Feuerfang
#1

hallihallo!

das hier ist eine geschichte, die mir quasi schon seit ewigkeiten auf den fingern brennt.
sie ist frei erfunden, also auch an keine serien o.ä. angepasst, beinhaltet aber viele kleine wahrheitenWink
weil ich dieses forum liebe und auch am meisten auf die kritik von leuten hier gebe und nicht von mir völlig unbekannten von anderen fanficseiten, dachte ich, ich stelle sie hier online. es würd mich freuen, wenn ihr mal reinlest und mir eine kleine rückmeldung dalasst (und wenn es nur "bitte weiterschreiben" ist), damit ich einschätzen kann ob überhaupt interesse daran bestehtSmile

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Autor : ichSmile
Genre : Freundschaft, Familie und die Suche nach der Wahrheit
Pairing : mal sehenWink
Raiting : bis auf Weiteres R-16
Disclaimer : MEINS!
"Klappentext":
Simon und Anne lernen sich im Kinderheim kennen. Während simon gelegentliche Verrücktheiten und seine Vergangenheit verheimlicht, sagen Annes gut sichtbare Narben mehr über sie aus, als sie selbst von sich weiß. Trotzdem merken beide schnell, dass der jeweils andere nicht ganz normal ist.

Eine ungleiche Freundschaft beginnt und zieht sich über Jahre hinweg, in denen Annes Welt auf den Kopf gestellt wird und Simons Geschichte Stück für Stück ans Licht kommt. So stehen sie Jahre später in einem Leben weit weg von den Tagen im Kinderheim immer noch vor einer Wand aus Fragen über ihre Vergangenheit.

Wie starben Annes Eltern wirklich? Kann man je alles von einem anderen wissen? Gibt es den einen Menschen, der einen genau so nimmt wie man ist?
Wie viele Geheimnisse hält eine beste Freundschaft aus? Und was passiert, wenn sie ans Licht kommen?


Prolog
September 2002
Als sie sich trafen, war sie dreizehn und er fünfzehn. Sie hasste das Feuer, er das Wasser, sie hasste Radfahren und er Laufen, sie hasste Fleisch und er hasste Gemüse, sie hasste das Sprechen und er das Zuhören. Man hätte meinen können, dass sie so grundverschieden waren, dass ihre Freundschaft niemals funktionieren könnte, aber genau deshalb waren sie unzertrennlich.


Das „Kinder- und Jugendheim am See“ war für Simon das wohl Beste, was ihm hätte passieren können - abgesehen davon, dass es von Wasser umgeben war. Für Anne war es die Hölle, und das ganz ohne ihr so verhasstes Feuer.
Als Simon das erste Mal aus seinem Zimmer kam, nachdem er einige Wochen niemanden hatte sehen können, saß Anne als einzige auf dem Flur auf einer Fensterbank, denn alle anderen aßen gemeinsam. Anne hatte wieder mal darum gebeten, allein essen zu können, und wieder mal hatten die Betreuerinnen es ihr erlaubt.
„Das arme Kind“, wurde überall getuschelt, „das arme Mädchen. Sie wird nie so sein wie alle anderen. Und diese Narben!“
Ja, die Narben. Die sah auch Simon als erstes, als er die Zimmertür einen Spalt breit öffnete.
Sie waren nicht zu übersehen: Eine zierte ihre Wange, eine ihren Hals und die dritte ihren Rechten Unterarm, vom Ellenbogen bis zum Handgelenk.
Anne sah von ihrem Essen auf, das nun wirklich nicht appetitlich wirkte, und starrte zurück.
„Was schaust du an?“, fragte sie, und jeder der sie kannte hätte sich gewundert, dass sie überhaupt mit dem Jungen sprach und nicht direkt ihren Teller nach ihm warf. Aber es war niemand da, der sie kannte, und sie musste fragen, denn irgendetwas war anders an der Art, wie Simon ihre Narben ansah.
„Deine Narben.“, gab er unverhofft zu und folgte mit dem Augen der Narbe die sich über ihre Wange zog, senkrecht, parallel zur Nase.
„Woher hast du sie?“
„Ich weiß nicht.“
„Achso.“
Er stand vor ihr und sah ihren Teller an.
„Es gibt nichts für Leute die zu spät sind.“, sagte sie und stellte ihren halb leergegessenen Teller zur Seite.
Er nickte, folgte ihrem Teller mit seinem Blick, dann schaute er sie wieder an.
Anne stand auf und erwiderte seinen Blick einen Moment. „Magst du Fleisch?“, fragte sie dann und hängte sich ihre kleine blaue Tasche um.
Er nickte nochmal, und sie schob ihm den Teller hin. Dann verschwand sie aus der Tür, bevor das Mittagessen im großen Saal zu Ende war.


