04.05.2007, 21:36
2. Kapitel
Einige Momente, die Rory wie lange Minuten vorkamen, hatte es gedauert, bis die Tür geöffnet wurde. Und da stand er⦠Jess. Seit ihrem letzten Treffen hier in Philadelphia hatte er sich äuÃerlich kaum verändert. Seine Haare waren nun nur ein wenig kürzer. Er trug einen Drei-Tage-Bart, ein schwarzes Hemd und Jeans. Seine Augen weiteten sich überrascht, als er Rory vor der Tür stehen sah. âRory?â, fragte er ungläubig. Nie im Leben hätte er wohl damit gerechnet, wer vor seine Tür stehen würde. Wie hätte er das auch wissen sollen? Rory schaute ihn an und atmete durch, zwang sich zu einem Lächeln. âHi, Jessâ¦â âWas machst du hier?â, fragte er. âAchâ¦ichâ¦ich war in der Nähe und da dachte ich, dass ich dich besuchen könnteâ Jess runzelte die Stirn leicht. Rory stockte der Atem. Sie hätte auch gleich wissen müssen, dass er ihr das nicht glauben würde. Doch glücklicherweise sagte Jess dazu nichts und bat sie herein. âDu warst also in der Nähe?â, fragte er und Rory nickte. âEs hat sich angeboten, für einen kleinen Besuch. Wir haben uns ja immerhin lange nicht mehr gesehenâ âIch hätte auch nicht mehr damit gerechnet, dass wir uns überhaupt nochmal sehenâ, meinte Jess, ein wenig mehr trockener, als er es hatte klingen lassen wollen. Nachdem er sie damals hier in Philadelphia geküsst hatte und sie ihm eine Abfuhr erteilt hatte, hatte er das als Abschied empfunden und hätte nicht mehr geglaubt, Rory überhaupt nochmal wiederzusehen. Und nun stand sie hier vor ihm und Jess fühlte sein Herz wieder so schnell schlagen, wie es bei noch keiner Frau geschlagen hatte. Zugegeben, hatte er nach Rory auch nie wieder eine richtig feste Beziehung gehabt. Er wollte es zwar nicht zugeben, doch sein Herz gehörte Rory. Und nun war sie hier bei ihm⦠Unauffällig musterte Jess sie. Rory sah noch schöner aus als sonst schon. Ihre langen, dunkelbraunen Haare waren wellig und glänzten im Tageslicht, ihre blauen Augen wirkten wie ein weiter Ozean und ihm fiel sogar auf, dass ihre Fingernägel in einem sanften weiÃ-ton lackiert waren. Als er auf ihre Finger schaute, fiel ihm auch dieser teuer aussehende Ring an ihrem rechten Ringfinger auf. War das etwa ein Verlobungsring? Jess lieà sich seine Gedanken nicht anmerken und versuchte sogar, diese Vermutung schnell wieder zu verdrängen und schaute Rory wieder ins Gesicht. Sie sah einfach nur schön aus, wie sie da stand und sich ein wenig nervös umsah. âWie geht es dir?â, fragte Jess dann einfach, weil Rory auf sein Kommentar hin noch nichts erwiedert hatte. Sie hätte es schon fast wieder bereut, her gekommen zu sein, bis Jess endlich die Initative ergriff und etwas sagte. âOh, es geht mirâ¦sehr gutâ âIch heirate baldâ, hatte sie noch dran hängen wollen, doch sie konnte nicht. âUnd wie geht es dir?â, fragte sie stattdessen. âGut⦠Zur Zeit ist einiges los. Ich schreibe an einem neuen Buch und stehe ein wenig unter Zeitdruck.â âKomme ich ungelegen?