11.09.2006, 22:31
Diesen Teil widme ich dem wunderbaren Zeitalter der Aufklärung :lach:
4.15h-5.00h
Sie hatte ihn das erste Mal in der Highschool kennen gelernt. Damals war sie noch mit Tristan ausgegangen. Diese Tatsache hatte sie vor Paris zunächst verschwiegen, hatte sie doch gewusst, dass diese selbst in Tristan verliebt gewesen war. Rory wollte immer vermeiden anderen Menschen Schaden zuzufügen. Meistens versagte sie.
âAls ich ihn kennen gelernt habe, habe ich versucht ihn mit einer Freundin zu verkuppeln.â, lachte Rory leicht. âIch fühlte mich schuldig. Paris war jahrelang in Tristan verliebt gewesen und als er und ich dann anfingen auszugehen, versteckte ich das vor ihr, um sie zu schützen. Langsam wird mir klar, dass ich nur mich selber schützen wollte.â
Jamie hatte sie zusammen mit Paris auf einer Lernfahrt nach Washington kennen gelernt. Er hatte Paris zu einem Date eingeladen und sie hatte sich für sie gefreut. Aufrichtig. Es war das erste Mal gewesen, dass Paris ein Date hatte, abgesehen von Rorys damaligem Versuch eines mit Tristan zu arrangieren. Ironischerweise hatte Paris schon damals Angst gehabt Jamie könnte sich in Rory verlieben.
âParis hat mich im Schrank versteckt, weil sie Angst hatte, wenn Jamie mich sieht, würde er lieber mit mir als mit ihr ausgehen. Ich habe sie damals paranoid genannt. Wer hätte ahnen können, dass es wirklich mal so sein würde?â
âWas wurde aus Tristan?â, fragte Jess und merkte, wie Rory kurz die Luft anhielt.
âEr ging. Sein Vater schickte ihn auf eine Militärakademie, weil er dachte, das würde ihm gut tun. Er ging ohne ein Wort.â Rory schluckte schwer. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie wochenlang verzweifelt bei ihm angerufen hatte. Sie hatte es durch Paris erfahren müssen. Der letzten Person, durch die sie es erfahren hatte wollen.
âJamie und Paris waren ein Paar. Ich habe mich für sie gefreut. Wir unternahmen viel zusammen. Manchmal fühlte ich mich wie das fünfte Rad am Wagen, aber es war okay. Ich lernte damit zu leben.â Sie drückte seine Hand und verwundert darüber senkte er seinen Blick auf ihre Hände, die nun eng miteinander verschlungen waren. Sie zeigte keine Zeichen der Abwehr mehr. Sie suchte nun die Nähe. Vertrautheit.
âParis fand, dass ich Tristan nicht nachtrauern durfte. Sie schmiss in der Uni eine Party nach der anderen, um mich mit neuen Leuten bekannt zu machen. Auf einer lernte ich Logan kennen.â Er war ihr von Anfang an unsympathisch gewesen, aber Paris zu Liebe, lieà sie sich von ihm ausführen. Logan war ein reicher, verwöhnter Sohn eines mächtigen Zeitungsmogul. Sie hatte fast ein Jahr kein Date mehr gehabt. Sie war einsam. Es war heuchlerisch, aber sie wusste keinen anderen Ausweg.
âUnd dann kam Tristan zurück.â Sie konnte sich genau erinnern. Es war im Herbst gewesen. Einer dieser stürmischen Tage, verregnet und trüb. Ãberall auf dem Campus hatte man sich den Weg durch das dicke, nasse Laub auf dem Boden kämpfen müssen. Sie war gerade auf dem Rückweg von einer Vorlesung gewesen. Ihre Bücher und Notizen zusammen mit ihrem Mantel an ihre Brust gedrückt und den Blick, wegen des eisigen Winds gesenkt, war sie in ihre Wohnanstalt gekommen. Erst im Flur hatte sie ihren Blick wieder gehoben. Das nächste, an das sie sich erinnerte, war der laute Knall mit dem ihre Bücher zu Boden gefallen waren.