Der See lag glatt da und ließ den Wind über sich hinweggleiten, ohne auch nur die kleinsten Wellen zu bilden. Leuchtendes Herbstlaub schwamm träge auf dem Wasser, und Anne drückte es mit einem Stock unter Wasser, bis es genug beschwert war um langsam zu versinken.
Bald würde es Winter werden und die anderen würden auf dem See Schlittschuh laufen auf einer dicken, verschneiten Eisschicht, weit über dem Herbstlaub, das im kalten Wasser vor sich hin faulen würde, bis es schließlich unbemerkt zerfiel.
Anne versank in dieser Vorstellung vom Winter, der schönsten Jahreszeit der Welt. Sie selbst würde dann auf den See gehen, wenn alle anderen Kinder müde wurden, damit sie viel Platz für sich hatte, mal barfuß, mal mit Schlittschuhen. Sie würde die Eisfläche unter sich knirschen hören, ganz leise, und die Kälte des Windes genießen, der ihre Wangen rot werden ließ. So hatte sie dies immer getan, seit sie hier lebte, und das war schon sehr lang.
„Hey, Frankenstein!“
Sie drehte sich nicht um, sah aufs Wasser hinaus und stellte sich vor, jetzt einfach darauf loszulaufen, bis zum Horizont.
„Gehört das hier dir?“
Sie tastete möglichst unauffällig über ihren Oberkörper und wusste sofort, was der Besitzer der kratzigen Stimme meinte, als sie den Trageriemen ihrer Tasche nicht fühlte. Sie hatte sie an die Seite gelegt, etwas was sie normalerweise nicht tat, weil sie es besser wusste.
„Dreh dich nicht um“, dachte sie und sah unbeirrt weiter auf das Wasser hinaus. In ihrer Vorstellung sah sie ein Schiff auf sich zukommen, mit Wind in den Segeln, unaufhaltsam.
„Dann nicht“, hörte sie die Stimme wieder, „dann häng ich das jetzt da oben in den Baum.“
Es wäre alles kein Problem gewesen, wenn es so gewesen wäre wie die Betreuerinnen immer sagten: „Nur leere Worte, Anne, sie wollen nur, dass du dich ärgerst.“
Leider waren es keine leeren Worte, und Anne sah ihre Tasche nach einigen Minuten krampfhaftem auf den See Starren hoch in einer Birke hängen.
„Ist das deine?“ hörte sie plötzlich eine Stimme dicht neben ihrem Ohr und erschrak.
„Sorry.“, fügte Simon hinzu und trat einen Schritt zurück.
„Also, ist es deine?“
Sie schüttelte den Kopf, aber er sprach längst weiter.
„Ich weiß dass es deine ist, hab dich damit gesehen, das Fleisch war übrigens lecker, danke. Soll ich dir die Tasche holen?“
Wieder schüttelte sie den Kopf und konnte ihm mit ihren Augen gar nicht so schnell folgen wie er den Baum herauf und wieder heruntergeklettert war.
„Bitteschön.“
„Das hätte ich selbst gekonnt.“
„Mag sein.“
Er verschwand auf dem Weg auf dem er gekommen war.
Sie klopfte ihre Tasche ab, prüfte ob alles noch drin war und ging schließlich auf den Steg hinaus, um die Füße ins Wasser baumeln zu lassen, bis sie – wie üblich – erwischt wurde.


