~*Damals und heute*~
#11

~*Kapitel 2*~

New Haven, Sommer 2004

Nervös wartete Rory vor dem Büro ihrer Literaturprofessorin und ging in Gedanken noch einmal ihre Argumente durch. Der Aufsatz war gut, sie hatte hart an ihm gearbeitet und alles erwähnt was es über expressionistische Literatur zu erwähnen gab. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Seit geschlagenen 37 Minuten war dieser Typ jetzt schon in Professor Lowells Büro. Was konnte denn der schon Wichtiges mit ihr zu besprechen haben – sie war es schließlich die eine Vier bekommen hatte.
Die Tür öffnete sich und ein grinsender junger Mann trat auf den Gang. „Du bist jetzt dran,“ er zwinkerte ihr zu. „Die Alte ist verdammt gut drauf heute.“
Rory runzelte skeptisch die Stirn und betrat das Zimmer zögernd. „Professor Lowell?“ Wie beim letzten Mal saß die Professorin hinter ihrem großen Schreibtisch und las in einem der zahlreichen Hefter die darauf verstreut lagen.
„Ms. Gilmore, es freut mich sie zu sehen. Bitte – “ sie deutete auf den freien Stuhl vor ihrem Tisch. Als Rory sich gesetzt hatte, fuhr sie fort. „Ich nehme an, sie möchten ihren Aufsatz mit mir besprechen?“
Ihr Gegenüber nickte leicht verwirrt. „Genau. Es, es ist nämlich so, ähm, ich habe viel Zeit und Arbeit in ihn investiert und ich denke....“
„Sie denken eine Vier wird dem nicht gerecht,“ vollendete Professor Lowell den Satz. Sie nahm einen blauen Ordner zur Hand und begann darin zu blättern. „Die Merkmale expressionistische Literatur von Rory Gilmore. Trakl, Sternheim, Hasenclever, Döblin, – sie haben wirklich sehr gründlich recherchiert....Der Mensch schreit nach seiner Seele, die ganze Zeit wird ein einziger Notschrei. Auch die Kunst schreit mit, in die Tiefe der Finsternis hinein, sie schreit nach Hilfe, sie schreit nach Geist: das ist der Expressionismus.“ Rory rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum, während die alte Frau aus ihrem Aufsatz las.
„Hermann Bahr. Ich finde das ist eine sehr treffende Beschreibung des Expressionismus.“
„Allerdings.“ Lowell klappte den Ordner zu und reichte ihn Rory. „Sehen sie Ms. Gilmore ihr Aufsatz enthält jede Menge Fakten, Zahlen, Daten und Zitate. Ich bin mir sicher sie haben viel Zeit investiert und ich habe seit Jahren kein so ausführliches Literaturverzeichnis mehr gesehen“ Sie machte eine kleine Pause und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Aber offengestanden mangelt es diesem Aufsatz an der notwendigen Lebendigkeit.“
„Lebendigkeit?“ entgegnete Rory verwirrt.
„Exakt. Die jungen Menschen heutzutage haben einfach keinerlei Gefühl mehr für die schönen, die geistigen Dinge des Lebens. Für die Kunst. Sie wissen zwar wie sie an Informationen kommen, aber nicht wie sie diese formulieren sollen. Die Aufsätze sind schlicht und einfach langweilig.“
„Aber –“ Rory sah sie mit offenem Mund an.
„Ich halte Vorlesungen über Literatur, Ms. Gilmore. Ich muss diese Aufsätze nicht lesen um etwas über Literatur zu erfahren. Ich müsste sie nicht einmal lesen um sie zu benoten. Es ist immer das Gleiche. Dieselben Quellen, dieselben Zitate – ich möchte am liebsten jedesmal laut schreien, wenn ich Bahrs Worte über den Expressionismus lese. Und glauben sie mir, ich lese sie oft, sie stehen in jedem einzelnen Aufsatz über dieses Thema. Warum geben sie ihrem Metzger nicht ein Exemplar der „Menschheitsdämmerung“ und fragen ihn nach seiner Definition expressionistischer Literatur? Das wäre doch mal eine angenehme Abwechslung, finden sie nicht?“
„Nun ja – “ Auf der Suche nach einer passenden Antwort legte Rory ihre Stirn in Falten. „Ich weiß es nicht,“ gab sie nach einer Weile kleinlaut zu.
Professor Lowell nickte zufrieden. „Sie wissen es nicht. Keiner weiß es. Deshalb gibt es in Yale ein Projekt das den Studenten nun sagen wir mal `Kreativität´ vermitteln soll.“ Sie nahm ihre Lesebrille ab und sah ihre verblüffte Studentin an.
„Projekt. Kreativität“ war alles was diese hervorbrachte.
„Sie sagen es. Ich kann ihnen natürlich nichts versprechen, wir sind schließlich in der Mitte des Semesters, aber ich werde versuchen sie darin unterzubringen.“
„Ähm – in Ordnung?“ Rory schluckte.
„Sehr schön, sie können jetzt gehen.“ Die Professorin griff nach ihrer Brille und vertiefte sich wieder in ihre Lektüre, während Rory ratlos ihr Büro verließ.