Er hatte die Haare kürzer und sie standen ihm nicht mehr in sämtliche Richtungen ab. Seine Augen wirkten reifer, erfahrener und in seinem Blick dachte sie Reue zu erkennen. Ihre Augen hatte sie weit aufgerissen und das einzige Wort, das ihre Lippen verlassen hatte, war ein leises, geflüstertes âHey.â. Er hatte gelächelt, war von seinem Platz am Boden vor ihrer Tür aufgestanden und mit einem Kaffeebecher in der Hand auf sie zugekommen. Sie erinnerte sich an jeden einzelnen Moment dieser Begegnung, als wäre es gestern gewesen. Tristan war zurück gekommen, und sie fühlte sich als wäre ihr ganzes Leben in einem einzigen riesigen Chaos versunken. Ein Gefühl, dass sie zukünftig noch öfters verfolgen würde.
âEs war... Ich hatte ihn ein Jahr lang nicht gesehen. Nichts von ihm gehört und dann stand er da.â Es war, als ob seit dem Tag an dem er gegangen war, die Zeit stehen geblieben wäre und sie jetzt genau an dieser Stelle weitermachen würden. Als wäre das Alles niemals geschehen.
âIch habe ihn in meine Wohnung gebeten und wir haben geredet. Ãber belanglose Dinge, wie Arbeit oder College. Es war wie früher.â Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und Jess erwiderte es. Es beruhigte ihn, dass sie ohne Zwang darüber reden konnte. Dass sie ihm sich anvertraute.
âUnd dann... Dann kam Logan... zusammen mit Jamie.â Ihre Stimme stockte auf einmal. Ihre Hand verkrampfte sich in seiner und sie wich seinem Blick aus. Jamies kalte Augen von damals verfolgten sie noch heute im Schlaf. Seine Wut, sein Ausbruch. Ihm war Tristan noch aus der Highschool bekannt gewesen. Er hatte gewusst, wie sehr Rory unter der Trennung gelitten hatte. Er hatte es mitbekommen, als sie monatelang mit ihm und Paris ihre Zeit verbracht hatte. Immer abwesend, den Blick glasig.
Logan war freundlich auf Tristan zugegangen. Er hatte keine Ahnung gehabt, auf wen er genau traf. Rory hatte ihm nur flüchtig von Tristan erzählt gehabt, aber Jamie war vollkommen bewusst gewesen, wem er gegenüberstand.
âEr wollte mich beschützen. Es ging einfach alles so schnell.â Rory stockte kurz und wischte sich eine Träne von ihrer Wange. âBevor ich mich versah, hatte er Tristan am Boden und fing an auf ihn einzuschlagen. Ich war so verzweifelt.â Jess drückte Rorys Hand und versuchte sie damit etwas zu beruhigen. Vergeblich. Ihre Stimme fing an zu zittern.
âEs ging alles so schnell. Ich fing an zu schreien, dass er aufhören sollte, aber machte einfach immer weiter. Logan versuchte die Beiden zu trennen, aber er schaffte es nicht.â Sie konnte noch immer das Geräusch hören, wie Jamies Faust auf Tristans Gesicht traf. Wieder und wieder. Bei jedem einzelnem Mal ein Laut, als würde man Sand auf Holz reiben. Es schmerzte in ihren Ohren. Noch heute. Jede Nacht.
Tristan hatte verzweifelt versucht sich zu wehren, die Hände schützend vor sein Gesicht gehoben. Dann hatte Jamie angefangen in seine Rippen zu schlagen. Das schmerzhafte Aufstöhnen, was dabei aus Tristans Mund gekommen war, hatte sie damals nur noch mehr verzweifeln lassen. Sie hatte geschrieen er soll aufhören, aber er hatte einfach weiter gemacht. Sie hatte geschrieen, dass er Tristan noch umbringt, er hatte nicht gestoppt. Erst als Logan aus dem Zimmer gerannt war, um Hilfe zu holen und mit zwei jungen Männern zurückkam, hatten sie Jamie stoppen können. Als sie ihn von Tristan wegzerrten, hatte er nur verachtende Worte für ihn übrig. Dann traf sein Blick auf Rorys und noch heute glaubte sie keine Reue in seinen Augen gesehen zu haben. Nur Mitleid und Hass. Abgrundtiefen Hass.