Er lag auf seinem Bett und starrte an die Decke. Es war das, was er am liebsten tat, und die Leute fanden das komisch.
Manchmal fragte Simon sich, warum das Leben so lang war, und dann vertrieb er sich seine Zeit damit, sich allerhand vorzustellen. Simon fand das Leben sogar zu lang. Mit seinen fünfzehn Jahren hatte er so viel er lebt, wie andere nie erlebten, und er fand, dass er den Rest seines Lebens nun gern damit verbringen konnte, die Decke anzustarren.
Das Narbenmädchen – so nannte er Anne in seinen Gedanken, denn niemand hatte ihm ihren Namen gesagt – schien ähnlich viel erlebt zu haben wie er, so stellte er es sich vor.
Er dachte darüber nach, dass er nicht eine einzige Narbe hatte, trotz allem was geschehen war.
Darüber, dass sie nicht mal wusste, wo sie ihre Narben herhatte. Er fragte sich, wer von ihnen beiden mehr Glück gehabt hatte: Sie, ohne Erinnerung und mit Narben, auf die sie immerzu angesprochen wurde, oder er, ohne Narben und mit tausenden kleinen Erinnerungen, die jeden Tag aufs neue ihre Herrschaft in seinem Bewusstsein antraten.


________________________________________________

EINS
ZWEI
DREI
VIER
FÜNF
SECHS
SIEBEN
ACHT
NEUN
ZEHN
ELF[URL="http://www.gilmoregirls.de/forum/showpost.php?p=2213175&postcount=81"]
ZWÖLF[/URL]
DREIZEHN
VIERZEHN
FÜNFZEHN
SECHZEHN
SIEBZEHN
ACHTZEHN
NEUNZEHN
ZWANZIG[URL="http://www.gilmoregirls.de/forum/showpost.php?p=2215710&postcount=134"]
EINUNDZWANZIG[/URL][URL="http://www.gilmoregirls.de/forum/showpost.php?p=2215936&postcount=141"]
ZWEIUNDZWANZIG[/URL][URL="http://www.gilmoregirls.de/forum/showpost.php?p=2216194&postcount=149"]
DREIUNDZWANZIG[/URL]
VIERUNDZWANZIG
FÜNFUNDZWANZIG
SECHSUNDZWANZIG
SIEBENUNDZWANZIG
ACHTUNDZWANZIG
NEUNUNDZWANZIG
DREIßIG
EINUNDDREIßIG
ZWEIUNDDREIßIG
DREIUNDDREIßIG
VIERUNDDREIßIG
FÜNFUNDDREIßIG
SECHSUNDDREIßIG
SIEBENUNDDREIßIG
ACHTUNDDREIßIG
NEUNUNDDREIßIG
VIERZIG
EINUNDVIERZIG
ZWEIUNDVIERZIG
DREIUNDVIERZIG
VIERUNDVIERZIG
FÜNFUNDVIERZIG
SECHSUNDVIERZIG
EPILOG

I'm feeling lonely but what can you do?
It's only when its dark I'm thinking of you.

(Fallulah)
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#2

das klingt doch schon einmal sehr interessant Big Grin

Und zu dem interessanten Prolog kommt dann auch noch dein toller Schreibstil dazu - z.B.
Zitat:Als sie sich trafen, war sie dreizehn und er fünfzehn. Sie hasste das Feuer, er das Wasser, sie hasste Radfahren und er Laufen, sie hasste Fleisch und er hasste Gemüse, sie hasste das Sprechen und er das Zuhören.
:herz:

Also ich möchte weiter lesen! :gg:

Hier könnte Ihre Werbung stehen. [url=http://ema.mtv.de/vote/][/url]
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#3

Ich finde es auch sehr interessant.

Bin gespannt wie es mit Anne und Simon weiter geht. Vor allem was hat es mit Annes Narben und Simons Erinnerungen auf sich ?