Hartford, Frühjahr 1967

Erschöpft lehnte sich Emily an die Haustür. Es war weit nach Mitternacht und die letzten Gäste hatten sich erst jetzt verabschiedet. Sie fischte mit einer Hand nach ihrem rechten Schuh und sah Richard seufzend an „Gott, ich bin am Ende. Diese Schuhe bringen mich noch um.“
„Kein Wunder, du bist schließlich ständig von Gast zu Gast gerannt.“ Richard legte seine Arme um ihre Hüften. „Ich hatte nicht ein einziges Mal die Gelegenheit mit dir zu tanzen oder dir zu sagen wie bezaubernd du heute Abend aussiehst.“
Er beugte sich herunter um Emily zu küssen, doch diese wehrte ab. „Richard! Das Personal ist noch hier.“
Er sah sich um. „Du meinst die Männer in den weißen Anzügen?“
„Ganz recht.“ Emily sah ihren Mann mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„So wie der Oberkellner dich den ganzen Abend angesehen hat, würde er jetzt gerne dasselbe tun.“
„Hat er nicht,“ protestierte sie, warf allerdings einen skeptischen Blick in Richtung Küche.
„Dann werde ich mich wohl geirrt haben.“ Er strich eine Strähne die sich aus Emilys hochgestecktem Haar gelöst hatte hinter ihr Ohr. „Ich jedenfalls habe mich den ganzen Abend gefragt wer wohl diese schöne Frau in dem grünen Kleid ist, bis mir glücklicherweise wieder einfiel dass ich mit ihr verheiratet bin. Von da an wollte ich nur noch gefährlich eng mit dir tanzen. Ein Verlangen das übrigens unvermindert anhält.“
Emily legte ihre Arme um seinen Hals „Tanzen?“
„Das – oder dich zu einem kleinen Spaziergang durch den Garten überreden, um das hier zu tun,“ er zog sie noch näher an sich und küsste sie zärtlich.
„Richard Gilmore, du bist ein schamloser Mann. Ich weiß wirklich nicht weshalb ich dich geheiratet habe.“
Richard lächelte. „Ach nein?“
Sie legte ihren Kopf schief und sah ihn mit funkelnden Augen an. „Aber du könntest meinem Gedächtnis vielleicht auf die Sprünge helfen.“
„Nichts leichter als das“ antwortete Richard und küsste sie erneut.
„Nun?“ fragte er sie schließlich erwartungsvoll und Emily legte ihre Stirn nachdenklich in Falten. „Tut mir leid, nichts. Aber vielleicht sollten wir das Ganze zur Sicherheit noch einmal wiederholen, wer weiß ob es mir dann wieder einfällt.“

~*~*~*~

Schlaftrunken öffnete Emily die Augen und sah wie ihr Mann so leise wie möglich versuchte das Zimmer zu verlassen. „Richard?“ Er drehte sich um „Schlaf weiter, Liebling.“
Emily richtete sich auf „Weshalb bist du denn schon auf? Es ist Sonntag,“ sie sah auf den Wecker. „Es ist erst halb sechs....“
„Ich weiß, aber meine Mutter hat mich gebeten sie heute zu einer Wohltätigkeitsauktion in Adelaide zu begleiten. Stephen Lott wird auch da sein und Trix meinte es wäre eine wunderbare Gelegenheit ihn vielleicht doch noch davon zu überzeugen bei uns versichert zu bleiben.“ Richard drückte seiner Frau einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. „Es könnte später werden, du brauchst also nicht mit dem Essen auf mich zu warten.“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer, während Emily sich wieder auf ihr Kissen fallen lies und resigniert die Decke anstarrte.

Stars Hollow, Sommer 2004

Das Diner war beinahe leer, lediglich ein paar vereinzelte Gäste saßen an den Tischen. Luke sammelte ein paar leere Teller ein und brachte sie in die Küche. Lorelei beobachtete ihn aufmerksam, sah jedoch jedesmal schnell in eine andere Richtung, wenn er sich zu ihr umdrehte. Luke griff nach der Kaffeekanne, um Kirk Kaffee nachzuschenken, stellte sie jedoch genervt wieder zurück und ging an Loreleis Tisch.
„Du starrst mich an.“
Mit gespielter Überraschung sah sie von der Speisekarte auf. „Bitte?“
„Du starrst mich an.“
„Ich starre dich nicht an.“
„Doch, tust du.“ Er stemmte die Hände in die Hüften und sah Lorelei an.
Die legte die Karte auf den Tisch und zog eine Schnute. „Habe ich nicht.......Na schön. Vielleicht.“ Sie presste Daumen und Zeigefinger aufeinander. „Aber nur so ein ganz kleines bisschen. Verzeihst du mir?“ fügte sie Augen klimpernd hinzu.
„Wieso?“
„Na weil ich eine unglaublich schöne und charmante Frau bin.“
„Nein, ich meine wieso starrst du mich an?“
Sie verdrehte die Augen. „Na weil ich dich mag. Weil wir ein Paar sind. Weil du, ähm, weil du so unglaublich gut aussiehst.“
Luke stützte sich auf den Tisch und beugte sich zu Lorelei. „Was willst du?“
„Nichts. Ehrlich.“ Lorelei lies sich langsam unter den Tisch gleiten. „Vielleicht nur eine ganz kleine sozusagen winzige Kleinigkeit.“ Sie senkte den Kopf und murmelte etwas, aber Luke schüttelte nur verständnislos den Kopf „Was?“
„Mmmmmpf, mmmmpfrf mrrrr mpfh.“ erwiderte Lorelei etwas lauter.
„Laß das Lorelei, ich versteh kein Wort!“
„Mmmmmpf, mmmmpfrf mrrrr mpfhhhh.“
„Du willst nicht mit mir reden, bitte, rede nicht mit mir. Und hör auf mich anzustarren.“ Er ging zurück zum Tresen und füllte Kirks Kaffee nach.
„Danke sehr.“ Kirk deutete auf Lorelei „Sie starrt dich übrigens immer noch an.“
"Das glaub ich einfach nicht." Luke stürmte an ihren Tisch. „Es reicht! Sag mir endlich was los ist oder ich werde dafür sorgen das du in ganz Conneticut keinen Kaffee mehr kriegst!“ Um seine Drohung zu unterstreichen nahm er Lorelei ihre Tasse weg. „Und zwar nie mehr! Also? Ich höre..“
Lorelei hob schützend die Hände über ihren Kopf. „Meine Mutter hat uns zum Essen eingeladen.“ Stirnrunzelnd blickte sie erst nach links und dann nach rechts. Stille. „Luke?“ Vorsichtig spähte Lorelei durch ihre Finger. „Luke?“ Sie lies ihre Deckung fallen. „Sag doch was....“
Luke blinzelte, löste sich aus seiner Starre und sah Lorelei entgeistert an. „Wieso hast du ihr das von uns erzählt?“
“Bitte? Ich“ Sie riss die Augen auf und deutete empört mit beiden Fingern auf sich. „Du meinst mich? Ich hab es ihr ganz bestimmt nicht erzählt. Ich unterhalte mich mit meiner Mutter nicht über private Dinge.“
„Und jetzt?“
Lorelei bemächtigte sich wieder ihrer Kaffeetasse, trank einen Schluck und zuckte mit den Achseln. „Du musst jetzt sehr tapfer sein, Cowboy.“ Sie sah ihn lächelnd an. „Und hol schon mal deine Sonntagsmütze aus dem Schrank, denn - “
Kirk unterbrach sie. „Dauert das noch lange? Ich würde gerne noch was bestellen.“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal froh wäre Kirks Stimme zu hören.“ Luke zog leicht verlegen an seinem Hemd. „Tja....“
„Tja..“ Die beiden nickten und Luke ging zurück an den Tresen, während Lorelei ihm ein „Denk dran, du tust es für mich“ hinterher rief.

