19.04.2006, 22:04
Mit Widmung an Nici
20.45h-21.15h
Rory nahm ihre Hand wieder zurück und nickte.
„So Rory, ja? Das ist ein ziemlich ungewöhnlicher Name.“, stellte er fest, während er sich wieder zurücklehnte.
„Eigentlich heiÃe ich Lorelai. Rory ist nur eine Abkürzung.“
„Huh.“
„Ja meine Mutter hat mich nach ihr benannt. Sie sagt die Schmerzmittel bei der Geburt hätten sie zu dieser Entscheidung gezwungen.....“ Rory stoppte kurz bevor sie weiterredete. „Also Jess...Das ist doch eigentlich ein Mädchenname oder?“
„Meine Mutter wünschte sich ein Mädchen. Dann kam ich. Den Rest können sie sich denken.“
„Oh.“
Stille. Aber keine Unangenehme. Das fiel Rory sofort auf. Normalerweise hasste sie es, wenn eine Konversation ins stocken geriet. Sie fühlte sich dabei irgendwie unwohl. Nicht fähig ein Gespräch zu führen. Aber das hier war irgendwie anders. Es war eine einvernehmliche Stille. Keiner fühlte sich zu etwas gezwungen. Sie saÃen einfach nur da. Beide in Gedanken vertieft.
Sogar damals mit ihm war es nie so gewesen. Sie hatte sich immer verpflichtet gefühlt etwas zu sagen. Sich interessant zu machen für ihn. Besonders als sie angefangen hatten auszugehen. Es war immer ein gewisser Zwang dahinter verborgen. Als sie jetzt daran zurückdachte, fühlte sie sich schuldig. Sie war nicht berechtigt so darüber zu denken. Sie sollte doch eigentlich die fröhlichen Momente in Erinnerung haben. Sie sollte nicht die negativen Aspekte heraussuchen und darüber nachdenken, was sie hätte besser machen sollen. Das hatte er nicht verdient. Auch nicht nach allem was er getan hatte.
Rory atmete tief durch und schloss die Augen um ihm nicht in die Augen zu sehen, während sie darüber nachdachte. Sie wollte ihre Verletzlichkeit nicht zeigen. Nicht einem Fremden, dem sie in der U-Bahn begegnet ist. Er schien ihre Unsicherheit zu bemerken und räusperte sich.
„Alles okay mit ihnen?“, fragte er vorsichtig. Sie öffnete die Augen wieder. Er schien ehrlich besorgt.
„Ich hatte nur einen langen Tag.“ Sie musste noch nicht einmal lügen.
„Kenne ich.“
„Shopping und so weiter.“
Er nickte. „Im wievielten...?“, begann er und deutete auf ihren Bauch, doch sie unterbrach ihn sofort.
„Siebter.“ Sie lächelte. Dieser Umstand in dem sie war, zauberte doch immer ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie würde bald Mutter sein. Verantwortung übernehmen. Etwas haben, dass sie an ihn erinnert. Doch dieser Gedanke brachte auch wieder die Erinnerungen mit sich. Was, wenn sie es nicht schaffen würde? Wenn sie es nicht übers Herz bringen würde Tag für Tag in dem Gesicht ihres Kindes ihn zu sehen? Daran erinnert zu werden, was passiert ist. Und das für den Rest ihres Lebens. Ihr Lächeln erstarb und ihre Miene wurde ernster, während sie mit ihrer rechten Hand liebevoll über ihren Bauch strich. Dann wurde sie wieder aus ihren Gedanken gerissen.
„Und?“
„Und was?“, fragte sie leicht verwirrt.
„Was wird es?“
„Oh....Ich will mich überraschen lassen.“
Ob er bemerkte, dass sie nicht >Wir< gesagt hat? Wahrscheinlich nicht. Er wird sich nur die nötigen Informationen herauspicken um das Gespräch fortzuführen. Seine Miene verriet nichts.