Schreib bitte weiter Big Grin
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#4

Hach du kennst meine Meinung dazu Wink

ich mag es und es wirft viele Fragen auf, also bin ich beschäftigt und das gefällt mir

und: du inspirierst mich ♥ Hach ich freu mich schon, wenn du erst so richtig in Fahrt kommst ;D

Freundschaft flieߟt aus vielen Quellen, am reinsten aus dem Respekt
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#5

Viel kann man dazu nicht sagen Eek Aber das kommt sicher noch. Also keep going Wink

[INDENT] [SIZE=2]baila bajo la lluvia. [/SIZE]
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#6

Aaaaah. Eine Geschichte von dir! Eigens erfunden. Bin ganz begeistert

Bin dankbar für die kleine Inhaltsangabe. Ist eine von denen, wo ich das Buch nicht gleich aus der Hand legen würde, wenn das hier denn ein Buch wäre. Sondern ich würde reinlesen und wenn mir der Anfang gefällt, dann ist das fabelhaft, denn so was passiert eher selten.

Dein Anfang gefällt mir. Meine Lieblingsstelle ist die, wo Anne das Herbstlaub ins Wasser drückt. Da hat mich dein Schreibstil am meisten berührt und umgehauen.

Ich bin gespannt, was du alles für uns bereit hältst Smile

Life is to express, not to impress.
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#7

wow, toll dass sich so viele so schnell melden! vielen dank dafür! ich habe ein bisschen vorgearbeitet, bevor ich beschlossen hatte, die story online zu stellen, und der prolog war eben wirklich kurz. daher jetzt mit kapitel 1 (immer noch nicht wahnsinnig lang, aber immerhin längerWink ) ein bisschen was für euch zum nachdenken und um ein bisschen in die gegenwart der beiden reinzuschauen.




Eins
2011
Das Feuer flackerte gespenstisch und sprühte Funken in die Luft, denen sie die Hitze förmlich ansehen konnte. Sie konnte nicht entscheiden welche Farbe es hatte, rot, gelb, orange oder blau, vielleicht auch violett? Vielleicht. Die Grenzen schienen zu fließen.
Ihre Chemielehrerin hatte einmal gesagt, dass das Feuer da am heißesten war, wo es blau war. Was sie nicht erwähnt hatte war der Rauch- musste man nicht wissen, dass der Rauch genau so gefährlich war? Sie war an dieser Stelle aus dem Klassenzimmer gestürmt, und dann hatte sie mitten in den Flur gekotzt, wo sie alle sahen.
Und sie hatte aus dem Fenster gesehen, sich weit weg gewünscht, weiter als man auf dieser Erde reisen konnte - und stumm gewartet bis das Zittern sich legte und die verzerrten Gesichter vor ihrem inneren Auge verschwammen.
Auch jetzt wurde ihr wieder eiskalt, denn so mächtig wie die Hitze des Feuers war, wurde ihr doch beim Anblick des Feuers nicht ein mal annähernd warm.
Sie hielt den Atem an und schloss die Augen, doch noch immer hörte sie das Flackern, wie eine Flagge im Sturm. Zählen, flüsterte sie sich zu, eins, zwei, drei...
Sie schrak zurück und riss ihre Arme schützend vors Gesicht.
Dann hörte sie den Knall.


Reiß dich zusammen! schimpfte sie innerlich mit sich selbst. Sie stellte den Stuhl wieder auf, den sie während ihrer "Vision" umgeworfen hatte. Gott war das peinlich, sie benahm sich wie eine Irre!
"Was ist denn mit dir los?" fragte er - mit einem eher unbehaglichen als besorgtem Unterton.
Na prima, wieder einer vergrault, dachte sie nur.
An ihn gewandt murmelte sie:
"'Tschuldigung...Ich war mit den Gedanken woanders... hattest du was gesagt?"
Sie presste sich dicht an die Lehne des Stuhls und schielte misstrauisch auf das Streichholz, das er noch immer in der Hand hielt.
Die Flamme züngelte in der Luft wie ein Fragezeichen, das die Gestalt wandelte und immer Neu wurde, weil es ja schließlich doch keine Frage stellen wollte. Er schaute die Flamme interessiert an und wiederholte nebenbei:
"Ich hatte dich gefragt, ob es dich stört wenn ich rauche."
Man sah ihm an, dass er ihre seltsame Erklärung nicht sehr zufriedenstellend fand.
"Genau genommen: ja.", sagte sie kurz entschlossen.
Das konnte sie ja ohnehin nicht mehr retten. Sie nahm ihre Tasche und legte schnell etwas Geld auf den Tisch, bevor sie aufstand.
Dann schlüpfte sie in ihren Mantel und verschwand, so schnell sie konnte.




