24.11.2005, 19:29
Akt 5
Lunch. Break.
Lunch. Break.
Sie ist nervös, unendlich nervös. Sie hätte es nicht tun sollen. Die Regeln gelten hier nicht. Verdammt, warum gibt es hierfür keine Regeln? Wieso hat sie es ihm überhaupt angeboten? Aber ja, ein schlechtes Gewissen. Hervorragend, Emily. Es ist immer dasselbe mit dir. Im denkbar ungünstigsten Augenblick wirst du plötzlich weinerlich und irrational.
Sie kann noch immer nicht fassen, dass sie so blöd war vor ihm zu heulen, verflucht, sich eine derartige BlöÃe zu geben, ausgerechnet vor ihm. Und dann, als er sie nach ihrem Alter gefragt hat - was hätte sie denn sagen sollen? Nun, Richard, um ehrlich zu sein, du vögelst tatsächlich mit einer Minderjährigen? Nein. Niemals. Dafür ist er dann doch zu ehrlich. Dafür ist sie dann doch zu gerne mit ihm zusammen. Sie weià nicht einmal genau warum. Er hat sie geschlagen, hat sich nicht einmal dafür entschuldigt. Und sie, sie ist zum Dank dafür auch noch in die Oper mit ihm anstatt ihn für immer aus ihrem Leben zu verbannen. Aber es war so, er ist so. Alles ist so. So auÃerhalb der verdammten Regeln. Schön, dann ist es eben so. Für heute. Es ist schlieÃlich Sonntag, da ist alles anders. Ab Montag wird wieder alles beim Alten sein. Fünf simple Regeln, das perfekte Leben. Es kann ja auch etwas Gutes haben, versucht sie sich einzureden, vielleicht sieht er endlich, dass sie aus mehr besteht als zwei ansehnlichen Brüsten und einer Vagina. Aber selbst wenn, was bildet sie sich ein? Worauf hat sie sich eingelassen? Nein, noch hat sie sich nicht eingelassen. Sie ist nur kurz davor. Sehr kurz, aber sie kann noch einen Schritt zurück treten. In ein paar Wochen wird ohnehin Schluss sein, sie sollte sich also nicht zu viele Gedanken über Richard machen. Regel Nummer Eins, mahnt sie sich. Regel Nummer Eins. Nummer. Eins. Einer. Da ist er. Kein Pferd, denn es gibt sie nicht. Richtig. Es gibt sie nicht. Er begrüÃt sie, er will sie küssen, aber sie wendet ihren Kopf abrupt zur Seite.
"Nicht", bittet sie ihn und zu ihrer Erleichterung nickt er.
"Also? Was werden wir tun?", erkundigt er sich viel zu fröhlich. Emily verpasst ihm einem Dämpfer und deutet auf den gegenüberliegenden Friedhof.
"Komm", sagt sie knapp und zögert einen Augenblick, nimmt ihn dann doch bei der Hand, zieht ihn über die StraÃe und auf den Friedhof. Obwohl die Sonne brennt, ist es hier dank der Laubbäume kühl und schattig.
"Was wollen wir hier?"
"Du wolltest doch wissen, was ich sonntags tue", sie bleibt stehen, noch kann sie einen Rückzieher machen. Gott, sie sollte es tun. Es geht ihn doch nichts an. Keinen geht es etwas an.
"Natürlich, aber das hier - Das hier ist ein Friedhof."
"Und?", sie hebt die Augenbrauen. "Ist es so unvorstellbar für dich, dass ich auf einen Friedhof gehe?"
"Nein, natürlich nicht", setzt er an. "Aber weshalb?"
Sie schluckt und setzt den Weg ohne eine weitere Erklärung fort, schlingt ihre Arme fest um sich. Er folgt ihr mit einem knappen Meter Abstand und sie weià nicht, was sie davon halten soll. SchlieÃlich bleibt sie vor einem kleinen Grab stehen, Richard kommt neben ihr zum Stehen. "Deshalb", sagt sie und deutet auf den schlichten Stein. Dann bückt sie sich und sammelt ein paar vereinzelte Blätter und Steine von dem Grab, zieht ein Büschel Gras aus der trockenen Erde und hofft, dass er einfach seine Klappe halten wird. Es war eindeutig ein Fehler, dumme Gans, schreit alles in ihr.
ATN: Fürs Geburtstagskind