„Und schon Namen?“
„Nein...Meine Mutter meint, wenn es ein Mädchen wird sollte ich die Tradition fortführen und sie Lorelai nennen. Ich bin mir da noch nicht so sicher. Ich meine drei Lorelais in der Familie. Das wird ganz schön kompliziert.“ Sie lachte auf. Wollte das Gespräch etwas lockern. Die Erinnerungen verdrängen und sich ablenken. Doch mit seiner nächsten Frage, kam wieder alles zurück.
„Hat der Vater denn kein Mitspracherecht?“, grinste er.
Sie versuchte so normal wie möglich auf diese Frage zu antworten. Ihm von ihrem Schmerz nichts anmerken zu lassen.
„Nein...Er...“ Sie atmete tief durch. „Er kann das nicht mitbestimmen.“
Wieder schaute er sie durchdringend an. Wusste er etwas?
„Sie müssen mir das nicht erzählen...wenn sie nicht wollen.“, meinte er letztendlich leise.
„Danke.“ Sie lächelte ihn an. Er hatte verstanden. Sie wollte nicht darüber reden. Sie hatte noch nicht einmal damals mit ihrer Mutter richtig darüber geredet. Sie hatte mit niemandem darüber gesprochen. Weder mit Lane, Dean noch Luke. Warum sich also einem völlig Fremden anvertrauen? Sie war froh, dass er verstand. Sie war sich nicht sicher, ob sie anfangen würde zu weinen, wenn sie darüber reden würde oder ob sie einfach nur starr dasitzen würde. Ihr wurde klar, dass sie nachdem sie es erfahren hatte, nicht in Tränen ausgebrochen war. Nein, sie hatte einfach nur dagestanden. Vielleicht geschockt. Auch traurig. Verletzt. Aber sie hatte nicht geweint. Sie hatte sich wieder in die Arbeit gestürzt. Erst drei Tage später hatte sie auf der Couch gesessen, vor dem Fernseher und auf einmal hatte sie die Tränen auf ihrer Wange gespürt. Danach war sie eine Woche daheim geblieben. In ihrem Bett. Zusammengekauert. Hatte niemanden an sich rangelassen. Die Wohnung abgeschlossen. Noch nicht einmal ihre Mutter hatte sie sehen wollen. Das Telefon hatte sie ausgestöpselt. Neben sich auf dem Nachtschrank hatten lauter Schokoladentafeln gelegen, aber sie hatte sich nicht dazu überwinden können zu essen. Sie hatte diese Tage noch zu gut in Erinnerung. Ihre Wohnung hatte sie verdunkelt. Damals konnte sie das Licht der Sonne nicht ertragen. Alles um sie herum musste dunkel sein. So wie sich gefühlt hatte. Einsam. Verlassen.
Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht weinen. Sie wollte stark sein. Stark für das Baby, dass sie in ihrem Bauch trug und das die letzte Erinnerung an ihn war. Das letzte was ihr von ihm geblieben ist.
„Was ist mit ihnen?“, fragte sie plötzlich und schaute auf.
„Was soll mit mir sein?“
„Haben sie Familie...?“ Forschend schaute sie ihn an. Sie war neugierig. Und sie wollte sich ablenken.
„Ich?“ Er lachte auf. „Nein...Sehen sie mich als Typ an, der eine Familie hat?“, fragte er und deutete mit einem Finger auf seine Brust.
„Wollen sie, dass ich diese Frage ehrlich beantworte?“
Er schmunzelte und nickte schlieÃlich.
„Nein.“, sagte sie. „Aber ich fand es höflicher zu fragen, anstatt darüber zu spekulieren.“
Beide lachten. Und plötzlich wurde ihr bewusst, dass es das erste Mal seit langem war, dass sie herzhaft lachen konnte.
TBC
Und hier eine kleine Vorschau für den nächsten Teil
20.45h-21.15h
Rory nahm ihre Hand wieder zurück und nickte.
„So Rory, ja? Das ist ein ziemlich ungewöhnlicher Name.“, stellte er fest, während er sich wieder zurücklehnte.