â Jess schüttelte den Kopf. âNein. Du auf keinen Fallâ¦â, erwiederte er und schaute sie an, ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. Auch Rory musste nun lächeln und plötzlich fühlte sie sich schon viel entspannter. âDann ist ja gutâ¦â Einen Moment lang schauten die Beiden sich einfach nur in die Augen. Rory merkte erst jetzt, wie sehr ihr das gefehlt hatte. Mit Logan hatte sie nie diesen intensiven Augen-Kontakt gehabt wie mit Jess. Sie hatte das Gefühl, als bräuchte sie keine Worte, um zu sagen, wie sie fühlte⦠Und gerade diese Tatsache machte Rory gerade Angst. Sie atmete durch, musste sich zusammenreiÃen. Sie durfte einfach nicht schwach werden. In einer Woche würde sie heiraten. âEigentlichâ¦bin ich gekommen, um dir zu sagen, dass ich heiraten werdeâ, sagte sie dann und sah deutlich, wie sich Jessâ Mimik veränderte. Er sah ein überrascht aus, aber auch leicht getroffen. Oder bildete sie sich das nur ein? âDas bedeutet also dieser riesen Klunker an deinem Fingerâ¦â, sagte er ungehalten. âIch hätte es mir denken können. Heiratest du diesen-⦠wie heiÃt der Typ nochmal?â âLoganâ, sagte sie kleinlaut. âJa, genau, Logan. Der Typ mit dem Porscheâ¦â âEr ist wirklich kein schlechter Mensch, Jessâ Er hob abwehrend die Hände. âIst schon gut, Rory. Du brauchst mir keine Rechenschaft schulden. Ich hatte nur schon immer eine kleine Abneigung gegen Leute wie Logan. Aber wenn du ihn heiraten willst, wirst du schon das Richtige tun, weil du nie etwas Unüberlegtes tun würdestâ âWenn du wüsstestâ¦â, sagte sie nur leise. Jess sagte darauf nichts, schaute sie nur schweigend, fast prüfend, an. âDu bist den ganzen Weg nach Philadelphia gekommen, nur um mir zu sagen, dass du heiratest?â Rory nickte leicht. âJa, genauâ¦â âOkayâ¦Das finde ich wirklichâ¦â Jess suchte nach dem richtigen Wort. Ja, wie sollte er das finden? Wie sollte er das auffassen? ââ¦nett. Ich hätte nicht erwartet, dass ich überhaupt noch irgendetwas aus deinem Leben mitkriege. Nicht, dass ich das wollen würde⦠Aber es verwirrt mich trotzdem etwasâ Durch seine Worte fühlte sich Rory in die Enge getrieben. Jess merkte das und er versuchte, sich etwas am Riehmen zu reiÃen. âOkay, vergiss das wieder⦠ist schon gut, Rory. Ich freue mich für dich. Meinen Glückwunschâ¦â Meinte er es wirklich ernst? Rory schaute zu ihm und lächelte nur leicht. âDankeâ âWann findet die Hochzeit denn statt?â âIn einer Wocheâ âIn einer Woche schon. Und dann hat dein Logan dich zu mir fahren lassen?â Rory schluckte leicht. Auf diese Frage war sie nicht vorbereitet gewesen. âErâ¦weià nicht, dass ich hier binâ Jess hob eine Augenbraue. Was hatte das zu bedeuten? âOkayâ¦â, sagte er dann aber nur. âDu wirst wohlâ¦deine Gründe haben. Wirst du heute wieder zurückfahren?â âNein. Eigentlich hatte ich vorgehabt, bis Freitag hier in Philly zu bleiben und mir ein paar Tage Auszeit vor der Hochzeit zu gönnenâ Jess nickte nur. Er hatte noch immer diesen skeptischen Blick drauf, als wolle er fragen âSo kurz vor der Hochzeit willst du nicht jede freie Minute mit deinem Zukünftigen verbringen?