06.11.2005, 18:42
Akt 3
Ãlverschmierte StrauÃenfedern
Emily wacht in einer leeren Wohnung auf. Er ist tatsächlich weg. Verärgert verzieht sie das Gesicht und richtet sich auf, nach einem flüchtigen Blick auf die Uhr, lässt sie sich allerdings wieder schnell zurück in die Kissen fallen. Es ist noch nicht Mal Zehn und sie hat ihren freien Tag, also kann sie ruhig noch eine Weile vor sich hindösen. Ihr freier Tag. Da der Buchhalter verschwunden ist, wird sie sich etwas einfallen lassen müssen, wie sie ihn verbringt. Eigentlich kann sie dasselbe machen, wie die letzten zwei Wochen, ein Bad nehmen und lesen. Sie könnte auch ein wenig spazieren gehen, da er sich heute garantiert nicht im Hof herumtreibt und sie anflehen wird, ihn endlich wieder in ihre Wohnung und ihr Bett zu lassen. Nach dem Theater, das er die letzten zwei Wochen veranstaltet hat, schieÃt es ihr durch den Kopf, ist es eigentlich erstaunlich, dass er gegangen ist. Sehr sogar. Für gewöhnlich lässt er erst von ihr ab, wenn er wirklich nicht mehr kann. Zugegeben, sie ist die Letzte ist, die sich darüber beschweren würde. So unbeholfen er anfänglich war, er hat schnell gelernt und mittlerweile kommt sie auf mehr als nur ihre Kosten. Normalerweise zumindest. Bis auf gestern. Und sie ist selbst schuld daran, sie hätte es nicht zu machen brauchen. Aber irgendwie hatte sie gehofft, dass sie dem Akt vielleicht doch etwas abgewinnen würde. Irgendwie. Wie sie sich geirrt hat, alles woran sie dabei hat denken können, war Jefferson, dieser verdammte Mistkerl. An das Spiel, das er mit ihr gespielt hat. Sie schnaubt. Das gute alte Spiel. Nicht, dass sie es nicht mag, sie spielt es gerne. Zumindest solange sie dabei die Zügel in der Hand hat. Sie hat sie zwar in der Hand, hat sie seit Jefferson nicht mehr aus der Hand gegeben, aber manchmal wünscht sie sich, dass es einen Sinn ergeben würde. Das es ein Ziel gäbe. Ein Ziel, nun, der Buchhalter hat seines erreicht. Das denkt er zumindest und sie lässt ihn gerne in dem Glauben. Denn eigentlich hatte er Recht, auch wenn es nicht um mehr Spaà geht oder gar ihn betrifft. Man weià schlieÃlich nie an was für Kerle man gerät, sie hat bisher Glück gehabt. Deshalb schläft sie auch so gerne mit Richard. Bei ihm weià sie, woran sie ist. Meistens jedenfalls und im Grunde seines Herzens ist er ein anständiger Kerl. Selbst wenn nicht, es ist egal, sie hat schlieÃlich nicht vor ihn zu heiraten. Was nicht egal ist, ist die Frage, was ein Kerl, der eine Rolex am Handgelenk trägt, unter "etwas teuer" versteht. Sie fragt sich, was diese Pille tatsächlich kostet und wovon sie sie bezahlen soll. Wenn sie Glück hat, kann Paul sie ihr unter der Hand beschaffen. Andererseits, wenn Paul sie ihr beschafft, dann wird er ebenso wie Richard früher oder später darauf beharren, sie ohne Kondom zu vögeln. Zwar kann sie beim Buchhalter sicher sein, dass sie sich nichts einfangen wird - er ist eben doch eine treue Seele, irgendwie - aber Paul!?! Er fällt also weg, ebenso wie Abe. Louis, fällt ihr ein. Sie weiÃ, dass Silvias Freund Kontakte hat. Seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, heiÃt zwar Silvias Stiefel lecken zu müssen, aber was soll's. AuÃerdem, wenn sie sich geschickt anstellt, bekommt ihre Kollegin vielleicht nichts von der Sache mit. SchlieÃlich hat Louis ihr mehr als einmal einen zweideutigen Blick zugeworfen und nach allem was sie so von Silvia mitbekommen hat, dürfte es nicht einmal ein allzu groÃes Opfer sein. Louis also, perfekt. Sie hört jemanden auf der Feuerleiter und stellt sich schlafend, versucht dabei angestrengt die Schritte zu identifizieren. Richard. Er ist wieder da. Fragt sich nur weshalb. Blöde Frage, schieÃt es ihr augenblicklich durch den Kopf, weshalb wird er wohl zurückgekommen ein, Emily!?!
