27.04.2006, 21:03
Mit Widmung an Dani
21.30h-22.00h
Wahrscheinlich konnte er von ihrem Gesicht ablesen, das sie ihren Gedanken nachging. Jedenfalls sagte er nichts mehr und wieder einmal herrschte eine angenehme Stille zwischen den Beiden. Was er wohl dachte? Machte sie einen so verlorenen Eindruck, dass er meinte er müsse sie aufmuntern? Mit ihr reden?
War sie verlorenen? In einem gewissen Sinne schon. Verloren in ihrem Schmerz. In ihren Schuldgefühlen. Ihrer Angst. Aber jetzt war da jemand, der ihr zuhörte. Der keine lästigen Fragen stellen würde. Den sie wahrscheinlich nach dieser Sache hier nie wieder sehen würde. War es Schicksal. Bestimmung. Oder nur Ironie.
Rory zupfte an den Ãrmeln ihrer Strickjacke und blickte unschlüssig auf. Sie würde ihn danach nie wieder sehen. Nie wieder. Er wäre der einzige Mensch, der wüsste was sie bewegte. Der die ganze Wahrheit kennen würde. Und er würde es niemandem erzählen. Es wäre ein Geheimnis, dass nur sie beide und die U-Bahn kennen würden. Ein Geständnis, das auf ewig unter der Erde bleiben und niemals das Tageslicht zu sehen bekommen würde. War es ein Geständnis? Nein, war es nicht. Es war etwas, dass man nicht beschreiben konnte. Etwas, dass sie seit vier Monaten mit sich trug und was sie innerlich zerfraÃ. Mit jedem Male, dass sie daran dachte fühlte sie einen weiteren Stich in ihrem Herzen und ein weiterer Teil ihres Gewissens wachte aus der Taubheit auf.
Sie fragte sich, wie sie das Ganze aushielt. Woher nahm sie die Kraft dafür? Und genau in diesem Moment spürte sie warum. Das Baby war aufgewacht und hatte munter gegen ihren Bauch getreten. Wegen dem Baby. Wegen der Erinnerung. Wegen den glücklichen Momenten, die in der Vergangenheit lagen und denen die noch vor ihr lagen. Zusammen mit ihrem Baby.
Unweigerlich schlich sich ein Lächeln über ihre Lippen und sie lieà eine Hand über ihren Bauch gleiten.
„Bewegt es sich?“, fragte er vorsichtig und lehnte sich vor, so dass seine Ellenbogen auf seinen Knien ruhten. Sie nickte und ihre Augen leuchteten.
„Tut das nicht weh?“, fragte er neugierig und zog eine Augenbraue hoch.
„Nein.“, lächelte sie. „Wie kommen sie darauf, dass es wehtun könnte?“
„Ich weià nicht. Mir würde es wehtun, wenn dauernd jemand gegen meinen Bauch treten würde.“
„Es tut nicht weh.“, bestätigte sie noch einmal und er nickte bedächtig.
„Gut.“, lächelte er nun und lehnte sich wieder in den Sitz zurück. Ihr Blick senkte sich wieder auf ihren Bauch. Es war kein Traum mehr. Zu Anfang war es ein Traum gewesen. Sie? Schwanger? Nie im Leben. Oder jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Sie hatte eine Kariere. Ein Leben. Es hatte alles verkompliziert. Sie erinnerte sich an das Gefühl als der Schwangerschaftstest pink anzeigte. Sie hatte es nicht glauben können. Geschockt hatte sie ihn fallen lassen. Hatte sich am Badewannenrand abstützen müssen, die rechte Hand vor ihrem Mund und Tränen in den Augen. In diesem Moment war es ein Schock. Fünf Minuten später war es Angst. Angst es ihm zu sagen. Angst es ihrer Mutter zu sagen. Angst vor Veränderung. Erst drei Monate später war es Freude. Vorfreude auf das was sie erwarten würde. Ein Baby. Verantwortung. Ein Leben als Familie.
