aber noch immer fühlte er Schmerz in sich, denn er hatte nicht nur um seinen Bruder sondern auch um seine Mutter geweint. Plötzlich war alles wieder da: die Trauer, der Schmerz, die Leere. Die Fahrt schien eine Ewigkeit zu dauern und der Zustand seines Bruders veränderte sich nicht. Er lag immer noch bewusstlos vor ihm, war aber zwischenzeitig intubiert worden, um ihm das Atmen zu erleichtern, wie ihm die Ärztin erklärt hatte. Es hatte scheinbar auch geholfen, denn laut Gesprächsfetzen, die er aufschnappte, war seine Sättigung gestiegen.

Ich tauche im dunklen Meer der Unendlichkeit. Um mich herum wabbern liegende Achten. Mit kräftigen Zügen suche ich meinen Weg an die Oberfläche, kann aber schon jetzt unter Wasser wieder atmen, tief und gleichmäßig. Mum ist nicht mehr bei mir, sie hat mich endgültig verlassen, das spüre ich, aber ich bin nicht alleine. Irgendwo ist hier eine verzweifelte Seele, die mich kennt, die mich sucht und mich irgendwann finden wird, wenn ich sie nicht vorher finde.

Die Türen des Krankenwagens öffneten sich und sie standen vor dem Eingang einer Notaufnahme. Zuerst musste Don aussteigen und mobilisierte dafür noch einmal seine allerletzte Kraft, belastete sein Bein und ging ein paar Schritte. Dann wurde die Trage mit seinem Bruder darauf herausbugsiert. Die Sanitäter brabbelten unverständliches Zeug, auf das er nicht hörte, denn er konzentrierte sich nur auf den vor ihm liegenden Weg. Keine Schwäche zeigen rief er sich wieder sein Credo ins Gedächtnis und folgte diesem Rat, indem er stetig einen Fuß vor den anderen setzte, mehr musste er nicht machen. An einer Schwingtür, die in einen Behandlungsraum führte, wurde er aufgehalten, und zwar von einem kräftigen Hünen, der sich als Pfleger herausstellte und seine Wunde versorgen wollte. Sein Blick und sein Griff ließen keinen Widerstand zu, so dass er ihm in den Nebenraum folgte, wo er erst eine Tetanusspritze erhielt und dann genäht wurde. Danach kehrte er gleich wieder auf zwei Krücken gestützt, anders durfte er sich nicht fortbewegen, auf den Flur zurück, wo seine Kollegin Megan stand. Kurz versuchte sie, ihn über die Ereignisse auszufragen, doch er ging nicht darauf ein, sondern betrat entschlossen den Behandlungsraum. Eine Schwester, die alle Kabel und Schläuche von seinem Bruder löste und auf die Trage legte, teilte ihm mit, dass Charlie das Gröbste überstanden hatte und sie ihn jetzt auf ein Zimmer bringen würde. Im gleichen Atemzug bot sie ihm an, sie zu begleiten. So folgte er ihr und seinem Bruder aus dem Behandlungsraum, in den Fahrstuhl und schließlich einige Etagen höher auf die Station.

Rechts von mir ist eine Wurzel, die gezogen werden will. Links dagegen sehe ich ein majestätisches Pi, das gerade dabei ist, in einem Kreis zu tauchen, es schwimmt sowohl munter rund herum als auch quer durch die Mitte. Über mir ist eine Potenz und unter mir die dazugehörige Basis. Dazwischen sind immer noch unendlich viele Unendlichkeitszeichen am Hin- und Herwuseln. Ich suche, aber ich weiß nicht, was, obwohl ... Wenn ich genau darüber nachdenke, weiß ich es. Dafür brauche ich noch nicht einmal einen Algorithmus aufzustellen, dazu reicht pure Logik.

