~*Kapitel 18*~
Dorham, Frühjahr 2005
Jerusha erwachte von krachendem Gepolter vor ihrem Haus, das von lauten Rufen nach ihr begleitet wurde. Stöhnend krabbelte sie aus ihrem Bett, ging zum Fenster und schob den Vorhang ein Stück zur Seite. âOh Gottâ, murmelte sie und hastete die Treppen nach unten. Angekommen drehte sie hastig den Schlüssel einige Male und öffnete schlieÃlich die Tür.
âDu bist wach!â
âDas bin ichâ, erwiderte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. âUnd du bist betrunken.â
âIch habe ja auch schlieÃlich einen Grund zu feiern. Heute ist immerhin mein Hochzeitstag, der neununddreiÃigste. NeununddreiÃig Jahre muss man doch feiern.â
âDas hast du zu genüge getan, glaub mir.â
âNein, nein â wir müssen weiterfeiern, alleine feiern macht keinen SpaÃ, das habe ich schon den ganzen Tag getan und es hat keinen Spaà gemachtâ, Richard zog eine Flasche aus seiner Jacke. âNeununddreiÃigjähriger Bordeaux, vorzüglich, glaub mir, ich hab schon ein paar Gläser gekostet. Ein hervorragender Jahrgang.â
âWie bist du hergekommen?â, fragte Jerusha aus einem Anflug von Besorgnis.
âTaxi. An so einem Tag sollte man schlieÃlich nicht sparenâ, er entkorkte die Flasche. âAlso was ist?â
Jerusha nahm ihm den Wein ab. âKomm rein.â
âIch hoffe du hast Gläser. Du hast doch Gläser. Natürlich hast du Gläser.â
âDie habe ichâ, sie schob ihn ins Wohnzimmer und platzierte ihn auf der Couch. âWas willst du hier, Richard?â
âDas sagte ich doch schon: Feiernâ, erwiderte er. âDenn schlieÃlich habe ich heute vor neununddreiÃig Jahren, die Frau geheiratet, die mein Kind umgebracht hat.â
âWowh, nicht so schnellâ, Jerusha hob abwehrend die Hände. âIch glaube nämlich nicht, dass du weiÃt was du da sagst.â
âAch nein? Warst du nicht mal sogar eine Weile mit Brian Reynolds zusammen?â, fragte Richard mit süffisantem Unterton.
âIch war nie mit ihm zusammen, wir waren lediglich ein paar Mal ausâ, antwortete Jerusha.
âHast du sie auf diese Idee gebracht, oder war sie es selbst? Was habt ihr euch dabei gedacht?â, zischte er und nahm ihr die Weinflasche wieder aus der Hand. Etwas unbeholfen goss er den Bordeaux in eine leere Tasse auf dem Beistelltisch und trank einen tiefen Schluck, während Jerusha ihm fassungslos zusah. âWas? Warum siehst du mich so an? Habe ich nicht das Recht mich zu betrinken? Ist es nicht mein gutes Recht? Sie feiert doch sicherlich gerade mit Abraham. Wahrscheinlich lachen sie noch über den dummen, kleinen Richard, der sich an der Nase herum hat führen lassen.â
âWenn du dich hören konntest. Wenn du dich doch nur hören könntest. Das ist so was von erbärmlich, Richardâ, entgegnete sie aufgebracht. âGlaubst du etwa Emily hat sich das nicht reichlich überlegt? Kennst du sie etwa so schlecht nach all den Jahren? Denk nach, Gott, Richard, denk nach, bevor du so etwas sagst!â
âNachdenkenâ, er lachte laut auf. âDas habe ich in den letzten Tagen und Wochen ständig getan, immer und immer wieder seit Abraham mir ââ
âAbraham? Abraham hat es dir erzählt?â
âGlaubst du etwa, meine
Ex-Frau hat sich dazu herabgelassen, mir zu erzählen, dass sie vor vierzig Jahren unser gemeinsames Kind umgebracht hat?â
âHör auf!â, schrie Jerusha. âDenkst du sie hat sich das aus einer Laune heraus getan? Nein, Richard, gewiss nicht. Sie hat sich selbst dafür gehasst.â
âTrotzdem hat sie es getanâ, krakelte er und machte eine ausladende Handbewegung, bei der ein GroÃteil des Weines aus dem Becher schwappte und sich auf dem Boden ergoss.
âHast du mir überhaupt zugehört?â, sie schüttelte entsetzt den Kopf. âHast du auch nur eine Ahnung davon, was für einen Blödsinn du da redest? Glaubst du etwa, sie hätte es getan, wenn sie gewusst hätte, dass es euer Kind ist? Glaubst du wirklich ernsthaft sie hätte dann auch nur eine Sekunde daran gedacht?â
âWessen Kind hätte es denn sonst sein sollen?â
âWessen Kind?â, es war an Jerusha zu lachen. âWessen? Wer könnte es wohl gewesen sein? Nimm das Brett von deinem Kopf und denk Mal stark nach!â
âSag du es mir, vielleicht gibt es ja noch etwas das ich nicht über sie weiÃ, ich dachte immer ich wäre der Einzige mit dem sie zusammen war.â
âSie war verheiratet!â
âSie hat noch mit ihm geschlafen?â
Jerusha schüttelte entsetzt den Kopf. âLangsam frage ich mich mit wem du all die Jahre verheiratet warst.â
âDas tue ich auchâ, er nahm erneut einen tiefen Schluck. âErklär du es mir, Jerusha, erklär es mir.â
âNeinâ, sie biss sich auf die Lippen. âNein, das werde ich nicht. Du solltest jetzt besser gehen. Geh nach Hause und schlaf deinen Rausch aus. Vielleicht kannst du ja morgen wieder klar denken.â
âIch liebe diese Frauâ, murmelte er. âIch hab versucht sie zu hassen, aber es geht nicht.â
âRichardâ¦..â, setzte Jerusha an, sprach jedoch nicht weiter. Stattdessen nahm sie ihm die Tasse aus der Hand und griff nach einer Wolldecke. âHierâ, sie reichte sie ihm. âDu kannst auf der Couch schlafen.â
Richard nahm die Decke und sah sie hilflos an. âWas soll ich denn nur machen?â
âNichts. Tu einfach gar nichts. Das ist Emilys Sache, sie muss auf ihre Art und Weise damit umgehen.â
âIch will sie zurück.â
âSchlaf, Richard, leg dich hin und schlaf.â
âUnd morgen ist alles besser?â
âMorgen wirst du einen fürchterlichen Kater haben. Und den hast du verdientâ antwortete Jerusha und lies ihn alleine.