Und nun? Alleinerziehend. Alleine. Ohne ihn. Ohne jemanden der täglich bei ihr stehen würde. Ihr die Hand hält wenn alles zu schwer wird. Ihr Mut macht, wenn sie anfängt zu verzweifeln. Ja sie hatte ihre Mutter, aber sie hatte nicht mehr ihn. Das Leben als glückliche Familie, so wie sie sich es immer vorgestellt hatte, war nun nicht mehr möglich. Und zum Teil war es ihre Schuld, auch wenn alle das Gegenteil behaupteten. Sie trug mit Schuld, und das war ihr vollkommen bewusst. Jeden Tag. Seit vier Monaten.
„Wie lange wohnen sie schon in New York?“, fragte sie ihn und schaute wieder auf. Er blickte sie verwundert an. Der plötzliche Themenwechsel schien ihn zu verwirren. Ja sie hatte beschlossen zu reden, aber sie brauchte noch Zeit.
„Seit meiner Geburt.“, antwortete er.
„Sie haben nie wo anders gewohnt?“
„Nein, nicht wirklich. Mit siebzehn habe ich zwei Monate lang in Kalifornien gewohnt, aber mich hat es wieder zurück hierher gezogen.“
„Warum Kalifornien?“
„Mein Dad wohnt dort.“
„Und ihre Mutter?“
„Wohnt in so einem kleinen Städtchen irgendwo in Connecticut. Sie ist vor ein paar Jahren mit ihrem neuem Mann dorthin gezogen.“ Eltern getrennt. Der Vater weit weg. Die Mutter neu verheiratet. Sie hatte doch etwas mit ihm gemeinsam, auÃer die offensichtliche Freude am Lesen.
„Haben sie denn keinen Kontakt?“, fragte sie neugierig und strich sich eine Harrsträhne aus dem Gesicht.
„Wissen sie meine Mutter und ich....- wir hatten nie die beste Beziehung. Als ich sechzehn war wollte sie mich zu meinem Onkel schicken. Ich habe mich geweigert. Mit siebzehn versuchte sie es dann noch einmal. Das war dann der Zeitpunkt, wo ich zu meinem Dad ging.“
„Warum wollte sie sie wegschicken? Ist da irgendwas, dass ich wissen müsste? Immerhin werde ich die nächsten Stunden hier mit ihnen verbringen.“, meinte sie herausfordernd und grinste ihn an.
„Nein ..ich war einfach nur nicht der Vorzeigesohn, der ich sein sollte. Kleine Schwierigkeiten, die man so hat als Jugendlicher.“
„Ein Bad Boy?“
„Wenn man es so nennen will.”, grinste er und schaute auf seine Hände, die auf seinem Schoà ruhten. „Ich war noch nicht einmal auf der Hochzeit meiner Mutter. Irgendwie tut es mir im Nachhinein doch leid nicht da gewesen zu sein.“
„Sie hatten sicher ihre Gründe.“
„Ja hatte ich, aber ich bin mir nicht sicher ob es genug waren.“ Er atmete tief durch. „AuÃerdem weià ich nicht wie ich das damals hätte schaffen sollen. Ohne Geld. Kein Auto. Keinen Plan für die Zukunft. Ich konnte noch nicht mal zur Hochzeit fahren.“
„War sie nicht in New York?“
„Nein, in dieser Kleinstadt in Connecticut.“ Er vermied es ihr in die Augen zu schauen. Er bereute es wohl wirklich. Rory konnte sich nicht vorstellen je mit ihrer Mutter so ein Verhältnis zu haben. So distanziert.
„Meine Mutter heiratet nächste Woche.“ Sie wollte ihn aufmuntern und auf andere Gedanken bringen. Er sah auf. Ihre Blicke trafen sich und Rory brauchte einige Sekunde bevor sie weitersprach. „Es hat fast zwanzig Jahre gedauert, aber jetzt ist es endlich soweit. Darum war ich heute überhaupt mit der Bahn unterwegs.“
„Hochzeitsvorbereitungen?“
„Eher Nervenberuhigung für meine Mutter.“, lachte sie.
„Verstehe.“, grinste er sie an. Es hatte geklappt. Sie hatte ihn auf andere Gedanken gebracht.
TBC
Vorschau :
21.30h-22.00h
Wahrscheinlich konnte er von ihrem Gesicht ablesen, das sie ihren Gedanken nachging. Jedenfalls sagte er nichts mehr und wieder einmal herrschte eine angenehme Stille zwischen den Beiden. Was er wohl dachte? Machte sie einen so verlorenen Eindruck, dass er meinte er müsse sie aufmuntern? Mit ihr reden?