Charlie wurde wieder an die Überwachungsgeräte angeschlossen und er setzte sich auf einen Stuhl, den die Schwester ihm ans Bett schob. Beim Anblick seines Bruders überkamen ihn Schuldgefühle. Dabei bemerkte er nicht, wie jemand an ihn herangetreten war. Er drehte sich erst um, als er die starke Hand seines Vaters auf seiner Schulter spürte und schaute in dessen vor Schreck starres Gesicht. Für einen Moment ließ er sich gehen, zeigte seine Schwäche und ließ den Tränen, die noch immer herauswollten, wieder freien Lauf, denn er fühlte sich geborgen. Die Hand seines Vaters drückte leichte seine Schulter, was er als Verständnis deutete, aber dieser Moment hielt nicht lange an und Sekunden später war er wieder der Alte, verbarg seine Gefühle und schaute zu seinen Bruder. Derweil zog sein Vater einen Stuhl heran und setzte sich an seine Seite. So saß er mit ihm in einträchtiger Stille, lauschte den Geräten und betrachtete seinen regungslosen Bruder.

Das Gefühl für Zeit hatte er schon lange vergessen und wusste nicht, wie lange er schon hier war, als jemand klopfte. Er drehte sich zur Tür um und sah einen Moment später Amita den Raum betreten. Ihr war offensichtlich, erst in ihrem Blick, dann in ihren Händen, die sie vor den Mund zusammenschlug und schließlich in den lautlosen Tränen, die ihr über die Wangen rannen. Don selbst hatte sie nicht angeschaut, ging dann aber zu ihm und erkundigte sich nach dem Zustand, ehe sie ganz selbstverständlich ans Bett ging, die Hand seines Bruders in ihre schloss, sich zu ihm hinunterbeugte und etwas ins Ohr flüsterte, das nur für ihn bestimmt war.

Der Wind rauscht in den Algen. Wind unter Wasser? Das ist unmöglich.
Das Pi ist immer noch da und taucht um einen größer werdenden Kreis, wodurch sich ein Sog entwickelt, dem ich entgehen muss. Bis zur Wasseroberfläche ist es nicht weit, nur ein paar kräftige Züge und ich werde sie durchstoßen. Dann bin ich gerettet.

Amita hatte sich aufs Bett gesetzt. Trotzdem hatte Don noch einen guten Blick auf Charlie. Etwas hatte sich geändert, er spürte es, auch wenn er es nicht benennen konnte. Doch er sagte nichts und wartete, behielt dabei aber das Gesicht seines Bruders im Auge. Ein Zucken der Hand, ein Blinzeln – schließlich öffneten sich die Augen. Er hatte es vorausgesehen. Rasch stand sein Vater auf und verließ den Raum, während Don auf seine Krücken gestützt ans Bett trat und seinen Bruder in die Augen schaute. Sie funkelten wie eh und je, aber da war noch etwas anderes.

Don ich muss Dir etwas sagen.

Ein würgendes Geräusch verließ Charlies Kehle, weshalb Don ihm mit ruhiger Stimme sagte: "Du wurdest intubiert und kannst nicht sprechen."

Verdammt, Don, Du musst mir zuhören, ich muss Dir das erklären.

Wieder vernahm er das Geräusch. "Beruhige Dich, bitte."

Der Schlauch muss raus, verdammt. Hör mir zu!

An seiner Seite zuckte Amite unwillkürlich zusammen, weshalb Don sich zu ihr umdrehte und sah, dass sein Bruder seine Hand von ihrer gelöst hatte. Die bewegte er über die Bettdecke und schien dabei Muster zu formen.

"Möchtest Du was aufschreiben, Charlie?", fragte Don.

Aufgrund eines kaum merklichen Nickens fragte er Amita nach Papier und Stift, die sie aus ihrer Tasche holte. Den Stift legte er in Charlies Hand und das Papier darunter. Nun beobachtete er ihn dabei, wie dieser zwei Wörter darauf notierte, und zwar „Larry“ und „Garage“. Don konnte sich zwar keinen Reim darauf machen, war aber wieder in seinem Element. Es musste etwas mit der Lösung des Falls zu tun haben, von der sein Bruder am Telefon gesprochen hatte.