â Und irgendwie hatte er ja auch Recht⦠âOkayâ¦Du übernachtest wahrscheinlich im Hotelâ âUm ehrlich zu sein, habe ich mich darum gar nicht gekümmert. Es war eine mehr oder weniger spontane Entscheidung, hier her zu kommen. Ich muss mir also noch eine Unterkunft suchenâ Jess überlegte kurz, was er nun sagen sollte. Rory würde bald heiraten. Und nun hatte er die Chance, noch ein wenig Zeit mit ihr zu verbringen, bevor er sie wahrscheinlich für immer an einen anderen Mann verloren hätte. âAlso, wenn du willstâ¦kannst du auchâ¦na ja, hier⦠Du kannst in meinem Schlafzimmer schlafen und ich nehme das Sofa. Das ist kein Problem. Ich habe nicht oft Besuch und, naja, wir sind ja alte Freundeâ¦alsoâ¦wenn du willst, kannst du bei mir übernachtenâ Rory fragte sich wirklich, ob das so gut wäre. Wäre es nicht viel zu âgefährlichâ, wenn sie bei Jess schlafen würde? Aber sie würden doch in getrennten Räumen schlafen. AuÃerdem wollte ein Teil von ihr unbedingt hier bleiben. âOkay, klar. Das ist wirklich sehr nett von dir, dankeâ Er nickte lächelnd. âKein Problem⦠Wie wäre es, wenn wir heute Abend weiterreden? Ich muss jetzt gleich los, zu meinem Verlag. Gegen Sieben bin ich wieder hier, ich kann uns was zu Essen mitbringenâ Rory lächelte leicht und nickte. âDas klingt gutâ âOkay, wir sehen uns dann späterâ¦â Jess sah sie lächelnd an. Er konnte es kaum glauben. Rory war tatsächlich hier, bei ihm⦠Er wusste nicht, was es bedeutete. Doch falls es bedeutete, dass er noch eine Chance hätte, würde er sie wahrnehmen⦠Er nahm dann seine Jacke und ging aus der Wohnung.
Rory blieb alleine zurück, auf ihren Lippen ein Lächeln. Sie war zwar noch nie in dieser Wohnung gewesen, doch sie strahlte Sicherheit für Rory aus. Sofort fühlte sie sich geborgen. Sie ging in Jessâ Schlafzimmer und legte dort ihren Koffer ab, sah sich dann erst einmal in der Wohnung um. Sie war einfach neuigireg und wollte wissen, wie es aussah. Wie Rory es von Jess kannte, war es nicht besonders aufgeräumt. Es herrschte ein geordnetes Chaos, Rory erkannte Jess darin gleich wieder. Obwohl die Wohnung eindeutig eine Jungesellenbude war, strahlte sie auf Rory eine ungeheure Gemütlichkeit aus. So wohl hatte sie sich in den letzten Wochen nicht mehr gefühlt. Sie ging in die Küche und setzte erst einmal Kaffee auf, ein Blick in den Kühlschrank lieà nur gähnende Leere entdecken. Er schien wohl viel âdrauÃen zu essenâ. Im Wohnzimmer stand ein kleines Sofa und ein Tisch, sowie ein Fernseher und ein groÃes Regal, voll mit Büchern. Sie ging zu dem Regal und sah sich um, was er darin stehen hatte. Bei manchen Büchern musste sie lächeln, denn sie weckten Erinnerungen in Rory, wenn sie und Jess über das jeweilige Buch geredet hatten.
Doch plötzlich lenkte etwas anderes Roryâs Aufmerksamkeit auf sich. In einem der Bücher steckte etwas drinnen, es sah aus wie ein Lesezeichen. Vorsichtig, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie das Buch wirklich nehmen solle, zog Rory es aus dem Regal und schlug die Seite mit dem vermeindlichen Lesezeichen auf. Doch es war kein Lesezeichen, es war ein Foto⦠Und auf dem Foto war sie abgebildet. Rory stockte der Atem. Sie wusste gar nicht, dass Jess Fotos von ihr besaÃ. Das Bild war schon sehr alt. Es musste aus ihrem letzten Jahr an der High School gewesen sein. Das Jahr, in dem sie und Jess zusammen gewesen waren. Das Jahr, was das beste ihrer Jugend gewesen war. Sie atmete tief durch und sah kurz auf den Titel des Buches, welcher ihr erst jetzt auffiel. Oliver Twist.
Rory lächelte leicht, als sie das las. So hatte alles angefangen⦠Mit Oliver Twist.
Sie nahm das Foto in die Hand und drehte es um. Auf der Rückseite fand sie eine kleine Notiz.