âWir haben ihn danach ins Krankenhaus gebracht. Logan und ich. Drei Tage danach bekam ich einen Anruf, er sei wieder okay. Ich fuhr hin und...â Er war nicht mehr da gewesen. Er hatte das Krankenhaus verlassen, ohne ein weiteres Wort mit ihr zu wechseln. Ohne ihr zu sagen warum. Genauso wie damals. Alles was sie vorgefunden hatte, war ein leeres, gemachtes Krankenhausbett.
âEr ist einfach wieder gegangen.â Eine einzelne Träne rollte über Rorys Wange und Jess musste sich zwingen sie nicht mit seiner Hand wegzuwischen. Stattdessen drückte er ihre Hand nur noch mehr um sie wissen zu lassen, dass er da ist. Ihr zuhört. Sie lächelte schwach bei seiner Geste und er wusste, dass sie verstanden hatte.
âDen Tag darauf kam Jamie. Logan war nicht da also lieà ich ihn rein. Er wollte sich entschuldigen. Er bereute nicht, dass er Tristan geschlagen habe, er bereute, dass er mich damit verletzt habe.â Rory schluckte den KloÃ, der sich in ihrem Hals gebildet hatte hinunter und schloss die Augen. âEr sagte er habe es für mich getan. Ich glaubte ihm. Und es ist einfach passiert...â
Seine Küsse waren voller Mitleid gewesen. Mitleid mit ihr, aber es hatte sie nicht gestört. Alles, was sie zu dem Zeitpunkt gewollt hatte, war Nähe zu jemandem. Ihr war es egal gewesen, ob es Jamie war oder jemand anders. Ihr war es egal gewesen, wen sie damit verletzte. Logan. Paris. Die Namen waren verschwommen gewesen. Die Personen vor ihrem inneren Auge in diesen Augenblicken unklar und in weiter Ferne. Sie hatte einfach nur etwas fühlen wollen. Etwas reales. Und sie hatte nicht bereut. Nicht am nächsten Morgen, als er sich mit einem Kuss verabschiedet hatte. Nicht am nächsten Tag, als er am Abend wieder zu ihr gekommen war. Und nicht die Monate darauf.
Ironischerweise hatte Paris recht gehabt. Jamie hatte sich in sie verliebt. Und sie hatte sich an dieses Gefühl geklammert. Sie hatte gewusst, dass Logan sie nicht liebt. Es war zu offensichtlich gewesen. Bald darauf hatten sie aufgehört sich zu treffen und Logan ging seine eigenen Wege. Rory hatte dies nur mit einem Lächeln hingenommen.
âIch fühlte mich noch nicht einmal schuldig. Man sollte sich bei so etwas doch schuldig fühlen oder?â, fragte Rory verzweifelt, lieà Jess aber keine Zeit um zu antworten. âEr hat gesagt er liebt mich und ich glaubte ihm. Daran ist doch nichts falsches.â
âNein. Daran ist nichts falsch.â, bestätigte Jess sanft und strich mit seinem Daumen über ihren Handrücken. Er konnte verstehen, wie sich Rory gefühlt haben musste. Alleine und verlassen. Wie er damals. Das Gefühl der Einsamkeit hatte ihn jahrelang begleitet und tat es auch heute noch.
âAber es war heuchlerisch.â, flüsterte Rory und ihre Stimme wurde kalt. âHeuchlerisch.â Er hatte ihr versprochen, er würde mit Paris reden. Jede Nacht hatte er ihr gesagt er würde es tun. Immer und immer wieder. Und sie hatte es für wahr gehalten. Sie hatte jedes einzelne Wort, was über seine Lippen gekommen war, wie Hoffnung in sich aufgesaugt. Hoffnung darauf, dass er ihr das geben konnte, nach dem sie sich sehnte. Noch heute.