New York, Frühjahr 1967

Ohne Jerusha zu begrüßen, stürzte Emily in das kleine Appartement und marschierte zielsicher auf den Kühlschrank zu. Sie holte eine Flasche Wodka hervor, goß sich ein Glas ein und leerte es in einem Zug. „Ich fasse es einfach nicht.“ Sie schenkte sich nach und ließ sich in einen alten Ledersessel fallen. „Das ist einfach unfassbar.“
„Oh, okay.“ Jerusha nahm ihr das Glas aus der Hand.
„Gib mir das Glas zurück.“
„Es ist sieben Uhr morgens, Emily. Um sieben Uhr morgens trinkt man Kaffee.“ Sie ging zum Herd und setzte Kaffeewasser auf. „Was machst du überhaupt hier? Ich dachte du wolltest den heutigen Tag damit verbringen dir von Richard Komplimente machen zu lassen.“
„Nun –“ Emily sah ihre Freundin an und konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Hey, Em...“ Jerusha nahm sie in den Arm. „Was hast du denn?“ fragte sie mit leiser Stimme.
„Nichts, es ist nur.....Ich kann das nicht. Ich kann es einfach nicht. Ich bin eine miserable Ehefrau.“
„Was redest du da denn für einen Unsinn, Süße?“ Sie wischte Emily die Tränen aus dem Gesicht. „Du bist ‘ne tolle Ehefrau“
Emily schniefte, „Das sagst du.“
„Richard würde das auch sagen.“
„Er vielleicht, aber seine Mutter nicht. Und sie hat Recht, ich meine Richard verliert vielleicht einen wichtigen Kunden und ich bin schuld daran. Gute Ehefrauen machen so etwas nicht,“ erwiderte sie schluchzend. „Pennilyn hat sich mit Stephen Lott verlobt und ich wußte nichts davon. Ich hätte es aber wissen müssen, ich hätte die beiden zu unserer Party einladen müssen, ihnen gratulieren, was weiß ich – siehst du: ich weiß es nicht. Eine gute Ehefrau wüßte es nämlich. Lorelei hat es gewusst und jetzt ist sie mit Richard in Adelaide und tut das was eine gute Ehefrau tut .“
Jerusha verzog das Gesicht. „Gott, ich hoffe nicht.“ Sie griff nach einer Packung Taschentücher und reichte sie Emily. „Jetzt putz dir erst mal die Nase und dann versprichst du mir endlich damit aufzuhören, dich von dieser Frau verrückt machen zu lassen.“
„Das kann ich nicht, sie ist Richards Mutter.“
„Und du bist seine Frau.“ Jerusha lächelte ihr aufmunternd zu. „Ein tolle Frau. Also hör damit auf dir ständig den Kopf darüber zu zerbrechen was andere Leute von dir denken.“
„Ach ja – und wie soll ich das deiner Meinung nach schaffen?“
Jerusha zuckte mit den Schultern. „Mach es einfach, bei mir funktioniert es doch auch.“
„Du kannst es dir vielleicht leisten zu tun und zu lassen was du willst,“ entgegnete Emily. „Aber ein gewisser gesellschaftlicher Status erfordert nun mal ein bestimmtes Benehmen. Du lebst in den Tag hinein und machst was du willst, du hast ja auch keinen Ruf zu verlieren. Ich schon.“ Sie schloss die Augen und holte tief Luft. „Es tut mir leid, ich wollte nicht... ich bin einfach nur am Ende mit den Nerven.“
Jerusha biss sich auf die Lippe „Ich werd uns erst mal ‘nen Kaffee machen.“ Sie stand auf und holte zwei Kaffeetassen aus dem Schrank.
„Es klappt einfach nicht.“ Emily schluckte und sah auf das zerknüllte Papiertaschentuch in ihren Händen.
„Was meinst du?“
„Ich werde einfach nicht schwanger,“ antwortete sie leise.

