Der Sonntag hatte es in sich. Richard, ihre Eltern, Richard, Hope, Richard, das namenlose Kind, Richard, spätestens die Mitternachtsvorstellung hat ihr den Rest gegeben. Emily ist hundemüde und will nur noch ins Bett. AuÃerdem tun ihr ihre FüÃe weh und ihr Rücken zieht noch erbärmlicher als am Mittag. Manchmal fragt sie sich, was er wohl in ein paar Jahren machen wird, wenn sie sich jetzt schon hin und wieder wie eine furchtbar alte Frau fühlt.
"Wo warst du so lange?", begrüÃt sie Louis deshalb auch Recht ungehalten, als er nach zwanzig Minuten Wartezeit endlich an den Docks auftaucht. Dabei ist sie ihm nicht wirklich böse, man kann Louis nicht böse sein. Wenn man davon absieht, dass er jedem Rock in der Stadt hinterherläuft, denkt Emily sich, dann hat Silvia es gar nicht Mal so übel mit ihm getroffen. Louis sieht gut aus, ist gut gebaut. Eindeutig ein guter Liebhaber, wenn er auch nicht an Richard heranreicht. Wobei Richard eigentlich nicht zählt, er kennt schlieÃlich nur sie, kein Wunder also, dass er genau weià wie und wo er sie berühren muss. Emily schiebt den Buchhalter zur Seite und konzentriert sich wieder auf Louis.
"Geschäfte", erklärt dieser seine Verspätung und seine Zähne blitzen in der Dunkelheit hell auf.
"Hast du sie dabei?", erkundigt sie sich und ihr Gegenüber nickt, zieht eine braune Papierpackung aus seiner Tasche.
"Mit besten GrüÃen von den Gottesverächtern und Teufelsanbetern", reicht er ihr die Tüte. "Du wirst in der Hölle schmoren, Schätzchen."
Emily kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, die scheinheiligen Hetzkampagnen gegen die Pille amüsieren sie zunehmend.
"Selbst wenn diese Priester und Nonnen sich auf den Kopf stellen", entgegnet sie deshalb. "Von mir kriegen sie keinen christlichen Nachwuchs."
"Selbst wenn du welchen hättest, Emmy, wäre er garantiert nicht christlich."
"Du kränkst mich", sie hebt die Augenbrauen und reicht Louis ein Bündel Scheine, doch er schüttelt abwehrend den Kopf.
"Lass Mal", sagt er. "Ich hab die Woche genug verdient."
"Selbst wenn du deine erste Million gemacht hättest", erklärt sie mit einem Lächeln und steckt die Scheine in seine Jackentasche. "Ich würde trotzdem bezahlen."
"Wie du willst", gibt Louis nach, vermutlich will er eine der zahlreichen Ich zahle-Diskussionen vermeiden, die sie in den letzten Wochen immer wieder geführt haben, ehe sie miteinander gevögelt haben.
"Ich will", antwortet sie und fährt seine Lippen entlang. "Was ist mit dir?", haucht sie und Louis lässt sich nicht zwei Mal bitten.
Sie ordnet ihr zerzaustes Haar notdürftig im Rückspiegel von Louis verrostetem Pick-Up, er beobachtet sie dabei mit einem Grinsen.
"Was?", erkundigt sie sich, ihre Augen funkeln amüsiert.
"Ihr Weiber seid doch alle gleich, ein Spiegel und ihr habt stundenlang was zu tun", antwortet er und reicht ihr seine Zigarette, Emily nimmt einen tiefen Zug.
"Fährst du mich nach Hause?", fragt sie ihn ohne auf seinen Kommentar einzugehen. "Ich habe keine Lust auf eine überfüllte U-Bahn."
"Eigentlich wartet Silvia auf mich."
"Aber genügend Zeit für eine schnelle Nummer hattest du?", neckt sie ihn und er lässt den Wagen mit einem zustimmenden Brummen an, dirigiert ihn auf die StraÃen. Während er den Pick Up durch die StraÃen New Yorks kutschiert, raucht Emily schweigend die Zigarette zu Ende und wirft sie anschlieÃend aus dem Fenster auf die 7th Avenue.