âNichts daran ist heuchlerisch.â, begann Jess. âEs ist nun mal so wie die Dinge gehen. Niemand kann so etwas voraussehen.â Nein, niemand kann das so etwas voraussehen. Genauso wenig wie bei ihm. Sie waren sich ähnlicher, als sie beide dachten. Beide einsam. Dem Gefühl jahrelang ausgesetzt. Verzweifelt.
âJa vielleicht.â, hauchte sie und senkte wieder ihren Blick. âAber dennoch war es ein Fehler.â Paris hatte sie nie wieder gesprochen. Als Jamie ihr gesagt hatte, er hätte alles geklärt, hatte sie es hingenommen. Kein einziges Mal hatte sie an Paris gedacht. Kein einziges Mal daran, wie diese sich gefühlt hatte. Die Schuld gab sie nicht sich selber. Sie gab sie ihrer Situation. Heuchlerisch.
âSie haben Recht.â, sagte sie und schaute wieder zu Jess auf. Dieser schaute sie verwirrt an. âEs tut gut darüber zu reden.â Er lächelte sie kurz an. Vorsichtig hob er eine Hand und strich ihr die Tränen von der Wange. Sie lächelte ihn schwach an. Noch vorsichtiger als zuvor legte er seinen Arm um ihre Schulter und beobachtete dabei jede ihrer Reaktionen. Langsam lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter und versuchte das Gefühl der Geborgenheit für ein paar Augenblicke mehr in sich zu bewahren. Nur für ein paar Augenblicke mehr.
TBC
Vorschau :
âWoher wussten sie, dass es gut tut darüber zu reden?â, wiederholte sie ihre Frage und atmete tief durch. Er begann leicht mit seiner Hand ihren Oberarm rauf und runter zu fahren und atmete, bevor er ihr antwortete, tief durch.
âIch denke das lernt man vom Leben.â, begann er. âIrgendwann erkennt man es. Manche finden es früher, manche erst später.â
âHaben sie es früh erkannt?â
Jess schloss die Augen.
âJa.â, flüsterte er und sie hob leicht ihren Kopf, um ihn anzublicken.
4.15h-5.00h
Sie hatte ihn das erste Mal in der Highschool kennen gelernt. Damals war sie noch mit Tristan ausgegangen. Diese Tatsache hatte sie vor Paris zunächst verschwiegen, hatte sie doch gewusst, dass diese selbst in Tristan verliebt gewesen war. Rory wollte immer vermeiden anderen Menschen Schaden zuzufügen. Meistens versagte sie.
âAls ich ihn kennen gelernt habe, habe ich versucht ihn mit einer Freundin zu verkuppeln.â, lachte Rory leicht. âIch fühlte mich schuldig. Paris war jahrelang in Tristan verliebt gewesen und als er und ich dann anfingen auszugehen, versteckte ich das vor ihr, um sie zu schützen. Langsam wird mir klar, dass ich nur mich selber schützen wollte.â
Jamie hatte sie zusammen mit Paris auf einer Lernfahrt nach Washington kennen gelernt. Er hatte Paris zu einem Date eingeladen und sie hatte sich für sie gefreut. Aufrichtig. Es war das erste Mal gewesen, dass Paris ein Date hatte, abgesehen von Rorys damaligem Versuch eines mit Tristan zu arrangieren. Ironischerweise hatte Paris schon damals Angst gehabt Jamie könnte sich in Rory verlieben.
âParis hat mich im Schrank versteckt, weil sie Angst hatte, wenn Jamie mich sieht, würde er lieber mit mir als mit ihr ausgehen. Ich habe sie damals paranoid genannt. Wer hätte ahnen können, dass es wirklich mal so sein würde?â
âWas wurde aus Tristan?â, fragte Jess und merkte, wie Rory kurz die Luft anhielt.
âEr ging. Sein Vater schickte ihn auf eine Militärakademie, weil er dachte, das würde ihm gut tun. Er ging ohne ein Wort.â Rory schluckte schwer. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie wochenlang verzweifelt bei ihm angerufen hatte. Sie hatte es durch Paris erfahren müssen. Der letzten Person, durch die sie es erfahren hatte wollen.