To be continued


ATN: Sorry, dass ich erst so spät poste – aber ich musste heute ‘ne wilde Katze einfangen und ins Tierheim bringen. Hoffe es gefällt euch und freue mich auf euer Feedback! Riska
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#12

wow, riska!! das war ja megaobersuperklasse!!! Top

To make a prairie, it takes a clover and a bee
One clover, and a bee
And revery
And revery alone will do
if bees are few
(E. Dickinson)
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#13

:dito:

Weiter!

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Sehr stolzes Mitglied in der Luke and Dean Supporters Gang
-der besten Gang der Welt!
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#14

Hey Smile Danke für das Lob *GG* Das dritte Kapitel ist zwar fertig, aber ich bin zurzeit in meiner Stuttgarter Wohnung und da habe ich keinen Internetanschluss und hier im Cafe kann ich die Datei ned hochladen. Wie auch immer: Werd versuchen meinen Nachbarn heute abzufangen und seinen PC zu verwenden!

Riska
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#15

Ich find die Story auch echt klasse und hoffe, dass bald was neues kommt!!!
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#16

au ja! bittebittebitte! *auf und ab hüpf*

ich finde deine ff total super und bin schon ganz "wild" auf den nächsten teil! Top

To make a prairie, it takes a clover and a bee
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(E. Dickinson)
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#17

Wann kommt was neues??? Ich kanns nich abwarten!!!!!!!

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~Emily&Lorelai~All in the Family| Jünger des Emilynismus| It's me![/SIZE]
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#18

Ja, schreib endlich weiter!!

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Sehr stolzes Mitglied in der Luke and Dean Supporters Gang
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#19

~*Kapitel 3*~

Stars Hollow, Sommer 2004

Das Telefon läutete bereits zum dritten Mal und Lorelei wühlte verzweifelt in einem riesigen Berg Wäsche, der auf dem Küchentisch lag. „Verdammt, verdammt, verdammt, irgendwo hier muss es doch sein…“ Der Anrufbeantworter sprang an. „Mom“ Lorelei hastete in die Diele und sah sich suchend um. „Verdammtes Ding. Wo bist Du?“
„Mom? Wenn du da bist, nimm bitte ab!“
Sie drehte sich ratlos im Kreis „Ich bin da, aber das verdammte Telefon ist nicht da.“
„Moooooom!?!“
„Nicht auflegen, nicht auflegen…..ich hab’s gleich……“, ihr Blick blieb an der Wohnzimmercouch hängen.
„Gut, also ruf mich doch bitte zurück, sobald du nach Hause kommst.“
„Ha!“ Lorelei rannte ins Wohnzimmer. „Hab ich dich erwischt!“ Mit einem riesigen Satz hechtete sie auf das Sofa zu und angelte das Telefon aus den Ritzen. „Rory? Rory?“
„Mom, wo warst du? Wieso gehst du nicht ans Telefon?“
„Weil das blöde Ding nie da ist, wenn man es braucht!“ Sie machte es sich auf dem Sofa bequem, griff nach einen Stück Pizza und untersuchte es auf seine Genießbarkeit.
„Vielleicht solltest du einfach netter zu ihm sein“, erwiderte Rory trocken.
Ihre Mutter protestierte. „Ich gebe ihm ein Dach über dem Kopf und versorge es mit Strom, Igitt“, angewidert warf sie die Pizza zurück in den Karton, „mehr kann das hinterhältige Biest nicht von mir erwarten.“
[i]„Du könntest es allerdings auch mal mit aufräumen versuchen.“