Einige Momente, die Rory wie lange Minuten vorkamen, hatte es gedauert, bis die Tür geöffnet wurde. Und da stand er⦠Jess. Seit ihrem letzten Treffen hier in Philadelphia hatte er sich äuÃerlich kaum verändert. Seine Haare waren nun nur ein wenig kürzer. Er trug einen Drei-Tage-Bart, ein schwarzes Hemd und Jeans. Seine Augen weiteten sich überrascht, als er Rory vor der Tür stehen sah. âRory?â, fragte er ungläubig. Nie im Leben hätte er wohl damit gerechnet, wer vor seine Tür stehen würde. Wie hätte er das auch wissen sollen? Rory schaute ihn an und atmete durch, zwang sich zu einem Lächeln. âHi, Jessâ¦â âWas machst du hier?â, fragte er. âAchâ¦ichâ¦ich war in der Nähe und da dachte ich, dass ich dich besuchen könnteâ Jess runzelte die Stirn leicht. Rory stockte der Atem. Sie hätte auch gleich wissen müssen, dass er ihr das nicht glauben würde. Doch glücklicherweise sagte Jess dazu nichts und bat sie herein. âDu warst also in der Nähe?â, fragte er und Rory nickte. âEs hat sich angeboten, für einen kleinen Besuch. Wir haben uns ja immerhin lange nicht mehr gesehenâ âIch hätte auch nicht mehr damit gerechnet, dass wir uns überhaupt nochmal sehenâ, meinte Jess, ein wenig mehr trockener, als er es hatte klingen lassen wollen. Nachdem er sie damals hier in Philadelphia geküsst hatte und sie ihm eine Abfuhr erteilt hatte, hatte er das als Abschied empfunden und hätte nicht mehr geglaubt, Rory überhaupt nochmal wiederzusehen. Und nun stand sie hier vor ihm und Jess fühlte sein Herz wieder so schnell schlagen, wie es bei noch keiner Frau geschlagen hatte. Zugegeben, hatte er nach Rory auch nie wieder eine richtig feste Beziehung gehabt. Er wollte es zwar nicht zugeben, doch sein Herz gehörte Rory. Und nun war sie hier bei ihm⦠Unauffällig musterte Jess sie. Rory sah noch schöner aus als sonst schon. Ihre langen, dunkelbraunen Haare waren wellig und glänzten im Tageslicht, ihre blauen Augen wirkten wie ein weiter Ozean und ihm fiel sogar auf, dass ihre Fingernägel in einem sanften weiÃ-ton lackiert waren. Als er auf ihre Finger schaute, fiel ihm auch dieser teuer aussehende Ring an ihrem rechten Ringfinger auf. War das etwa ein Verlobungsring? Jess lieà sich seine Gedanken nicht anmerken und versuchte sogar, diese Vermutung schnell wieder zu verdrängen und schaute Rory wieder ins Gesicht. Sie sah einfach nur schön aus, wie sie da stand und sich ein wenig nervös umsah. âWie geht es dir?â, fragte Jess dann einfach, weil Rory auf sein Kommentar hin noch nichts erwiedert hatte. Sie hätte es schon fast wieder bereut, her gekommen zu sein, bis Jess endlich die Initative ergriff und etwas sagte. âOh, es geht mirâ¦sehr gutâ âIch heirate baldâ, hatte sie noch dran hängen wollen, doch sie konnte nicht. âUnd wie geht es dir?â, fragte sie stattdessen. âGut⦠Zur Zeit ist einiges los. Ich schreibe an einem neuen Buch und stehe ein wenig unter Zeitdruck.â âKomme ich ungelegen?â Jess schüttelte den Kopf. âNein. Du auf keinen Fallâ¦â, erwiederte er und schaute sie an, ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. Auch Rory musste nun lächeln und plötzlich fühlte sie sich schon viel entspannter. âDann ist ja gutâ¦â Einen Moment lang schauten die Beiden sich einfach nur in die Augen. Rory merkte erst jetzt, wie sehr ihr das gefehlt hatte. Mit Logan hatte sie nie diesen intensiven Augen-Kontakt gehabt wie mit Jess. Sie hatte das Gefühl, als bräuchte sie keine Worte, um zu sagen, wie sie fühlte⦠Und gerade diese Tatsache machte Rory gerade Angst. Sie atmete durch, musste sich zusammenreiÃen. Sie durfte einfach nicht schwach werden. In einer Woche würde sie heiraten. âEigentlichâ¦bin ich gekommen, um dir zu sagen, dass ich heiraten werdeâ, sagte sie dann und sah deutlich, wie sich Jessâ Mimik veränderte. Er sah ein überrascht aus, aber auch leicht getroffen. Oder bildete sie sich das nur ein? âDas bedeutet also dieser riesen Klunker an deinem Fingerâ¦â, sagte er ungehalten. âIch hätte es mir denken können. Heiratest du diesen-⦠wie heiÃt der Typ nochmal?