âJamie und Paris waren ein Paar. Ich habe mich für sie gefreut. Wir unternahmen viel zusammen. Manchmal fühlte ich mich wie das fünfte Rad am Wagen, aber es war okay. Ich lernte damit zu leben.â Sie drückte seine Hand und verwundert darüber senkte er seinen Blick auf ihre Hände, die nun eng miteinander verschlungen waren. Sie zeigte keine Zeichen der Abwehr mehr. Sie suchte nun die Nähe. Vertrautheit.
âParis fand, dass ich Tristan nicht nachtrauern durfte. Sie schmiss in der Uni eine Party nach der anderen, um mich mit neuen Leuten bekannt zu machen. Auf einer lernte ich Logan kennen.â Er war ihr von Anfang an unsympathisch gewesen, aber Paris zu Liebe, lieà sie sich von ihm ausführen. Logan war ein reicher, verwöhnter Sohn eines mächtigen Zeitungsmogul. Sie hatte fast ein Jahr kein Date mehr gehabt. Sie war einsam. Es war heuchlerisch, aber sie wusste keinen anderen Ausweg.
âUnd dann kam Tristan zurück.â Sie konnte sich genau erinnern. Es war im Herbst gewesen. Einer dieser stürmischen Tage, verregnet und trüb. Ãberall auf dem Campus hatte man sich den Weg durch das dicke, nasse Laub auf dem Boden kämpfen müssen. Sie war gerade auf dem Rückweg von einer Vorlesung gewesen. Ihre Bücher und Notizen zusammen mit ihrem Mantel an ihre Brust gedrückt und den Blick, wegen des eisigen Winds gesenkt, war sie in ihre Wohnanstalt gekommen. Erst im Flur hatte sie ihren Blick wieder gehoben. Das nächste, an das sie sich erinnerte, war der laute Knall mit dem ihre Bücher zu Boden gefallen waren.
Er hatte die Haare kürzer und sie standen ihm nicht mehr in sämtliche Richtungen ab. Seine Augen wirkten reifer, erfahrener und in seinem Blick dachte sie Reue zu erkennen. Ihre Augen hatte sie weit aufgerissen und das einzige Wort, das ihre Lippen verlassen hatte, war ein leises, geflüstertes âHey.â. Er hatte gelächelt, war von seinem Platz am Boden vor ihrer Tür aufgestanden und mit einem Kaffeebecher in der Hand auf sie zugekommen. Sie erinnerte sich an jeden einzelnen Moment dieser Begegnung, als wäre es gestern gewesen. Tristan war zurück gekommen, und sie fühlte sich als wäre ihr ganzes Leben in einem einzigen riesigen Chaos versunken. Ein Gefühl, dass sie zukünftig noch öfters verfolgen würde.
âEs war... Ich hatte ihn ein Jahr lang nicht gesehen. Nichts von ihm gehört und dann stand er da.â Es war, als ob seit dem Tag an dem er gegangen war, die Zeit stehen geblieben wäre und sie jetzt genau an dieser Stelle weitermachen würden. Als wäre das Alles niemals geschehen.
âIch habe ihn in meine Wohnung gebeten und wir haben geredet. Ãber belanglose Dinge, wie Arbeit oder College. Es war wie früher.â Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und Jess erwiderte es. Es beruhigte ihn, dass sie ohne Zwang darüber reden konnte. Dass sie ihm sich anvertraute.
âUnd dann... Dann kam Logan... zusammen mit Jamie.â Ihre Stimme stockte auf einmal. Ihre Hand verkrampfte sich in seiner und sie wich seinem Blick aus. Jamies kalte Augen von damals verfolgten sie noch heute im Schlaf. Seine Wut, sein Ausbruch. Ihm war Tristan noch aus der Highschool bekannt gewesen. Er hatte gewusst, wie sehr Rory unter der Trennung gelitten hatte. Er hatte es mitbekommen, als sie monatelang mit ihm und Paris ihre Zeit verbracht hatte. Immer abwesend, den Blick glasig.