"Sag Mal", setzt Louis nach einer Weile vorsichtig an. "Könntest du mir einen Gefallen tun, Emmy?"
"Kommt ganz darauf an", willigt sie vorsichtig ein.
"Es, nun ja, du hast doch, also du und Abe", beginnt er nur langsam mit der Sprache herauszurücken. "Jedenfalls weià jeder, dass du einen guten Draht zu ihm hast. Ich meine, er ist total verschossen in dich."
"Ist das so?"
"Ach komm schon", Louis wirft ihr einen flüchtigen Seitenblick zu. "Tu nicht so, als ob du es nicht bemerkt hättest."
"Wenn es so wäre - was willst du von Abe, dass du ihn nicht selbst fragen kannst?"
Louis kommt an einer roten Ampel zum stehen, trommelt ungeduldig auf das Lenkrad und räuspert sich ein paar Mal, bevor er endlich zur Sache kommt. "Es geht um seinen neuen Club in Philadelphia. Silvia will unbedingt hin. Ich meine - Philadelphia. Was will sie denn bitte da? AuÃerdem sind meine Geschäfte hier", ein Schnalzen mit der Zunge. " Es läuft so gut wie nie, ich kann jetzt nicht weg."
"Moment", wendet Emily ein. "Wenn ich das richtig verstehe, dann soll ich Abe darum bitten, dass er Silvia nicht in Philadelphia tanzen lässt?"
"Genau", bestätigt er, während er wieder anfährt.
Obwohl sie Silvia nicht mag, muss sie nicht lange darüber nachdenken. "Nein", lehnt sie ab. "Ich mische mich da lieber nicht ein. Mal ganz davon abgesehen, dass es Silvias Entscheidung ist, wo sie arbeiten will."
"Komm schon, Emmy. Ich weià echt nicht mehr, was ich noch machen soll. Ich hab mir den Mund fusselig geredet, aber sie hört mir einfach nicht zu."
"Dann lass sie doch gehen", schlägt sie mit einem Schulterzucken vor.
"Nein!", ruft er entsetzt aus. "Ich liebe sie, verdammt, wir wollen heiraten."
Emily verdreht die Augen und zischt belustigt. "Und deshalb vögelst du mit mir? Mit Katie und Amber und Susan und Gretchen und Jenny und Olive", fängt sie an diverse Frauennamen aufzuzählen, sie könnte vermutlich bis in alle Ewigkeit so weitermachen, doch Louis unterbricht sie.
"Das hat doch damit nichts zu tun."
"Das hat es sehr wohl, Spinner. Wenn du Silvia lieben würdest, würdest du sie nicht betrügen."
"Wenn ich sie nicht lieben würde, dann würde ich mit noch viel mehr Frauen vögeln."
"Ich denke da ist sie anderer Ansicht."
"Abe lässt dich doch auch rummachen."
"Ohhoho -", wehrt sie ab. "Ich habe keine Beziehung mit Abe oder sonst jemandem. Ich kann tun und lassen was ich will und mit wem ich es will."
"Oder auch nicht."
Herausfordernd sieht sie ihn an. "Was willst du damit sagen?"
"Das ich kaum glaube, dass du verprügelt werden
willst."
"Das war eine einmalige Sache", wehrt sie ab.
"Und deshalb hast du keinem von uns gesagt wer es war?"
"Was würde es denn nützen, wenn ihr ihm auch noch die Zähne einschlagt?", entgegnet sie trotzig und sieht aus dem Fenster.
"Er hätte es verdient, dass man ihm die Zähne einschlägt und ihn zu Brei verarbeitet. Glaub mir, wenn wir mit ihm fertig wären, würde er keine Frau auch nur mehr mit seinem Scheià kleinen Finger anrühren."