â âLoganâ, sagte sie kleinlaut. âJa, genau, Logan. Der Typ mit dem Porscheâ¦â âEr ist wirklich kein schlechter Mensch, Jessâ Er hob abwehrend die Hände. âIst schon gut, Rory. Du brauchst mir keine Rechenschaft schulden. Ich hatte nur schon immer eine kleine Abneigung gegen Leute wie Logan. Aber wenn du ihn heiraten willst, wirst du schon das Richtige tun, weil du nie etwas Unüberlegtes tun würdestâ âWenn du wüsstestâ¦â, sagte sie nur leise. Jess sagte darauf nichts, schaute sie nur schweigend, fast prüfend, an. âDu bist den ganzen Weg nach Philadelphia gekommen, nur um mir zu sagen, dass du heiratest?â Rory nickte leicht. âJa, genauâ¦â âOkayâ¦Das finde ich wirklichâ¦â Jess suchte nach dem richtigen Wort. Ja, wie sollte er das finden? Wie sollte er das auffassen? ââ¦nett. Ich hätte nicht erwartet, dass ich überhaupt noch irgendetwas aus deinem Leben mitkriege. Nicht, dass ich das wollen würde⦠Aber es verwirrt mich trotzdem etwasâ Durch seine Worte fühlte sich Rory in die Enge getrieben. Jess merkte das und er versuchte, sich etwas am Riehmen zu reiÃen. âOkay, vergiss das wieder⦠ist schon gut, Rory. Ich freue mich für dich. Meinen Glückwunschâ¦â Meinte er es wirklich ernst? Rory schaute zu ihm und lächelte nur leicht. âDankeâ âWann findet die Hochzeit denn statt?â âIn einer Wocheâ âIn einer Woche schon. Und dann hat dein Logan dich zu mir fahren lassen?â Rory schluckte leicht. Auf diese Frage war sie nicht vorbereitet gewesen. âErâ¦weià nicht, dass ich hier binâ Jess hob eine Augenbraue. Was hatte das zu bedeuten? âOkayâ¦â, sagte er dann aber nur. âDu wirst wohlâ¦deine Gründe haben. Wirst du heute wieder zurückfahren?â âNein. Eigentlich hatte ich vorgehabt, bis Freitag hier in Philly zu bleiben und mir ein paar Tage Auszeit vor der Hochzeit zu gönnenâ Jess nickte nur. Er hatte noch immer diesen skeptischen Blick drauf, als wolle er fragen âSo kurz vor der Hochzeit willst du nicht jede freie Minute mit deinem Zukünftigen verbringen?â Und irgendwie hatte er ja auch Recht⦠âOkayâ¦Du übernachtest wahrscheinlich im Hotelâ âUm ehrlich zu sein, habe ich mich darum gar nicht gekümmert. Es war eine mehr oder weniger spontane Entscheidung, hier her zu kommen. Ich muss mir also noch eine Unterkunft suchenâ Jess überlegte kurz, was er nun sagen sollte. Rory würde bald heiraten. Und nun hatte er die Chance, noch ein wenig Zeit mit ihr zu verbringen, bevor er sie wahrscheinlich für immer an einen anderen Mann verloren hätte. âAlso, wenn du willstâ¦kannst du auchâ¦na ja, hier⦠Du kannst in meinem Schlafzimmer schlafen und ich nehme das Sofa. Das ist kein Problem. Ich habe nicht oft Besuch und, naja, wir sind ja alte Freundeâ¦alsoâ¦wenn du willst, kannst du bei mir übernachtenâ Rory fragte sich wirklich, ob das so gut wäre. Wäre es nicht viel zu âgefährlichâ, wenn sie bei Jess schlafen würde? Aber sie würden doch in getrennten Räumen schlafen. AuÃerdem wollte ein Teil von ihr unbedingt hier bleiben. âOkay, klar. Das ist wirklich sehr nett von dir, dankeâ Er nickte lächelnd. âKein Problem⦠Wie wäre es, wenn wir heute Abend weiterreden? Ich muss jetzt gleich los, zu meinem Verlag. Gegen Sieben bin ich wieder hier, ich kann uns was zu Essen mitbringenâ Rory lächelte leicht und nickte. âDas klingt gutâ âOkay, wir sehen uns dann späterâ¦â Jess sah sie lächelnd an. Er konnte es kaum glauben. Rory war tatsächlich hier, bei ihm⦠Er wusste nicht, was es bedeutete. Doch falls es bedeutete, dass er noch eine Chance hätte, würde er sie wahrnehmen⦠Er nahm dann seine Jacke und ging aus der Wohnung.