Logan war freundlich auf Tristan zugegangen. Er hatte keine Ahnung gehabt, auf wen er genau traf. Rory hatte ihm nur flüchtig von Tristan erzählt gehabt, aber Jamie war vollkommen bewusst gewesen, wem er gegenüberstand.
âEr wollte mich beschützen. Es ging einfach alles so schnell.â Rory stockte kurz und wischte sich eine Träne von ihrer Wange. âBevor ich mich versah, hatte er Tristan am Boden und fing an auf ihn einzuschlagen. Ich war so verzweifelt.â Jess drückte Rorys Hand und versuchte sie damit etwas zu beruhigen. Vergeblich. Ihre Stimme fing an zu zittern.
âEs ging alles so schnell. Ich fing an zu schreien, dass er aufhören sollte, aber machte einfach immer weiter. Logan versuchte die Beiden zu trennen, aber er schaffte es nicht.â Sie konnte noch immer das Geräusch hören, wie Jamies Faust auf Tristans Gesicht traf. Wieder und wieder. Bei jedem einzelnem Mal ein Laut, als würde man Sand auf Holz reiben. Es schmerzte in ihren Ohren. Noch heute. Jede Nacht.
Tristan hatte verzweifelt versucht sich zu wehren, die Hände schützend vor sein Gesicht gehoben. Dann hatte Jamie angefangen in seine Rippen zu schlagen. Das schmerzhafte Aufstöhnen, was dabei aus Tristans Mund gekommen war, hatte sie damals nur noch mehr verzweifeln lassen. Sie hatte geschrieen er soll aufhören, aber er hatte einfach weiter gemacht. Sie hatte geschrieen, dass er Tristan noch umbringt, er hatte nicht gestoppt. Erst als Logan aus dem Zimmer gerannt war, um Hilfe zu holen und mit zwei jungen Männern zurückkam, hatten sie Jamie stoppen können. Als sie ihn von Tristan wegzerrten, hatte er nur verachtende Worte für ihn übrig. Dann traf sein Blick auf Rorys und noch heute glaubte sie keine Reue in seinen Augen gesehen zu haben. Nur Mitleid und Hass. Abgrundtiefen Hass.
âWir haben ihn danach ins Krankenhaus gebracht. Logan und ich. Drei Tage danach bekam ich einen Anruf, er sei wieder okay. Ich fuhr hin und...â Er war nicht mehr da gewesen. Er hatte das Krankenhaus verlassen, ohne ein weiteres Wort mit ihr zu wechseln. Ohne ihr zu sagen warum. Genauso wie damals. Alles was sie vorgefunden hatte, war ein leeres, gemachtes Krankenhausbett.
âEr ist einfach wieder gegangen.â Eine einzelne Träne rollte über Rorys Wange und Jess musste sich zwingen sie nicht mit seiner Hand wegzuwischen. Stattdessen drückte er ihre Hand nur noch mehr um sie wissen zu lassen, dass er da ist. Ihr zuhört. Sie lächelte schwach bei seiner Geste und er wusste, dass sie verstanden hatte.
âDen Tag darauf kam Jamie. Logan war nicht da also lieà ich ihn rein. Er wollte sich entschuldigen. Er bereute nicht, dass er Tristan geschlagen habe, er bereute, dass er mich damit verletzt habe.â Rory schluckte den KloÃ, der sich in ihrem Hals gebildet hatte hinunter und schloss die Augen. âEr sagte er habe es für mich getan. Ich glaubte ihm. Und es ist einfach passiert...â
Seine Küsse waren voller Mitleid gewesen. Mitleid mit ihr, aber es hatte sie nicht gestört. Alles, was sie zu dem Zeitpunkt gewollt hatte, war Nähe zu jemandem. Ihr war es egal gewesen, ob es Jamie war oder jemand anders. Ihr war es egal gewesen, wen sie damit verletzte. Logan. Paris. Die Namen waren verschwommen gewesen. Die Personen vor ihrem inneren Auge in diesen Augenblicken unklar und in weiter Ferne. Sie hatte einfach nur etwas fühlen wollen. Etwas reales. Und sie hatte nicht bereut. Nicht am nächsten Morgen, als er sich mit einem Kuss verabschiedet hatte. Nicht am nächsten Tag, als er am Abend wieder zu ihr gekommen war. Und nicht die Monate darauf.