Die Türklingel riss ihn aus seinen Tagträumen und er sah auf seinen Funkwecker.
Freitagabend, 20: 33 Uhr. Date Night – und er wusste, wer da an der Tür war. Er lief in Socken und Schlafanzughose zur Tür, als sie schon mit ihrem eigenen Schlüssels durch die Wohnungstür spaziert kam. Wieder fragte er sich, wie sie es so schnell ins vierte Stockwerk schaffte.
„Warum klingelst du eigentlich? Du hast doch einen Schlüssel!“
„Ich hätte dich stören können?“
Sie begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange und ignorierte, dass es da gar nichts brachte, wenn sie sich erst gefühlte zwei Sekunden vor ihrer Ankunft mit ihrem Klingeln ankündigte.
„Aber anscheinend tust du mal wieder nichts.“
„Nichts?“ , fragte er entrüstet, „Ich befinde mich in einem kreativen Prozess und werde irgendwann das Herz einer wunderbaren Frau mit meinen tiefgründigen Gedanken über das Leben in Gedichtform erobern.“
Sie kicherte. „Tiefgründige Gedanken deines halbnackten Selbst? Gib es zu, du bist den ganzen Tag noch nicht aus dem Bett gekommen. Wenn du das Herz einer Frau erobern willst, dann musst du erst mal eine kennen. Du solltest auch mal wieder rausgehen, Simon.“
Er legte den Kopf schief. „So wie du?“, fragte er ironisch und betrachtete sie von oben bis unten, als sie ihren Mantel auszog. Die Narben waren mit dem Alter immer weiter verblasst und sorgfältig überschminkt, doch man sah sie noch gut. In ihrem roten Minikleid über der schwarzen, halbdurchsichtigen Strumpfhose und schwarzen Pumps, deren Absätze in schwindelnde Höhen zu steigen schienen, sah sie wirklich wunderschön aus. Sie boxte ihn gegen die Brust.
„Autsch!“
„Ja, so wie ich.“,fuhr sie ungerührt fort, „Du musst es wenigstens versuchen, Simon, sonst sind dir jegliche Ratschläge verboten - wenn du es selbst nicht mal versuchst... dann will ich auch keine Kommentare über mein gescheitertes Date hören.“
Er rieb sich die immer noch schmerzende Stelle und ging zurück in sein Schlafzimmer, um sich ein Shirt anzuziehen.
„Was war es dieses Mal?“, fragte er nebenbei.
Sie folgte ihm. „Nun, das übliche. Ein langweiliger Raucher.“
Er verschwand in seinem Shirt. „Eher langweilig oder eher Raucher?“, drang seine Stimme gedämpft durch das Shirt.
„Langweilig.“, behauptete sie, setzte sich auf sein Bett und zog Schuhe und Strumpfhose aus.
Sein Kopf erschien durch den Kragen des Shirts und er erhaschte einen Blick auf seinen Wecker.
„Es ist 20 vor neun. Du hast ihn um viertel nach Acht getroffen und bist jetzt schon wieder bei mir. Raucher. Mit selbstgedrehten Zigaretten und Streichhölzern.“
Sie hasste seine Analysen. Aber er hatte Recht. Sie ging an seinen Schrank, nahm eine Jeans heraus, die sie hier gelassen hatte, und klaute ein Hemd von ihm. Dann verschwand sie im Bad, ohne ihm zu antworten. Er seufzte und suchte das Telefon, um Pizza zu bestellen.


Als sie wieder aus dem Bad kam, war es neun Uhr. Sie hatte geduscht, dabei wahrscheinlich wieder sein Bad überschwemmt und es wieder trocken gewischt, und kam gerade ins Wohnzimmer, als der Pizzabote wieder weg war. Simon hatte es sich vor dem Fernseher bequem gemacht, als er entdeckt hatte, dass heute „Der Pate“ I-III in einem Marathon gesendet wurde.
Sie ließ sich neben ihn fallen, schnappte sich die Hawaii-Pizza und sortierte den Schinken an den Rand, während er die kleinen Paprikastücke von seiner Salamipizza fischte.
„Du musst das in den Griff kriegen. Annie.“, sagte er plötzlich,
als auf dem Bildschirm gerade ein Pferdekopf in einem Bett gefunden wurde.
„Keine Kommentare, Schatz.“, erinnerte sie ihn und biss in die Pizza.