Rory blieb alleine zurück, auf ihren Lippen ein Lächeln. Sie war zwar noch nie in dieser Wohnung gewesen, doch sie strahlte Sicherheit für Rory aus. Sofort fühlte sie sich geborgen. Sie ging in Jessâ Schlafzimmer und legte dort ihren Koffer ab, sah sich dann erst einmal in der Wohnung um. Sie war einfach neuigireg und wollte wissen, wie es aussah. Wie Rory es von Jess kannte, war es nicht besonders aufgeräumt. Es herrschte ein geordnetes Chaos, Rory erkannte Jess darin gleich wieder. Obwohl die Wohnung eindeutig eine Jungesellenbude war, strahlte sie auf Rory eine ungeheure Gemütlichkeit aus. So wohl hatte sie sich in den letzten Wochen nicht mehr gefühlt. Sie ging in die Küche und setzte erst einmal Kaffee auf, ein Blick in den Kühlschrank lieà nur gähnende Leere entdecken. Er schien wohl viel âdrauÃen zu essenâ. Im Wohnzimmer stand ein kleines Sofa und ein Tisch, sowie ein Fernseher und ein groÃes Regal, voll mit Büchern. Sie ging zu dem Regal und sah sich um, was er darin stehen hatte. Bei manchen Büchern musste sie lächeln, denn sie weckten Erinnerungen in Rory, wenn sie und Jess über das jeweilige Buch geredet hatten.
Doch plötzlich lenkte etwas anderes Roryâs Aufmerksamkeit auf sich. In einem der Bücher steckte etwas drinnen, es sah aus wie ein Lesezeichen. Vorsichtig, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie das Buch wirklich nehmen solle, zog Rory es aus dem Regal und schlug die Seite mit dem vermeindlichen Lesezeichen auf. Doch es war kein Lesezeichen, es war ein Foto⦠Und auf dem Foto war sie abgebildet. Rory stockte der Atem. Sie wusste gar nicht, dass Jess Fotos von ihr besaÃ. Das Bild war schon sehr alt. Es musste aus ihrem letzten Jahr an der High School gewesen sein. Das Jahr, in dem sie und Jess zusammen gewesen waren. Das Jahr, was das beste ihrer Jugend gewesen war. Sie atmete tief durch und sah kurz auf den Titel des Buches, welcher ihr erst jetzt auffiel. Oliver Twist.
Rory lächelte leicht, als sie das las. So hatte alles angefangen⦠Mit Oliver Twist.
Sie nahm das Foto in die Hand und drehte es um. Auf der Rückseite fand sie eine kleine Notiz.
Ich dachte, dass du es vielleicht haben willst. Luke.
Also hat Luke ihm das Bild geschickt, schoss es Rory durch den Kopf. Sie wusste zwar, dass Luke noch Kontakt zu seinem Neffen hatte, aber sie hätte nicht gedacht, dass sie sich vielleicht auch über Rory unterhielten⦠Wie lange hatte Jess wohl schon dieses Bild?
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