Die Matratze gibt nach, er setzt sich auf den Bettrand und streicht ihr ein paar lose Strähnen aus dem Gesicht, im nächsten Moment spürt sie seine Lippen auf ihrer Wange, an ihrem Ohr. "Emily", flüstert er und sie gibt ein Brummen von sich, das hoffentlich dem eines aufwachenden Menschen ähnelt. "Ich habe uns Frühstück geholt", sagt er zu ihrem groÃen Erstaunen, bislang bestand ihr Frühstück aus einer schnellen Nummer und Kaffee. ÃuÃerst obskur also. Nun, vermutlich ist es seine Masche, um die Kondome langsam aber sicher gänzlich abzuschaffen. Männer, erst wird er ihr Frühstück machen, dann wird er ihr Honig aufs Bötchen und ums Maul schmieren, ihr sagen, wie schön sie ist. Alles nichts Neues und sie fragt sich, ob sie ihm sogar ein geheucheltes "Ich liebe dich", entlocken kann, wenn sie sich lange genug stur stellt. Aber es wäre nicht fair, sie haben bislang mit offenen Karten gespielt und daran sollte sich besser nichts ändern.
"Wie nett von dir", sagt sie deshalb mit einem angestrengten Lächeln.
"Du siehst wunderschön aus heute", erklärt er und sie lächelt heimlich in sich hinein, nicht nur schön, sondern wunderschön. So groà ist der Unterschied, ob mit oder ohne nun auch wieder nicht.
"Danke", entgegnet sie.
"Hast du irgendwo eine Bratpfanne?"
"Soll ich dir eine überziehen?"
"Rührei mit Speck", erklärt er beleidigt und steht wieder auf, sie beobachtet schweigend wie er die Küchenschränke durchforstet, schlieÃlich einen Topf hervorzieht und ihn etwas missmutig als Pfannenersatz verwendet. Sie steht derweil auf und tapst ins Badezimmer. Der Spiegel zeigt ihr eine furchtbar blasse Frau. Alles andere als wunderschön, nicht einmal die Kategorie ansehnlich erfüllt sie heute. Sie nimmt eine schnelle Dusche, putzt sich anschlieÃend die Zähne, ordnet ihre Haare neu und legt sorgfältig Make-Up auf. Als sie fertig ist, stellt sie zufrieden fest, dass Wimperntusche und Rouge sie immerhin in die Kategorie ganz hübsch zurück befördern. Sie atmet durch und geht sie zurück in das Zimmer. Der Buchhalter steht am Herd, ein beinahe rührendes Bild.
"Voilá", erklärt er stolz und in einem fürchterlichem Akzent, stellt den Topf auf den Tisch und sie verkneift sich ein Lachen. "Madame", er zieht ihr den Stuhl zurück und sie setzt sich, beobachtet Richard verstohlen, während er etwas von der seltsam verpanschten Ei und Speckmasse auf ihren Teller schaufelt, ihr Kaffee einschenkt. Der vollendete Gentleman. Zumindest bei Tageslicht.
"Machst du das für deine Verlobte auch?", erkundigt sie sich mit einem süffisanten Lächeln, er braucht einen Moment bevor er antwortet.
"Du siehst wirklich wunderschön aus heute", sagt er und sie verdreht die Augen. Lügner, denkt sie, stochert auf ihrem Teller herum, schiebt einige Eierschalen zur Seite, ehe sie sich eine Gabel in den Mund schiebt und der beiÃende Geschmack von Salz ihren Mund erfüllt. Sie kaut die Masse auf einem hohlen Zahn, er hat sich schlieÃlich wirklich Mühe gegeben. AuÃerdem hat sie jetzt eine Antwort auf ihre Frage, er hat ganz gewiss noch nie ein Frühstück zubereitet. Oder aber seine Verlobte hat keine Zunge. Der Gedanke amüsiert sie, ein leises Kichern und Richard sieht sie erstaunt an.
"Was?", fragt er, schiebt sich im selben Moment eine Gabel in den Mund und sie lacht nur noch mehr über sein unangenehm verzerrtes Gesicht, das Rührei, dass er wenig stilvoll in sein hastig hervorgezogenes Taschentuch spuckt.
"Verflucht, das ist widerlich", würgt er hervor und schüttelt angewidert den Kopf und trinkt hastig einen groÃen Schluck Kaffee. "Tut mir leid", sagt er. "Bei unserer Köchin sah es immer so einfach aus."