"Ich will aber nicht, dass ihr wegen mir irgendjemanden verprügelt und womöglich noch Ãrger bekommt."
"Und ich glaube, du willst nicht, dass er Ãrger bekommt."
"Er?"
"Der feine Pinkel, der sich mittwochs immer im Chagall rum treibt."
"Wie kommst du darauf, dass er es war?"
"Also war er es."
"Nein", widersprich sie etwas zu laut.
"Komm schon, wer hätte es denn sonst sein sollen? Paul würde nicht Mal einer Fliege was zuleide tun und Abe, bitte, der würde dir niemals was tun. Und so groà ist die Auswahl dann auch nicht mehr. Halt - da bin noch ich, aber wenn ich keinen Filmriss habe, dann war ich es garantiert auch nicht. Bleibt nur noch der feine Pinkel."
"Er war es aber nicht."
"Warum verteidigst du ihn?"
"Ich verteidige ihn nicht."
"Du verteidigst ihn, weil du verknallt in ihn bist, habe ich Recht?"
"Ich bin nicht verknallt in ihn!"
"Bis über beide Ohren, Emmy."
Sie lacht laut auf und wirft beide Hände in die Höhe. "Wieso glaubt eigentlich jeder, er wüsste besser über meine Gefühlswelt bescheid, als ich?", verstimmt zieht sie ihre Zigaretten aus der Tasche und zündet sich eine an. "Und glaub mir", sagt sie zwischen zwei Zügen. "Ich bin garantiert nicht in den Buchhalter verliebt. Er ist gut im Bett, das ist alles."
"Scheinbar nicht gut genug, wenn er dir alleine nicht reicht."
"Siehst du", bestätigt sie beinahe triumphierend. "Damit hast du deine blöde Theorie von wegen ich wäre in ihn verliebt widerlegt. Denn wenn ich es wäre, dann würde ich niemals mit anderen schlafen."
"Ich bin in Silvia verliebt und vögle mit anderen", versucht Louis sie zu widerlegen, doch Emily lässt dieses billige Argument nicht gelten.
"Habe ich auch nur ein einziges Mal mit einem anderen geschlafen, als ich noch mit Jefferson zusammen war, hm?"
"Sag du es mir, Emmy."
"Nein", antwortet sie und verpasst ihm einen Klaps. "Ich war verliebt in ihn, niemals hätte ich so was gemacht!", sie schüttelt den Kopf. "Ihn betrügen. Ich bitte dich!"
"Das hat ihn nicht daran gehindert dich zu betrügen."
"Das ist was anderes", sagt sie und beginnt an ihren Nagelhaut zu zupfen. "Ihr Männer seid einfach. Ihr könnt nicht treu sein, oder? Keiner von euch."
"Sex und Liebe haben nichts miteinander zu tun."
"Sie haben nichts miteinander zu tun, Louis, weil es so etwas wie Liebe gar nicht gibt. Keine Prinzen auf weiÃen Pferden. Keine Prinzessinnen in Türmen, die gerettet werden wollen. Man tut nur so als ob", sie grinst leise in sich hinein. "Die ganze Welt ist eine Bühne."
"Wer sagt das?"
"Shakespeare. Und ich stimme ihm da voll und ganz zu."
Louis beginnt leise zu lachen. "Wer von uns beiden ist hier der Spinner, Emmy?"
"Das ist ein anderes Thema, KlugscheiÃer."
"Apropos Thema", setzt er an. "Wirst du jetzt bei Abe ein Wort für mich einlegen?"
"Das kann ich nicht machen. Es wäre Silvia gegenüber nicht fair und das weiÃt du auch."
"Aber ich kann nicht nach Philadelphia und sie wird ohne mich gehen."
"Tja", sagt sie, der Pick-Up bleibt vor ihrer Wohnung stehen. "Dann solltest du dir schleunigst was anderes einfallen lassen, um sie am Gehen zu hindern."
"Und was?"
"Kauf dir doch ein weiÃes Pferd", entgegnet sie und greift nach ihrer Tasche. "Und behaupte du wärst ihr Prinz."