Lorelei verdrehte die Augen und stöhnte, „Gott, du hörst dich wie meine Mutter an. Apropos Emily: Sie will, dass ich ihr Luke vorstelle.“
„Woher weiß sie das mit euch? Hast du ihr es etwa erzählt?“
„Nein, natürlich nicht! Wieso glaubt neuerdings eigentlich jeder, ich würde mit ihr über mein Intimleben reden?“
Rory kicherte „Armer Luke. Grandma wird ihn in seine Einzelteile zerlegen.“
„Nicht wenn du es schaffst geschickt das Thema auf dich zu lenken, sobald sie zum Angriff ausholt.“
„Oh, ich befürchte das wird nicht gehen. Ich kann am Freitag nicht zum Dinner kommen.“
Lorelei fuhr hoch „Rory! Das kannst du mir nicht antun.“ Panik lag in ihrer Stimme. „Ich brauche dich. Luke braucht dich. Ohne dich wird das Ganze in einem Desaster enden, schwere Geschütze werden aufgefahren werden und die Welt wird im atomaren Winter versinken. Möchtest du das? Möchtest du für eine Welt ohne Blumen und Sonnenschein verantwortlich sein?“
„Wenn du mich fragst, ist es zurzeit sowieso viel zu heiß. Und was die Blumen angeht: Paris hat mittlerweile gelernt wie man Rosen aus Servietten bastelt.“
„Uns werden sämtliche Haare ausfallen.“
„Ich wird mir ne Perücke kaufen.“
„Rory….bitttteeeeeee“, flehte sie ihre Tochter an.
„Ich würde ja wirklich gerne Mom, aber ich kann nicht. Ich bin nämlich nicht kreativ genug.“
„Du kannst nicht zum Dinner kommen, weil du nicht kreativ genug bist?“
„Behauptet zumindest Professor Lowell.“
Lorelei schüttelte verdutzt den Kopf „Woher will die denn wissen wie es bei den Dinnern meiner Mutter zugeht?“
„Es geht nicht ums Abendessen, sondern um meinen Aufsatz.“
„Was ist mit deinem Aufsatz?“
„Er ist leblos, weil ich nicht kreativ genug bin.“
„Unsinn, du bist sogar sehr kreativ!“
„Ach ja? Nenn mir ein Beispiel.“
„Na ja.“ Lorelei stand auf und ging in die Küche. „Du wolltest das Luke dir ein Regal mit Blümchen drauf baut.“
„Wirklich sehr kreativ.“
Sie klemmte sich das Telefon zwischen Schulter und Ohr und begann die Küche nach etwas Essbarem zu durchsuchen. „Du hast es geschafft meinem Dad ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen das ihm gefällt.“
„Ich habe ich gefragt was er sich wünscht.“
„Du, du – du hast mit ’nem rosa Plüschhammer Häuser für Bedürftige gebaut.“
„Den Hammer hast du mir gebastelt.“
„Aber du hast ihn benützt - hab ich euch endlich!“ Triumphierend zog Lorelei eine angebrochene Tüte Marshmellows aus dem Kühlschrank.
„Nur weil ich spät dran war und deshalb keine Zeit mehr hatte, mir einen Neuen zu besorgen.“
„So sehr schätzt du also die Geschenke deiner Mutter“, erwiderte Lorelei und schob sich zufrieden einen Marshmellow in den Mund. „Und du kannst Freitag wirklich nicht?“
„Nein, denn ich bin jetzt offizielles Mitglied des Yale-Projekts ‚Kunst im Alltag` und werde Freitag und sieben weitere Tage damit verbringen müssen, einem kreativen Menschen über die Schulter zu schauen.“
„Wer denkt sich denn so einen Schwachsinn aus?“
„Keine Ahnung. Aber ich werde meine kreativen Erlebnisse in einem kreativen Artikel für die ’Yale News’ niederschreiben und den Kreativitätsnobelpreis dafür erhalten.“
„Da bin ich mir sicher“, antwortete Lorelei kauend. „ Ich frage mich nur ob die Preisverleihung in den wirren Zeiten eines kalten Krieges überhaupt stattfinden kann.“
„Ich werde auf keinen Fall auf diese Ehre verzichten, nur weil du das Dinner vergeigst. Sei nett.“
„Schon gut, ich werde mein Bestes geben. Aber behaupte hinterher nicht, ich hätte dich nicht vor dem Day after Tomorrow gewarnt!“

Hartford, Sommer 1967

Es war ein lauer Sommerabend und Emily hatte den Tisch im Garten decken lassen. Nervös lief sie um ihn herum, schob hier eine Gabel weiter nach rechts und dort ein Glas weiter nach links. Schließlich trat sie einige Schritte zurück um das Gesamtwerk zu mustern.
„Ich glaube die Kerzenhalter stehen nicht im richtigen Abstand zueinander“, Jerusha war unbemerkt hinter sie getreten.
„Tatsächlich? Dabei habe ich den Abstand zwei Mal nachgemessen.“ Emily sah sie suchend um. „Wo habe ich bloß das verflixte Maßband hingelegt…..“
„Ich habe nur einen Scherz gemacht, Em“, Jerusha schüttelte grinsend den Kopf. „Hallo erstmal“, sie umarmte Emily.
„Schön dich zu sehen“, sie lächelte. „Gut siehst du aus.“
Jerusha knickste „Vielen Dank. Ich kann das Kompliment nur zurückgeben. Und der Tisch sieht auch äußerst elegant aus.“
„Danke – und die Kerzenständer stehen wirklich im richtigen Abstand zueinander?“
„Martha Steward wäre begeistert.“
„Gott sei dank“, Emily holte tief Luft und sah auf ihre Armbanduhr. „Ich frag mich wo Richard bleibt. Seine Eltern werden bald hier sein und das Soufflee wird in sich zusammenfallen wenn es nicht pünktlich serviert wird.“
„Du hast gekocht?“ versuchte Jerusha sie zu necken, aber Emily ging nicht darauf ein.
„Aperitif?“
„Gerne, wenn du einen mittrinkst. Es sei denn…“, sie sah ihre Freundin fragend an, doch die schüttelte den Kopf.
„Oh.“ Jerusha nickte „Tut mir leid.“
„Wie wär’s mit einem Martini?“
„Ähm….Martini wäre phantastisch, danke.“
„Ich bin gleich wieder zurück.“ Emily rang sich ein Lächeln ab und verschwand im Haus, während Jerusha ihr nachdenklich hinterher sah.