Eine Köchin, wie selbstverständlich er es sagt. Das Normalste der Welt für ihn bekocht zu werden. "Gut", sie steht auf und nimmt den Topf, kippt seinen Inhalt schwungvoll in den Mülleimer. "Ich werde es dir zeigen", erklärt sie und er sieht sie erstaunt an.
"Du kochst?"
"Ich kann es. Wenn ich will. Und ich will nicht, das kannst du mir glauben", sie stellt den Topf zurück auf den Herd und gibt Butter hinein. "Aber bevor ich verhungere, mache ich es eben", erklärt sie ihm, entschuldigt sie sich gleichzeitig bei sich selbst. Er kommt zu ihr, legt seine Arme um ihre Hüften und seinen Kopf auf ihre Schulter. Zwar ist sie so ziemlich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, aber solange er nicht zudringlich wird, wird sie es dabei belassen. Gekonnt schlägt sie die Eier auf, verquirlt sie, legt den Speck in die Pfanne, genieÃt seine Nähe. Diese schlichte Geste ist ihr mehr wert als jedes seiner leeren Worte.
"Das sieht wirklich richtig professionell aus", murmelt er, seine Lippen auf ihrem Hals, ein zärtlicher Kuss, dann löst er sich von ihr.
"Du solltest mir lieber die Milch geben, anstatt mir Komplimente zu machen", fordert sie ihn auf, er reicht ihr die Flasche.
"Es ist mein Ernst. Du bist wirklich die schönste Frau die ich kenne", sagt er und das geht ihr dann doch zu weit, man kann es im Eifer auch übertreiben.
"Von deiner Verlobten abgesehen", erwidert sie schnippisch und gieÃt etwas Milch in das Ei, er sagt nichts mehr. Ohnehin ist der Buchhalter seit ihrer ersten Nacht nie wieder auf einen ihrer Kommentare bezüglich seiner Verlobten eingegangen. Dennoch wüsste sie manchmal zu gerne mehr über sie, kennt ja nicht einmal ihren Namen. Sie wüsste gerne, wie sie aussieht, wie sie redet, wie sie sich bewegt. Zu schön, um sie zu vögeln.
Emily presst die Lippen aufeinander und stellt den Topf zurück auf den Tisch. "Voilá", erklärt sie mit der perfekten Betonung und nickt ihm zu, verteilt die goldgelbe Masse auf die Teller und er beginnt hungrig zu essen, ein Kompliment bezüglich ihrer Kochkünste - dabei ist es doch nur Rührei - sie schiebt derweil das Ei lustlos auf ihrem Teller herum, der Appetit ist ihr vergangen.
"Ich muss los", erklärt er nach einigen Minuten und sie nickt verwundert, ist noch verwunderter als er erst seinen Teller in die Spüle stellt, ihr dann einen Kuss auf die Wange drückt und ein "Wir sehen uns in ein paar Stunden", murmelt, fast so als wäre sie die Ehefrau, die sehnsüchtig auf seine Rückkehr wartet. Sie mag diese neue Wendung nicht, doch bevor sie etwas erwidern kann, ist er zum Fenster hinaus. Hektisch springt sie auf und folgt ihm, beugt sich über das Geländer der Feuerleiter. "Was soll das, Richard!?", ruft sie ihm mit leichter Verärgerung nach.
"Das wirst du noch früh genug erfahren", erwidert er, lehnt sich mit dem Rücken über das Geländer, um sie sehen zu können.
"Und was ist, wenn ich es gar nicht wissen will?"
"Weshalb hast du dann gefragt?"
Sie zieht die Augenbrauen zusammen, starrt einen Moment in sein Gesicht, während sie nachdenkt. "In Ordnung, in ein paar Stunden", stimmt sie letztendlich zu und er grinst. "Aber wenn du bis um Drei nicht wieder hier bist, wirst du vor verschlossenen Türen stehen. Ich habe schlieÃlich Besseres zu tun, als auf dich zu warten."
"Zieh dir was Hübsches an", fordert er sie auf und sein Kopf verschwindet wieder, die Eisentreppe gibt ächzende Geräusche unter seinem festen Schritt von sich.
"Zieh dir was Hübsches an", wiederholt sie leise. Als sie diesen Satz das letzte Mal von einem Mann gehört hat, wurde ihr ein paar Stunden später das Herz gebrochen. Zumindest hat es sich so angefühlt, denn natürlich, ihr Herz funktioniert noch bestens.
ATN: Danke für's FB. Very gentle