„Eigentlich heiÃe ich Lorelai. Rory ist nur eine Abkürzung.“
„Huh.“
„Ja meine Mutter hat mich nach ihr benannt. Sie sagt die Schmerzmittel bei der Geburt hätten sie zu dieser Entscheidung gezwungen.....“ Rory stoppte kurz bevor sie weiterredete. „Also Jess...Das ist doch eigentlich ein Mädchenname oder?“
„Meine Mutter wünschte sich ein Mädchen. Dann kam ich. Den Rest können sie sich denken.“
„Oh.“
Stille. Aber keine Unangenehme. Das fiel Rory sofort auf. Normalerweise hasste sie es, wenn eine Konversation ins stocken geriet. Sie fühlte sich dabei irgendwie unwohl. Nicht fähig ein Gespräch zu führen. Aber das hier war irgendwie anders. Es war eine einvernehmliche Stille. Keiner fühlte sich zu etwas gezwungen. Sie saÃen einfach nur da. Beide in Gedanken vertieft.
Sogar damals mit ihm war es nie so gewesen. Sie hatte sich immer verpflichtet gefühlt etwas zu sagen. Sich interessant zu machen für ihn. Besonders als sie angefangen hatten auszugehen. Es war immer ein gewisser Zwang dahinter verborgen. Als sie jetzt daran zurückdachte, fühlte sie sich schuldig. Sie war nicht berechtigt so darüber zu denken. Sie sollte doch eigentlich die fröhlichen Momente in Erinnerung haben. Sie sollte nicht die negativen Aspekte heraussuchen und darüber nachdenken, was sie hätte besser machen sollen. Das hatte er nicht verdient. Auch nicht nach allem was er getan hatte.
Rory atmete tief durch und schloss die Augen um ihm nicht in die Augen zu sehen, während sie darüber nachdachte. Sie wollte ihre Verletzlichkeit nicht zeigen. Nicht einem Fremden, dem sie in der U-Bahn begegnet ist. Er schien ihre Unsicherheit zu bemerken und räusperte sich.
„Alles okay mit ihnen?“, fragte er vorsichtig. Sie öffnete die Augen wieder. Er schien ehrlich besorgt.
„Ich hatte nur einen langen Tag.“ Sie musste noch nicht einmal lügen.
„Kenne ich.“
„Shopping und so weiter.“
Er nickte. „Im wievielten...?“, begann er und deutete auf ihren Bauch, doch sie unterbrach ihn sofort.
„Siebter.“ Sie lächelte. Dieser Umstand in dem sie war, zauberte doch immer ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie würde bald Mutter sein. Verantwortung übernehmen. Etwas haben, dass sie an ihn erinnert. Doch dieser Gedanke brachte auch wieder die Erinnerungen mit sich. Was, wenn sie es nicht schaffen würde? Wenn sie es nicht übers Herz bringen würde Tag für Tag in dem Gesicht ihres Kindes ihn zu sehen? Daran erinnert zu werden, was passiert ist. Und das für den Rest ihres Lebens. Ihr Lächeln erstarb und ihre Miene wurde ernster, während sie mit ihrer rechten Hand liebevoll über ihren Bauch strich. Dann wurde sie wieder aus ihren Gedanken gerissen.
„Und?“
„Und was?“, fragte sie leicht verwirrt.
„Was wird es?“
„Oh....Ich will mich überraschen lassen.“
Ob er bemerkte, dass sie nicht >Wir< gesagt hat? Wahrscheinlich nicht. Er wird sich nur die nötigen Informationen herauspicken um das Gespräch fortzuführen. Seine Miene verriet nichts.
„Und schon Namen?“
„Nein...Meine Mutter meint, wenn es ein Mädchen wird sollte ich die Tradition fortführen und sie Lorelai nennen. Ich bin mir da noch nicht so sicher. Ich meine drei Lorelais in der Familie. Das wird ganz schön kompliziert.“ Sie lachte auf. Wollte das Gespräch etwas lockern. Die Erinnerungen verdrängen und sich ablenken. Doch mit seiner nächsten Frage, kam wieder alles zurück.
„Hat der Vater denn kein Mitspracherecht?“, grinste er.