Dorham, Sommer 2004

Die Morgensonne fiel durch die großen Fenster des Ateliers und tauchte es in ein warmes Licht. An den Wänden lehnten unzählige Leinwände, der Geruch von Öl und Farbe hing in der Luft und der Ventilator wirbelte blaue Rauchschwaden umher. Eine Zigarette in der einen und einen Pinsel in der anderen Hand stand eine Frau vor einer Staffelei. Rory beobachtete sie eine Weile und klopfte schließlich zögernd an die offen stehende Glastür „Mrs. Bromley?“
Die Malerin drehte sich um und musterte Rory „Was kann ich für sie tun?“
„Ich bin Studentin in Yale und –“sie wurde unterbrochen.
„Gott, dass hatte ich total vergessen.“ Mrs. Bromley legte den Pinsel weg.
„Oh…“ Rory trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Ich kann natürlich auch ein anderes Mal wiederkommen.“
„Nein, nein – komm einfach rein.“ Sie griff nach einem alten Lappen und wischte sich die Hände daran ab. „Tja – ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung was ich mit dir anstellen soll. Ich meine, ich habe mich nicht darum gerissen an diesem Projekt teilzunehmen, und halte es offen gestanden für ziemlich albern.“
„Ich kann auch nicht gerade behaupten es für eine sonderlich tolle Idee zu halten. Aber ich hatte eine Vier, weil ich nicht kreativ genug bin und deshalb….“, verlegen brach sie den Satz ab.
Mrs. Bromley lächelte „Kein Grund rot zu werden, ich hätte in deinem Alter dasselbe getan, ähm….?“
„Oh, wie unhöflich von mir, “ sie streckte die Hand aus. „Ich bin Rory.“
„Freut mich dich kennen zu lernen, Rory. Darf ich dir was anbieten? Kaffe, Tee, Wasser?“
„Ein Kaffee wäre jetzt genau das Richtige.“
„In Ordnung, ich komme gleich wieder.“ Mrs. Bromley lächelte ihr aufmunternd zu. „Du kannst dich ja solange hier umsehen.“
Neugierig ging Rory durch den großen Raum und sah sich die verschieden Bilder darin an. Verwundert stellte sie fest, dass kaum eines dem anderen glich. Die einen waren in dunklen Farben gehalten, die anderen strotzten nur so von kräftigen Farben. Sie blieb schließlich vor der Staffelei stehen und betrachtete die halbfertige Zeichnung eines alten Mannes.
„Gefällt es dir?“ Mrs. Bromley schob einige Farbtuben auf dem Tisch zur Seite und stellte ein Tablett darauf ab.
„Ich kenne mich mit Kunst zwar nicht so aus, aber es sieht wirklich schön aus.“ Rory deutete auf das Bild. „Vor allem seine Augen.“
„Danke“, sie schenkte den Kaffee ein. „Milch und Zucker?“
Rory schüttelte den Kopf. „Nein danke, ich trinke ihn schwarz.“
„Du scheinst Geschmack zu haben.“ Die Malerin reichte ihr zwinkernd eine Tasse.
„Darf ich sie was fragen?“
„Natürlich.“
„Wenn sie das hier für albern halten, warum machen sie es dann?“
„Gute Frage“, sie griff nach einer Schachtel Zigaretten und zündete sich eine an. „Weil mich ein Gericht dazu verdonnert hat.“ Sie bemerkte Rorys verwirrten Blick. „Beamtenbeleidigung, ich muss 70 Stunden allgemeinnützige Arbeit verrichten. Und bevor ich Müll im Park aufsammle, tue ich lieber das hier.“
Rory konnte sich ein Lachen nicht verkneifen „70 Stunden? Wowh, sie müssen ja echt fies gewesen sein.“
„Diese unverschämte Politesse hatte es nicht anders verdient.“ Mrs. Bromley bekam einen verträumten Blick und grinste. „Du hättest ihr entsetztes Gesicht sehen sollen. Es war einfach zu köstlich.“
„Vielleicht sollten wir das mit der Kreativität einfach vergessen, und sie bringen mir stattdessen bei Politessen zu beschimpfen.“
Die Malerin hob ihre Kaffeetasse. „Auf dich Rory, deine Einstellung gefällt mir.“ Klirrend stießen ihre Tassen aneinander.
„Danke, Mrs. Bromley.“
„Oh, und bitte lass doch dieses blöde Gesieze, ich komme mir sonst so alt vor. Nenn mich einfach Jerusha.“