"Würde das denn bei dir ziehen?"
"Nein", erklärt sie ehrlich und tritt ihre Zigarette auf dem Asphalt aus. "Aber ich glaube auch schon lange nicht mehr an Märchen."
Sie wacht auf, weil jemand ihren Namen flüstert. Träge schlägt sie die Augen auf und blinzelt in die Dunkelheit, macht darin die Konturen des Buchhalters aus. "Richard?", murmelt sie. "Es ist mitten in der Nacht."
"Ich weiÃ", antwortet er leise.
"Dann wirst du sicherlich auch wissen, dass ich jetzt ganz bestimmt nicht mit dir -"
"Deshalb bin ich nicht hier", fällt er ihr ins Wort.
"Weshalb dann?"
"Ich konnte nicht schlafen."
"Du konntest nicht schlafen?", wiederholt sie perplex, zieht die Augenbrauen dabei zusammen.
"Um genau zu sein habe ich seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen. Morgen ist diese verdammte Prüfung und ich, ich kann an nichts anderes mehr denken. Selbst wenn ich schlafe träume ich davon und ich, ich will einfach nur schlafen, Emily. Gott, ich will doch einfach nur schlafen."
"In Ordnung ", wispert sie und rückt näher an die Wand, fühlt sich seltsam geschmeichelt.
"Danke", nimmt er die unausgesprochene Einladung an, zieht sich die Schuhe aus und klettert zu ihr ins Bett. "Sie sind ja offen", sagt er, fährt ihr dabei durchs lose Haar.
"Mir war danach", wispert sie und er vergräbt sein Gesicht in ihrem Haar.
"Es sieht hübsch aus."
"Danke."
"Ich frage mich die ganze Zeit, was wäre, wenn ich durchfalle."
"Warum solltest du durchfallen, Richard?"
"Es gibt keinen Grund, du hast Recht. Ich habe mehr als genug gelernt. Aber dennoch, wenn ich durchfalle, dann", sie hört ihn schlucken, streicht ihm sanft über den Kopf. "Jeder erwartet von mir, dass ich bestehe", fährt er fort und sie lauscht ihm wie gelähmt. "Als Jahrgangsbester natürlich. Dass ich danach ein wichtiger Mann werde, eine Bilderbuchkarriere mache und eine Bilderbuchfamilie gründe. Wenn ich es nicht schaffe, dann würde ich sie alle enttäuschen. Meine Mutter, Pennilyn, einfach alle."
"Du wirst es schon schaffen", ermutigt sie ihn, unsicher darüber, was er überhaupt von ihr hören will. Er kommt zu ihr, legt sich in ihr Bett und schüttet ihr sein Herz aus. Hat ja keine Ahnung, wie weh es tut. Nicht die Leiseste, sonst würde er nicht weiterreden, sonst würde er das Folgende nicht sagen.
"Deshalb bin ich so gerne bei dir", sagt er aber und sieht sie an. "Du erwartest nichts von mir, Emily. Nichts auÃer -"
Sie legt einen Finger auf seine Lippen. "Nicht", wispert sie, er nimmt ihre Hand und küsst sie. Emily entzieht sie ihm und streicht ihm über die Wange. "Schlaf jetzt", fordert sie ihn auf. Er rückt näher und schmiegt seinen Kopf in ihre Schulterbeuge.
"Emily?", flüstert er in ihr Nachthemd, während sie ihre Arme um ihn legt, seinen Geruch tief einatmet.
"Mmh?"
"WeiÃt du was ich manchmal glaube?"
"Nein", antwortet sie monoton und starrt in die Dunkelheit.
"Dass das hier der einzige Platz ist."
"Sag so was nicht", formen ihre Lippen lautlos. Selbst wenn sie es lauter gesagt hätte, er hätte es vermutlich nicht gehört, er ist eingeschlafen.
ATN: Wahnsinn, bin begeistert von soviel erzwungenem FB... geht das auch freiwillig
:p