Von seinem Gürtel wollte er ganz selbstverständlich sein Mobiltelefon ziehen und war überrascht, dass es nicht da war. Er wandte sich an Amita, die ihm nun ihres gab. Schnell fand er Larrys Nummer und rief ihn an. Mit wenigen Worten erklärte er, worum es ging, dann legte er auf, um seine Kollegen anzurufen und von der aktuellen Sachlage zu informieren. Es gab etwas zu tun.

Kurze Zeit später knarrte die Zimmertür, als Megan den Raum betrat. Wie sich herausstellte, hatte sie das Krankenhaus noch nicht verlassen und war deshalb sofort bei ihnen. Don forderte sie auf, ihn zu seinem Elternhaus zu fahren, vorher humpelte er aber noch mal ans Bett und beugte sich zu seinem Bruder hinunter.

"Charlie, ich werde jetzt gehen, aber Amita ist hier und Dad kommt auch gleich wieder. Die beiden bleiben bei Dir", sagte er, bevor er ging.

Ich weiß, dass Du es schaffen kannst, Don.

Als er nach draußen trat, bemerkte er erst, wie spät es schon war, denn es war dunkel und der Mond stand hoch am Himmelszelt. Es musste Stunden her sein, dass er sich mit seinem Bruder in der Garage unterhalten hatte, es kam ihm aber eher wie Sekunden vor. Schweigend fuhr Megan ihn die wenigen Kilometer. Schon von weitem sah er Larrys Oldtimer in der Auffahrt stehen. Schnellstmöglich ging er in die Garage, wo dieser schon an der Tafel stand und Charlies Zahlenwerk betrachtete.

Don forderte ihn auf, alles zu sagen, was er wusste. Dadurch erfuhr er, was die Formel aussagte, wie er sie berechnet hatte und was er damit bezweckte. Sein Bruder hatte tatsächlich die Lösung gefunden. Es war ein Muster, das den nächsten vermutlichen Tatort vorhersagte. War es wirklich so einfach gewesen? Oder war es doch nur der Genius seines Bruders, der zur Lösung beigetragen hatte? Er wusste es nicht, aber er wusste, was er zu tun hatte. Dazu war er aber nicht mehr in der Lage, denn die Geschehnisse des Tages hatten an seinen Kräften gezerrt und er konnte sich kaum noch aufrecht halten. Darum übertrug er seiner Kollegin die Leitung und schickte sie fort, um das Notwendige in die Wege zu leiten. Dann bat er den Freund seines Bruders, ihn wieder ins Krankenhaus zu fahren.

Dort angekommen ging er mit ihm in das Zimmer seines Bruders. Sofort bemerkte er, dass der Schlauch weg war und er nur noch über eine Nasenkanüle mit Sauerstoff versorgt wurde. Charlies Augen waren geschlossen, er schien zu schlafen. Darum wandte er sich von seinem Bruder ab, während Larry ans Bett trat und ließ sich auf einen Stuhl fallen und holte tief Luft. Nur Sekunden später sah er seinen Vater auf sich zukommen, dem er nichts erklären wollte. Darum schüttelte er den Kopf, noch bevor Alan ihn etwas fragen konnte. Das Zeichen schien er zu verstehen, denn er kehrte Don den Rücken zu und ging wieder zu seinem anderen Sohn. Doch das nahm er nur noch am Rande mit, denn ihm fielen schon die Augen zu.


--


Ich bin zurückgekehrt ins Wasser und tauche wieder. Dieses Mal bin ich nicht alleine, denn an meiner Seite ist Don. Um uns herum spannt sich ein Netz, in dem wir geschützt vor Gefahren durch das Wasser gleiten. Hier zeige ich ihm die Schönheit der Mathematik. Pi verneigt sich vor uns, ehe es wieder Kreise schwimmt. Zahlenreihen begleiten unseren Weg. Doch größtenteils sind wir umgeben von den Unendlichkeitszeichen, die mich schon mal begleitet haben.