War sie verlorenen? In einem gewissen Sinne schon. Verloren in ihrem Schmerz. In ihren Schuldgefühlen. Ihrer Angst. Aber jetzt war da jemand, der ihr zuhörte. Der keine lästigen Fragen stellen würde. Den sie wahrscheinlich nach dieser Sache hier nie wieder sehen würde. War es Schicksal. Bestimmung. Oder nur Ironie.
Rory zupfte an den Ãrmeln ihrer Strickjacke und blickte unschlüssig auf. Sie würde ihn danach nie wieder sehen. Nie wieder. Er wäre der einzige Mensch, der wüsste was sie bewegte. Der die ganze Wahrheit kennen würde. Und er würde es niemandem erzählen. Es wäre ein Geheimnis, dass nur sie beide und die U-Bahn kennen würden. Ein Geständnis, das auf ewig unter der Erde bleiben und niemals das Tageslicht zu sehen bekommen würde. War es ein Geständnis? Nein, war es nicht. Es war etwas, dass man nicht beschreiben konnte. Etwas, dass sie seit vier Monaten mit sich trug und was sie innerlich zerfraÃ. Mit jedem Male, dass sie daran dachte fühlte sie einen weiteren Stich in ihrem Herzen und ein weiterer Teil ihres Gewissens wachte aus der Taubheit auf.
Sie fragte sich, wie sie das Ganze aushielt. Woher nahm sie die Kraft dafür? Und genau in diesem Moment spürte sie warum. Das Baby war aufgewacht und hatte munter gegen ihren Bauch getreten. Wegen dem Baby. Wegen der Erinnerung. Wegen den glücklichen Momenten, die in der Vergangenheit lagen und denen die noch vor ihr lagen. Zusammen mit ihrem Baby.
Unweigerlich schlich sich ein Lächeln über ihre Lippen und sie lieà eine Hand über ihren Bauch gleiten.
„Bewegt es sich?“, fragte er vorsichtig und lehnte sich vor, so dass seine Ellenbogen auf seinen Knien ruhten. Sie nickte und ihre Augen leuchteten.
„Tut das nicht weh?“, fragte er neugierig und zog eine Augenbraue hoch.
„Nein.“, lächelte sie. „Wie kommen sie darauf, dass es wehtun könnte?“
„Ich weià nicht. Mir würde es wehtun, wenn dauernd jemand gegen meinen Bauch treten würde.“
„Es tut nicht weh.“, bestätigte sie noch einmal und er nickte bedächtig.
„Gut.“, lächelte er nun und lehnte sich wieder in den Sitz zurück. Ihr Blick senkte sich wieder auf ihren Bauch. Es war kein Traum mehr. Zu Anfang war es ein Traum gewesen. Sie? Schwanger? Nie im Leben. Oder jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Sie hatte eine Kariere. Ein Leben. Es hatte alles verkompliziert. Sie erinnerte sich an das Gefühl als der Schwangerschaftstest pink anzeigte. Sie hatte es nicht glauben können. Geschockt hatte sie ihn fallen lassen. Hatte sich am Badewannenrand abstützen müssen, die rechte Hand vor ihrem Mund und Tränen in den Augen. In diesem Moment war es ein Schock. Fünf Minuten später war es Angst. Angst es ihm zu sagen. Angst es ihrer Mutter zu sagen. Angst vor Veränderung. Erst drei Monate später war es Freude. Vorfreude auf das was sie erwarten würde. Ein Baby. Verantwortung. Ein Leben als Familie.
Und nun? Alleinerziehend. Alleine. Ohne ihn. Ohne jemanden der täglich bei ihr stehen würde. Ihr die Hand hält wenn alles zu schwer wird. Ihr Mut macht, wenn sie anfängt zu verzweifeln. Ja sie hatte ihre Mutter, aber sie hatte nicht mehr ihn. Das Leben als glückliche Familie, so wie sie sich es immer vorgestellt hatte, war nun nicht mehr möglich. Und zum Teil war es ihre Schuld, auch wenn alle das Gegenteil behaupteten. Sie trug mit Schuld, und das war ihr vollkommen bewusst. Jeden Tag. Seit vier Monaten.