Nach dem zweiten Film schlief er tief und fest. Sie lächelte, als sie es bemerkte, stand auf und deckte ihn zu. Wer ihn kannte, wusste, dass seine energiegeladene Art außerhalb seiner vier Wände nur damit zu tun hatte, dass er einen Großteil der Zeit schlief oder Tagträumen nachhing,wobei er letzteres gern als „kreativen Prozess“ bezeichnete, aber nie etwas von seiner tiefgründigen Dichtung an die Öffentlichkeit gelangen ließ. Manchmal bezweifelte sie, dass es diese Dichtung überhaupt gab, obwohl sie seine dutzenden Notizbücher gesehen hatte.
Sie hielt diesen Gedanken fest und tapste vorsichtig zur Wohnzimmertür. Sie wusste, dass er sofort aufwachen würde, wenn sie den Fernseher ausschaltete, also ließ sie diesen an und verschwand leise in sein Schlafzimmer.


Sein Bücherregal war voll von bunten Buchrücken, doch die unterste Reihe war komplett mit schwarzen Notizbüchern angefüllt. Anne kniete sich davor und fuhr mit dem Finger über die schwarze Oberfläche. Die Bücher waren eingestaubt, und sie wischte sie rasch mit dem Ärmel komplett ab, damit er nicht bemerkte, dass sie sie angesehen hatte. Sie zog das erste Buch heraus und las die erste Seite.


19.02. 2003
Ich seh aus dem Fenster
Mondlicht über den Bäumen
wach lieg ich in Angst
von der Zukunft zu träumen.


Sie lächelte schief und rechnete sein Alter zum Zeitpunkt des angegebenen Zeitpunktes aus. „Nicht schlecht für einen Fünfzehnjährigen.“, befand sie dann und schloss das Notizbuch, bevor sie es wieder in das Regal zurückschob.
Sie konnte ihre Neugier nicht bremsen. Als nächstes zog sie ein Buch aus der Mitte heraus und schlug es auch in der Mitte auf.


28.05. 2008
Die Maskenbildnerin
Sie steht vor dem Spiegel
wie sie ist:
Die Haare zerzaust
wie ihre Gedanken,
unter den Augen Ringe,
dunkel wie ihre Laune,
aufgebissene Lippen,
Sinnbild ihrer selbst.


Sie schlug das Buch zu. An wen hatte er gedacht, als er das geschrieben hatte? Sie rechnete zurück und überlegte, wer zu diesem Zeitpunkt seine Freundin gewesen war, aber sie konnte sich nicht erinnern. Seine Exfreundinnen hießen in ihrem Kopf alle Steffi, waren Blond und hatten falsche Fingernägel. Sie wusste dass es auch die ein oder andere dunkelhaarige Annika gegeben hatte, die backen konnte und eigentlich ganz nett war, aber zuordnen konnte sie sein beeindruckendes Exfreundinneninventar nicht. Sie schüttelte den Kopf, dann öffnete sie das Notizbuch vorsichtig wieder, um weiter zu lesen.


Als Erstes wäscht sie
die Realität ab.
Sie kämmt die Haare
zu einer ordentlichen Frisur
Sie legt Make Up
über die Augenringe.
Am Ende malt sie sich sorgfältig
ein Lächeln ins Gesicht.


Und sie grüßt
sich selbst
mit diesem Lächeln,
wie jeden anderen
bei dem sie
beim besten Willen
vergessen hat,
wer er eigentlich ist.


Sie ließ das Gedicht auf sich wirken. Achtzehn Jahre alt war er gewesen, er hatte das Heim gerade Verlassen und eine Stelle in der Stadt angenommen. Vielleicht eine Kollegin?
Sie stellte das Buch nachdenklich zurück und fuhr mit ihrem Finger weiter über die Buchrücken, bis sie zum letzten Buch im Regal kam. Doch sie nahm es nicht heraus. Was er in dieses Buch geschrieben hatte, waren zu frische Dinge, die ihn immer noch beschäftigten, und sie wollte sein Vertrauen nicht missbrauchen - nicht noch weiter als sie es möglicherweise mit dem Lesen der anderen Gedichte schon getan hatte.