Hartford, Sommer 2004

Lorelei knallte die Tür ihres Jeeps zu und gab Luke letzte Anweisungen. „Rory ist nicht als Puffer da, also versuch die spitzen Bemerkungen meiner Mutter einfach zu überhören, und wechsle das Thema falls ich darauf eingehen sollte.“
„Ich werde mein Bestes geben“, nervös rückte er seine Krawatte zurecht und Lorelei drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Wofür war der denn?“
„Dafür, dass du dich so schick gemacht hast.“ Sie grinste „Und wenn du heute Abend brav bist, gibt es noch mehr davon.“
Luke sah sie an. „Ich nehme an du bezahlst nicht im Voraus?“
„Mmmmhhhh, lass mich überlegen - Nein“, Lorelei drückte auf die Klingel. “Ich will schließlich nicht riskieren, dass du mit der Belohnung abhaust ohne etwas dafür getan zu haben.“ Sie sah ihn augenzwinkernd an. „Und immer schön daran denken: Rory ist nicht als Puffer da, also –“ die Haustür öffnete sich. „Hi Mom.“
„Lorelei.“ Emily begrüßte ihre Tochter lächelnd und sah sie erwartungsvoll an.
„Mom.“ Lorelei begann langsam mit dem Kopf zu nicken als diese nichts erwiderte. „Oh – wie dumm von mir.“ Sie schlug sich mit der Hand an die Stirn. „Mom, das ist Luke – Luke, das ist meine Mom“, stellte sie die beiden einander vor. „Aber eigentlich kennt ihr euch ja schon“, fügte sie zähneknirschend hinzu, während sie Luke einen warnenden Blick zuwarf.
„Ja, ich erinnere mich.“ Emily reichte ihm die Hand „Es freut mich sie wieder zu sehen.“ Sie trat einen Schritt zur Seite und deutete in die Eingangshalle. „Kommt doch herein.“
Luke räusperte sich und betrat das Haus „Danke, Mrs. Gilmore. Wowh“, er nickte anerkennend „Tolles Gebäude.“
Emily strahlte „Danke sehr.“ Sie drehte sich um und ging in den Salon. „Darf ich ihnen einen Aperitif anbieten, Luke?“
„Danke, aber eigentlich…“, er korrigierte sich als er Loreleis Ellenbogen in seiner Seite spürte „Ein Aperitif wäre klasse, danke.“
„Scotch, Martini, Wein –?“
„Scotch auf Eis wäre nett, danke.“
„In Ordnung.“ Sie sah ihre Tochter an. „Lorelei?“
„Gin Tonic ohne Tonic.“ Während Emily damit beschäftigt war die Drinks zu mixen, beugte sie sich zu Luke und begann zu flüstern. „Wir haben Glück, sie scheint heute gut drauf zu sein.“
Emily reichte den Beiden ihre Getränke. „Bitte sehr.“
„Danke sehr, Mrs. Gilmore.“
„Ja, danke Mom.“ Lorelei trank einen großen Schluck Gin und lehnte sich dabei so unauffällig wie möglich zu Luke. „Hör zu, hier findet kein Höflichkeitswettbewerb statt, also hör endlich damit auf jeden Satz mit Danke zu beenden.“
„Nun Luke, ich hoffe sie essen gerne Steaks.“
„Eigentlich nicht“, er ignorierte Loreleis vernichtenden Blick. „Rotes Fleisch verstopft nur die Arterien und führt zu einem langsamen, qualvollen Tod.“
„Oh – sehr vernünftig.“ Emily stand auf. „Dann werde ich Sarah sagen, sie soll noch etwas Fisch auf den Grill legen. Ich hoffe sie mögen Fisch?“
„Ich bin ein leidenschaftlicher Angler, Mrs. Gilmore, danke.“
„Ich bin sofort wieder zurück.“
Lorelei sah Luke mit offenem Mund an. „Was sollte das?“ zischte sie.
„Was? Du hast doch gesagt ich sollte nicht zu höflich sein.“
„Ja, schon – aber ich sagte nicht, dass du am Essen herum mäkeln sollst. Außerdem hast du dich schon wieder bedankt.“
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich das nicht kann. Als ich mich das letzte Mal mit den Eltern meiner Freundin getroffen habe, endete das in einer Katastrophe.“
„Und das sagst du mir erst jetzt?“
„Hey, du hast mich vor vollendete Tatsachen gestellte, “ erwiderte Luke genervt.
„Hätte ich meiner Mutter etwa sagen sollen: Hey, Luke hat bestimmt keinen Bock –“, sie unterbrach den Satz, als Emily wieder ins Zimmer kam.
„So, das wäre erledigt. Was haltete ihr davon, wenn wir schon mal nach draußen gehen?“
Lorelei sah ihre Mutter erstaunt an. „Nach draußen?“
„Ja, ich habe den Tisch im Garten decken lassen.“
„Aber Mom, du hast doch immer gesagt, nur Tiere essen im Freien.“
„Unsinn, Lorelei.“ Sie wandte sich an Luke. „Es wäre doch eine Schande dieses schöne Wetter nicht zu nutzen, finden sie nicht?“

Hartford, Sommer 1967

Während des Dinners herrschte eine gespannte Stimmung, lediglich das gleichförmige Zirpen der Grillen und das Klappern von Besteck auf teurem Porzellan war zu hören. Jerusha schob die Karotten auf ihrem Teller hin und her, während sie die anderen beobachtete und fieberhaft nach einem passenden Gesprächsthema suchte. Zu ihrer Erleichterung brach schließlich Richards Vater die Stille. „Ihr habt wirklich einen reizenden Garten, Richard.“
Seine Frau warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Wenn man von den vielen Insekten absieht, ist es durchaus reizend“, sie sah Emily an. „Ich hoffe lediglich, dass ich nicht allergisch auf die vielen Mückenstiche reagieren werde.“
Ihr Sohn warf ihr einen erstaunten Blick zu. „Aber Trix, du hast doch die Gesundheit eines störrischen Esels. Ich bin mir sicher, dass du selbst die Attacke eines ganzen Mückenschwarms überstehen würdest ohne Schaden davon zu nehmen.“
„Richard, also wirklich“, sie sah ihren Sohn tadelnd an und wandte sich an Jerusha. „Nun, Emily hat mir erzählt, sie seien Künstlerin.“
„Mmmh, ich male“, sie nickte bejahend.
„Wie schön“, Lorelei wischte sich den Mund an ihrer teuren Seidenserviette ab und trank einen Schluck Weißwein. „Wissen sie, ich habe mich schon immer gefragt, weshalb ein so talentierter Mann wie Van Gogh zu Lebzeiten so erfolglos war.“
„Die Menschen zu jener Zeit hatten vermutlich kein Geld um sich Bilder in ihre Häuser zu hängen“, beantwortete ihr Ehemann die Frage.
Diese nickte anerkennend „Ein interessantes Argument, mein Lieber. Was halten sie davon, Jerusha?“
„Nun, ob Geld oder nicht - zuerst einmal müssen die Bildern den Menschen gefallen. Ich würde nichts kaufen, dass mir nicht gefällt – selbst wenn ich das Geld dazu hätte.“
„Das ist wohl war. Wie ist es mit ihren Bildern? Gefallen sie den Menschen?“
Jerusha zuckte mit den Schultern. „Das hoffe ich doch.“
„Haben sie schon eines verkauft?“
„Ähm, nein, leider nicht.“
„Dann scheinen sie den Geschmack der Menschen wohl nicht ganz zu treffen“, sagte Lorelei spöttisch.
Emily räusperte sich „Ihre Bilder sind sehr schön, Mom. Sie hatte bisher einfach kein Glück.“
„Nun, Glück hin oder her, von irgendetwas wird sie leben müssen. Was tun sie um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen?“
„Das ist doch nebensächlich, Mom. Möchte noch jemand etwas Mais?“, versuchte ihre Schwiegertochter vom Thema abzulenken, aber Lorelei blieb beharrlich.
„Es ist ganz und gar nicht nebensächlich, Emily. Du hast mir doch selbst erzählt, dass Jerusha aus Queens stammt. Ich nehme also nicht an, dass ihr Eltern genügend finanziellen Mittel haben um sie zu unterstützen.“
„Nein, haben sie nicht.“ Jerusha biss sich auf die Lippe. „Und um ihre Frage zu beantworten: Zurzeit arbeite ich in einem kleinen Cafe.“
Entsetzen spiegelte sich in Loreleis Augen. „Sie sind Kellnerin?“
„Ganz recht Mrs. Gilmore. Ich arbeite als Kellnerin“, wütend begann sie das Steak auf ihrem Teller in Einzelteile zu zerlegen. „Es kann schließlich nicht jeder mit einem silbernen Löffel im Mund geboren werden.“
Emily warf ihrer Freundin einen flehenden Blick zu. „Ich denke wir sollten das Thema wechseln.“
„Das denke ich nicht, Emily“, sagte Jerusha ruppig. „Ich arbeite hart für mein Geld und habe keine Lust mich deshalb schief von der Seite ansehen zu lassen.“
„Aber niemand sieht dich schief von der Seite an“, versuchte Emily sie zu besänftigen.
„Das sehe ich aber ganz anders.“ Sie knallte ihr Besteck auf den Tisch und stand auf. „Entschuldigt mich bitte für einen Augenblick.“
Lorelei warf ihrer Schwiegertochter einen empörten Blick zu. „Also wirklich Emily, ich kann nicht verstehen wie du uns mit einer derartigen Person an einen Tisch setzen konntest.“
„Ich –“, sie warf Richard einen hilfesuchenden Blick zu.
„Emily und Jerusha sind seit Jahren miteinander befreundet Trix.“
„Das weiß ich Richard, aber ich verstehe nicht, wie deine Frau sich mit einem Dienstmädchen anfreunden konnte.“
Emily warf ihre Serviette zur Seite. „Ich denke ich sollte nach dem Nachtisch sehen.“