--


Er erwachte aus einem langen Schlaf. Die Sonne kitzelte an seiner Nase und blendete seine Augen. Auf ihm war eine Decke ausgebreitet worden. Als er, nachdem er wieder vollkommen wach war, sofort zu seinem Bruder schaute, der in seinem Krankenbett saß und ihn ebenfalls betrachtete, schmerzte sein Nacken vermutlich von einer verdrehten Kopfhaltung während des Schlafs. Charlies Gesicht zierte schon wieder das für ihn übliche Lächeln und die Nasenkanüle war verschwunden. Außer ihnen war niemand im Raum. Kurz massierte Don seinen Nacken, ehe er vorsichtig aufstand und ans Krankenbett trat.

„Wie geht es Dir?“
„Besser. Die Ärzte haben gesagt, dass ich noch heute nach Hause kann. Was ist mit Dir? Du hast zwölf Stunden geschlafen. Geht’s Dir besser?“
Überrascht schaute Don auf seine Uhr und realisierte, wie spät es war. „Verdammt! Ich muss ins Büro. Wo sind Dad, Amita und Larry?“
„Entspann Dich, Du musst nicht ins Büro. Megan war vorhin hier und wollte es Dir persönlich sagen, aber Du hast geschlafen. Sie hat mit Colby und David zusammen die möglichen nächsten Ziele meiner Berechnung in Augenschein genommen. Dabei sind sie zufällig dem Täter in die Arme gelaufen, ein gewisser Declan. Er war Angestellter der Feuerwehr, ihm wurde aber vor ein paar Wochen die Kündigung ausgesprochen. Mit den Bränden wollte er sich rächen, zumindest lautet so seine Aussage.“

Für einen Moment wurde es still, in dem Don erst einmal das Gesagte verarbeitete. Es war geschafft, der Täter war gefasst, was ein Grund zum Aufatmen war. Zudem ging es seinem Bruder offensichtlich sehr viel besser, so dass sein Leben für den Moment in Ordnung war. Erleichtert und beruhigt zugleich setzte er sich auf Charlies Bett.

„Danke, dass Du mein Leben gerettet hast, Charlie.“
„Das ist für mich selbstverständlich. Du hättest und hast dasselbe getan. Danke!“

Nun nahm er die Hand seines Bruders, zog ihn in eine Umarmung und drückte ihn für einen kurzen Moment. Kurz darauf ließ er seinen Bruder los und begann zu grinsen.

„Wenn mal wieder was sein sollte, redest Du mit mir, Charlie? Ich habe keine Lust, Dir ständig den Arsch aus dem Feuer zu ziehen.“ Plötzlich wandelte sich seine Stimmlage und Don wurde ernst. „Mums Tod habe zwar vergessen, aber Dich werde ich nie vergessen kleiner Bruder.“

-Ende-

Danke an Jo & XY ungelöst - die weltbesten Künstlerinnen
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#29

ICH HABS GESCHAFFT!!!!
ich habs gelesen und geschafft und toll....einfach toll!!!!
*in die Hände klatsch* (nein das würde doof bei der arbeit kommen, aber ich kann ja wenigstens so tun)
ich hatte erst den Faden verloren, weil ich garnicht mehr wusste worum es geht, aber das letzte Kapitel hat mein Gedächtnis doch aufleben lassen...
Wie dem auch sei toller Teil und ich finds schön, dass sich die beiden so gut verstehen...der letzte Satz ist echt süß, auch wenn glaube ich ein Wort fehlt...

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#30

Diese FF ist echt super Upten
Ich habe zwischenzeitlich echt gedacht, dass Charlie sterben könnte.
Schön, dass es doch noch ein Happyend gab.
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