„Wie lange wohnen sie schon in New York?“, fragte sie ihn und schaute wieder auf. Er blickte sie verwundert an. Der plötzliche Themenwechsel schien ihn zu verwirren. Ja sie hatte beschlossen zu reden, aber sie brauchte noch Zeit.
„Seit meiner Geburt.“, antwortete er.
„Sie haben nie wo anders gewohnt?“
„Nein, nicht wirklich. Mit siebzehn habe ich zwei Monate lang in Kalifornien gewohnt, aber mich hat es wieder zurück hierher gezogen.“
„Warum Kalifornien?“
„Mein Dad wohnt dort.“
„Und ihre Mutter?“
„Wohnt in so einem kleinen Städtchen irgendwo in Connecticut. Sie ist vor ein paar Jahren mit ihrem neuem Mann dorthin gezogen.“ Eltern getrennt. Der Vater weit weg. Die Mutter neu verheiratet. Sie hatte doch etwas mit ihm gemeinsam, auÃer die offensichtliche Freude am Lesen.
„Haben sie denn keinen Kontakt?“, fragte sie neugierig und strich sich eine Harrsträhne aus dem Gesicht.
„Wissen sie meine Mutter und ich....- wir hatten nie die beste Beziehung. Als ich sechzehn war wollte sie mich zu meinem Onkel schicken. Ich habe mich geweigert. Mit siebzehn versuchte sie es dann noch einmal. Das war dann der Zeitpunkt, wo ich zu meinem Dad ging.“
„Warum wollte sie sie wegschicken? Ist da irgendwas, dass ich wissen müsste? Immerhin werde ich die nächsten Stunden hier mit ihnen verbringen.“, meinte sie herausfordernd und grinste ihn an.
„Nein ..ich war einfach nur nicht der Vorzeigesohn, der ich sein sollte. Kleine Schwierigkeiten, die man so hat als Jugendlicher.“
„Ein Bad Boy?“
„Wenn man es so nennen will.”, grinste er und schaute auf seine Hände, die auf seinem Schoà ruhten. „Ich war noch nicht einmal auf der Hochzeit meiner Mutter. Irgendwie tut es mir im Nachhinein doch leid nicht da gewesen zu sein.“
„Sie hatten sicher ihre Gründe.“
„Ja hatte ich, aber ich bin mir nicht sicher ob es genug waren.“ Er atmete tief durch. „AuÃerdem weià ich nicht wie ich das damals hätte schaffen sollen. Ohne Geld. Kein Auto. Keinen Plan für die Zukunft. Ich konnte noch nicht mal zur Hochzeit fahren.“
„War sie nicht in New York?“
„Nein, in dieser Kleinstadt in Connecticut.“ Er vermied es ihr in die Augen zu schauen. Er bereute es wohl wirklich. Rory konnte sich nicht vorstellen je mit ihrer Mutter so ein Verhältnis zu haben. So distanziert.
„Meine Mutter heiratet nächste Woche.“ Sie wollte ihn aufmuntern und auf andere Gedanken bringen. Er sah auf. Ihre Blicke trafen sich und Rory brauchte einige Sekunde bevor sie weitersprach. „Es hat fast zwanzig Jahre gedauert, aber jetzt ist es endlich soweit. Darum war ich heute überhaupt mit der Bahn unterwegs.“
„Hochzeitsvorbereitungen?“
„Eher Nervenberuhigung für meine Mutter.“, lachte sie.
„Verstehe.“, grinste er sie an. Es hatte geklappt. Sie hatte ihn auf andere Gedanken gebracht.
TBC
Vorschau :
Zitat:„Was halten sie von einem Spiel?“ Verwirrt blickte sie ihn an. „Ich meine wo wir jetzt doch schon dabei sind unsere Lebensläufe zu erzählen könnten wir daraus auch ein Spiel machen.“
„Ok.“, sagte sie zögerlich und schaute ihn fragend an. „Wie meinen sie das genau?“
„Wie <21 Questions>. Abwechselnd Fragen stellen. Wahrheitsgemäà antworten.“
Rory schluckte. WahrheitsgemäÃ. Aber was sollte er schon fragen, wo sie lügen müsste? Er kannte sie seit knapp zwei Stunden.
„Okay.“, meinte sie knapp und spielte mit dem Ãrmel ihrer Strickjacke. „Sie fangen an.“