Sie ging ins Haus und fand Jerusha rauchend auf der Treppe vor. „Was sollte das eben?“
„Was das sollte? Du warst doch dabei. Sie hat mich angesehen, als ob ich eine Kriminelle wäre“, erwiderte Jerusha scharf.
Emily schüttelte fassungslos den Kopf. „Das ist ja wohl kein Grund sich so aufzuführen.“
„Ich bin nur Kellnerin, schon vergessen? Also kannst du wohl kaum so etwas wie Manieren von mir erwarten.“
„Das ist doch Unsinn, Jerusha, das weißt du ganz genau“, sie sah ihre Freundin an. „Weshalb musstest du ihr überhaupt sagen, dass du in einem Café arbeitest?“
Jerusha hob fassungslos die Hände „Sie hat mich danach gefragt.“
„Du hättest dir was anderes ausdenken können. Du hättest sagen können, du hättest eine kleinen Erbschaft gemacht.“
„Ich hätte mir was ausdenken können?“ Sie stand auf und ging auf die Eingangshalle zu. „Denk du dir lieber eine gute Erklärung dafür aus, weshalb ich gegangen bin.“
Emily lief hier hinterher. „Das ist doch nicht dein Ernst. Du kannst doch jetzt nicht gehen!“ Sie stellte sich ihr in den Weg. „Das wäre unhöflich und kindisch.“
„Dann ist es eben unhöflich und kindisch“, zischte Jerusha. „Ich werde jedenfalls keine Minute länger hier bleiben!“
„Lorelei hat sich mittlerweile bestimmt wieder beruhigt.“
„Es geht hier nicht um Lorelei, sondern um dich.“
„Um mich?“, fragte Emily ungläubig.
„Ja, um dich. Darum, dass es dir ganz offensichtlich peinlich ist, mit mir befreundet zu sein.“
„Das ist doch gar nicht wahr.“
„Ach nein? Weshalb hast du dann nichts gesagt? Wieso hast du mir nicht geholfen als Lorelei auf mich losgegangen ist?“
Emily schüttelte verzweifelt den Kopf. „Das hätte doch nur noch alles schlimmer gemacht.“
„Na und wenn schon!?!“
„Du verstehst das nicht, Jerusha. Sie ist meine Schwiegermutter, Richard himmelt sie an. Ich kann nicht einfach –“
Jerusha unterbrach sie. „Du bist so ein Snob, Emily.“
Mit diesen Worten lies sie Emily stehen und warf krachend die Haustür hinter sich zu.

To be continued.

ATN: Hoffe das Kapitel ist nach eurem Geschmack und ihr hatte viel Spaß beim lesen;-) Freu mich wie immer auf euer Feedback! Riska PS: Sorry, dass ihr solange warten musstet, aber mein Nachbar hat sich in den letzten Tagen rar gemacht! Dafür könnt ihr euch schon mal auf ein – wie ich glaube – relativ gutes Kapitel 4 freuen;-)
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#20

hey, riska!

auch wenn wir etwas länger warten mussten: es hat sich definitiv gelohnt! das war spitzenklasse! Top Top

tja, unsere schöne überlegung ist ja jetzt auch hinüber... rorys professor ist also nicht jerusha! =) aber immerhin hatten wir insofern recht, als dass es zoff zwischen emily und ihr gab Smile

wie gesagt: das war wieder gaaanz toll!

To make a prairie, it takes a clover and a bee
One clover, and a bee
And revery
And revery alone will do
if bees are few
(E. Dickinson)
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