Sie öffnete die Tür zum Wohnzimmer einen Spalt breit und sah, dass er immernoch schlief.
Leise schlüpfte sie ins Wohnzimmer, um ins Bad zu gelangen und sich die Zähne zu putzen. Auf ihrem Rückweg in sein Zimmer deckte sie ihn noch mal zu, dann verschwand sie wieder im Schlafzimmer. Anne zog ihre Jeans aus und schlüpfte in sein Bett, dann löschte sie das Licht und sah auf das Bücherregal, das selbst im Halbdunkel noch bunt schien.
Sie hatte sich immer gefragt, wie er so viel lesen konnte, aber sie schätzte, dass sie die Antwort auf diese Frage genau so wenig verstehen würde wie die, die er ihr gegeben hatte, als sie ihn gefragt hatte warum er so gern einfach nur die Decke anstarrte.

I'm feeling lonely but what can you do?
It's only when its dark I'm thinking of you.

(Fallulah)
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#8

also erstmal ein feedback zu deinem Prolog:

klingt bisher sehr interessant, aber ein bisschen "schmucklos".
Also ein bisschen mehr Beschreibungen, die die Umgebung und das Geschehen lebendiger machen. Beispielsweise hier
Zitat:Ja, die Narben. Die sah auch Simon als erstes, als er die Zimmertür einen Spalt breit öffnete.
Sie waren nicht zu übersehen: Eine zierte ihre Wange, eine ihren Hals und die dritte ihren Rechten Unterarm, vom Ellenbogen bis zum Handgelenk.
hätte ich mir eine genauere Beschreibung gewünscht, da die Narben wohl eine wichtige Rolle spielen. Sind es tiefe Narben, glatt wie von Schnitten oder wülstig wie von Feuer,... (aber vielleicht nehme ich das auch vorweg und du hattest es später noch geplant, schließlich isses nur ein Prolog)
Mir persönlich geht das alles auch ein bisschen zu schnell, zu wenig Beschreibungen, was zwischen den einzelnen Handlungsschritten passiert.
Vor allem die Handlung am See. Zack, er ist da. Zack, er holt ihren Rucksack. Kleine Ausschmückungen würden das ganze viel angenehmer zu lesen machen, zumindest für mich Smile

So und nun widme ich mich dem ersten Kapitel, vllt muss ich ja dann alles nochmal über den Haufen werfen xD

I need Money for a Unicorn.
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#9

vielen dank für dein ausführliches feedbackSmile

Zitat:(aber vielleicht nehme ich das auch vorweg und du hattest es später noch geplant, schließlich isses nur ein Prolog)

bingoSmile

Zitat:Vor allem die Handlung am See. Zack, er ist da. Zack, er holt ihren Rucksack. Kleine Ausschmückungen würden das ganze viel angenehmer zu lesen machen, zumindest für mich Smile

genau das gefühl ist es eigentlich, das rüber kommen soll... er ist da, ignoriert was sie sagt, macht was er will/für richtig hält und ist wieder weg. anne wird sich wahrscheinlich genau so gefühlt haben wie du, als du es gelesen hast: "hä?"
(jedenfalls hoffe ich ein bisschen, dass du das gedacht hastWink )

bin gespannt auf deine meinung zum 1ten kapitelSmile

I'm feeling lonely but what can you do?
It's only when its dark I'm thinking of you.

(Fallulah)
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#10

Huii. Also ich hab ja schon gewisse Vorstellungen, worums da geht. Kleines Fizi-Kritikpünktchen: Bisschen fehlts mir noch an Spannung.
Das mit den Gedichten find ich ne super Idee, echt schön, so kannst du dich gleich doppelt verwirklichen Smile
Hoff, die Story bekommt noch ihre eigene Dynamik, wär echt super. Bin gespannt wies weitergeht.

[INDENT] [SIZE=2]baila bajo la lluvia. [/SIZE]
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