Ironischerweise hatte Paris recht gehabt. Jamie hatte sich in sie verliebt. Und sie hatte sich an dieses Gefühl geklammert. Sie hatte gewusst, dass Logan sie nicht liebt. Es war zu offensichtlich gewesen. Bald darauf hatten sie aufgehört sich zu treffen und Logan ging seine eigenen Wege. Rory hatte dies nur mit einem Lächeln hingenommen.
âIch fühlte mich noch nicht einmal schuldig. Man sollte sich bei so etwas doch schuldig fühlen oder?â, fragte Rory verzweifelt, lieà Jess aber keine Zeit um zu antworten. âEr hat gesagt er liebt mich und ich glaubte ihm. Daran ist doch nichts falsches.â
âNein. Daran ist nichts falsch.â, bestätigte Jess sanft und strich mit seinem Daumen über ihren Handrücken. Er konnte verstehen, wie sich Rory gefühlt haben musste. Alleine und verlassen. Wie er damals. Das Gefühl der Einsamkeit hatte ihn jahrelang begleitet und tat es auch heute noch.
âAber es war heuchlerisch.â, flüsterte Rory und ihre Stimme wurde kalt. âHeuchlerisch.â Er hatte ihr versprochen, er würde mit Paris reden. Jede Nacht hatte er ihr gesagt er würde es tun. Immer und immer wieder. Und sie hatte es für wahr gehalten. Sie hatte jedes einzelne Wort, was über seine Lippen gekommen war, wie Hoffnung in sich aufgesaugt. Hoffnung darauf, dass er ihr das geben konnte, nach dem sie sich sehnte. Noch heute.
âNichts daran ist heuchlerisch.â, begann Jess. âEs ist nun mal so wie die Dinge gehen. Niemand kann so etwas voraussehen.â Nein, niemand kann das so etwas voraussehen. Genauso wenig wie bei ihm. Sie waren sich ähnlicher, als sie beide dachten. Beide einsam. Dem Gefühl jahrelang ausgesetzt. Verzweifelt.
âJa vielleicht.â, hauchte sie und senkte wieder ihren Blick. âAber dennoch war es ein Fehler.â Paris hatte sie nie wieder gesprochen. Als Jamie ihr gesagt hatte, er hätte alles geklärt, hatte sie es hingenommen. Kein einziges Mal hatte sie an Paris gedacht. Kein einziges Mal daran, wie diese sich gefühlt hatte. Die Schuld gab sie nicht sich selber. Sie gab sie ihrer Situation. Heuchlerisch.
âSie haben Recht.â, sagte sie und schaute wieder zu Jess auf. Dieser schaute sie verwirrt an. âEs tut gut darüber zu reden.â Er lächelte sie kurz an. Vorsichtig hob er eine Hand und strich ihr die Tränen von der Wange. Sie lächelte ihn schwach an. Noch vorsichtiger als zuvor legte er seinen Arm um ihre Schulter und beobachtete dabei jede ihrer Reaktionen. Langsam lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter und versuchte das Gefühl der Geborgenheit für ein paar Augenblicke mehr in sich zu bewahren. Nur für ein paar Augenblicke mehr.
TBC
Vorschau :
Zitat:
âWoher wussten sie, dass es gut tut darüber zu reden?â, wiederholte sie ihre Frage und atmete tief durch. Er begann leicht mit seiner Hand ihren Oberarm rauf und runter zu fahren und atmete, bevor er ihr antwortete, tief durch.
âIch denke das lernt man vom Leben.â, begann er. âIrgendwann erkennt man es. Manche finden es früher, manche erst später.â
âHaben sie es früh erkannt?â
Jess schloss die Augen.
âJa.â, flüsterte er und sie hob leicht ihren Kopf, um ihn anzublicken.