Sie versuchte so normal wie möglich auf diese Frage zu antworten. Ihm von ihrem Schmerz nichts anmerken zu lassen.
„Nein...Er...“ Sie atmete tief durch. „Er kann das nicht mitbestimmen.“
Wieder schaute er sie durchdringend an. Wusste er etwas?
„Sie müssen mir das nicht erzählen...wenn sie nicht wollen.“, meinte er letztendlich leise.
„Danke.“ Sie lächelte ihn an. Er hatte verstanden. Sie wollte nicht darüber reden. Sie hatte noch nicht einmal damals mit ihrer Mutter richtig darüber geredet. Sie hatte mit niemandem darüber gesprochen. Weder mit Lane, Dean noch Luke. Warum sich also einem völlig Fremden anvertrauen? Sie war froh, dass er verstand. Sie war sich nicht sicher, ob sie anfangen würde zu weinen, wenn sie darüber reden würde oder ob sie einfach nur starr dasitzen würde. Ihr wurde klar, dass sie nachdem sie es erfahren hatte, nicht in Tränen ausgebrochen war. Nein, sie hatte einfach nur dagestanden. Vielleicht geschockt. Auch traurig. Verletzt. Aber sie hatte nicht geweint. Sie hatte sich wieder in die Arbeit gestürzt. Erst drei Tage später hatte sie auf der Couch gesessen, vor dem Fernseher und auf einmal hatte sie die Tränen auf ihrer Wange gespürt. Danach war sie eine Woche daheim geblieben. In ihrem Bett. Zusammengekauert. Hatte niemanden an sich rangelassen. Die Wohnung abgeschlossen. Noch nicht einmal ihre Mutter hatte sie sehen wollen. Das Telefon hatte sie ausgestöpselt. Neben sich auf dem Nachtschrank hatten lauter Schokoladentafeln gelegen, aber sie hatte sich nicht dazu überwinden können zu essen. Sie hatte diese Tage noch zu gut in Erinnerung. Ihre Wohnung hatte sie verdunkelt. Damals konnte sie das Licht der Sonne nicht ertragen. Alles um sie herum musste dunkel sein. So wie sich gefühlt hatte. Einsam. Verlassen.
Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht weinen. Sie wollte stark sein. Stark für das Baby, dass sie in ihrem Bauch trug und das die letzte Erinnerung an ihn war. Das letzte was ihr von ihm geblieben ist.
„Was ist mit ihnen?“, fragte sie plötzlich und schaute auf.
„Was soll mit mir sein?“
„Haben sie Familie...?“ Forschend schaute sie ihn an. Sie war neugierig. Und sie wollte sich ablenken.
„Ich?“ Er lachte auf. „Nein...Sehen sie mich als Typ an, der eine Familie hat?“, fragte er und deutete mit einem Finger auf seine Brust.
„Wollen sie, dass ich diese Frage ehrlich beantworte?“
Er schmunzelte und nickte schlieÃlich.
„Nein.“, sagte sie. „Aber ich fand es höflicher zu fragen, anstatt darüber zu spekulieren.“
Beide lachten. Und plötzlich wurde ihr bewusst, dass es das erste Mal seit langem war, dass sie herzhaft lachen konnte.
TBC
Und hier eine kleine Vorschau für den nächsten Teil
Zitat:[I]"„Was lesen sie gerade?“, fragte sie aus reiner Neugier und nickte ihm zu. Er beugte sich vor um das Buch aus seiner hinteren Hosentasche zu ziehen und zeigte ihr das Cover.
„Franz Kafka >Die Verwandlung<“, las sie laut vor. „Gutes Buch. Wie finden sie es?“
„Es ist gut...Manche Stellen sind ein bisschen langatmig, aber im groÃen und Ganzen ist es doch in Ordnung.“
„Lesen sie es zum ersten Mal?“
„Nein, ich glaube ich habe es jetzt schon so um die zwanzig Mal gelesen.“
„Aber sie sagten doch, sie lesen nicht viel.“ Erstaunt schaute sie ihn an.
„Was ist schon viel?“, meinte er lässig und schmunzelte bei ihrer Verwunderung."
[/I]