Detroit, Frühjahr 2005
âMrs. Palmer!â, rief die Sekretärin Abrahams erstaunt aus. âWie schön sie hier zu sehen. Mr. Palmer wird sich bestimmt über ihren Besuch freuen, zumal er ja ausgerechnet heute arbeiten muss. An seinem Geburtstag.â
âJa, das ist wirklich eine Schandeâ, Emily lächelte. âWürden sie mich bitte bei meinem Mann anmelden?â
âDas wird nicht nötig sein, gehen sie einfach rein.â
âDankeâ, sie betrat Abrahams Büro und dieser sah erstaunt auf.
âEmily, Liebling, was machst du denn hier?â, fragte er freudig überrascht.
âIch konnte einfach nicht mehr bis heute Abend wartenâ, entgegnete sie und zog ein flaches Päckchen hinter ihrem Rücken hervor. Vorsichtig platzierte sie es vor Abraham. âWillst du es nicht öffnen?â
âNichts lieber als dasâ, langsam öffnete er die blaue Schleife und schlug das Geschenkpapier zur Seite. âWasâ¦?â Er zog eine lederne Mappe hervor.
âDas wirst du schon noch sehenâ, Emily sah ihn an. âMach sie auf, Abraham. Mach sie einfach auf.â
âDa bin ich aber gespanntâ, er tat wie ihm geheiÃen und das Lächeln gefror in seinem Gesicht. âDas ist wohl ein schlechter Scherz.â
âDurchaus nichtâ, Emily lief um seinen Schreibtisch herum und nahm ihm die Mappe ab. Sie zog den obersten Stapel Papiere hervor und legte ihn vor Abraham. âDas sind die Papiere bezüglich der Annullierung unserer Ehe.â
âEmily, Emily, wann wirst du endlich begreifen, dass du und ich zusammengehörenâ, er hob grinsend die Augenbrauen. âAuÃerdem haben wir einen Vertrag.â
âDu bist der Vertragsbrüchige, mein Lieberâ, entschuldigend zog sie die Schultern nach oben. âDu hast Richard Dinge erzählt, die du laut Vertrag für dich behalten solltest. Es tut mir leid, ich halte mich nur an das Gesetz.â
Abraham lachte laut auf. âNa schön, dieser Punkt geht an dich, aber du solltest nicht vergessen, weshalb du überhaupt zu mir zurückgekommen bist â des Geldes wegen.â
âDas ist wohl wahr. Und du hast mir erzählt, dass du es mir unter keinen Umständen geben kannst. Aber stell dir vorâ, unerschütterlich zog einen zweiten Stapel aus der Mappe und legte ihn neben den ersten. âDurch einen unglaublichen Zufall habe ich herausgefunden, wem du die Papiere aus deiner groÃen Not heraus verkauft hast.â
âDu kannst mir nichts nachweisenâ, warf er trotzig ein.
âAch nein? Erinnerst du dich noch an unseren kleinen Ausflug nach Stars Hollow, wie wütend ich darüber war, dass Lorelei ohne mich zu fragen Kontakt mit Thomas Heywood aufgenommen hat?â
âUnd?â
âEr hat mich ein paar Tage danach angerufen und um ein Treffen gebeten. Ich hätte dem normalerweise nie zugestimmt, wenn er mir nicht zu verstehen gegeben hätte, dass er mir etwas Wichtiges mitzuteilen hat. Und das hatte erâ, sie lächelte. âUnd nicht nur das, erst gestern war er auch so freundlich mir seine kompletten Anteile an der Heywood Inc. zu verkaufen. Anteile die du ihm aus unerfindlichen Gründen überschrieben hast.â
âDas kann er nicht machen!â
âDas hat er aber â und falls du jetzt auf den Vertrag, den du mit ihm hast, zu sprechen kommst â der war nur solange gültig, wie er sich versprechen konnte, entsprechende finanzielle Mittel von dir zur Verfügung gestellt zu kommen.â
âUnd die bekommt er doch auch.â
âIch fürchte, dass kannst du dir nicht mehr leistenâ, ein drittes Papier landete vor seiner Nase.
âDu bist gefeuert.â
âDu kannst mich nicht aus meiner eigenen Firma werfen!â
âDeine Firma? Meine Firma. Unsere Firma. Ich habe Geschwister wie du weiÃt. Sie alle haben Anteile an der Holding und wir haben uns darauf geeignet, dass es das Beste wäre, die Firma zu verkaufen.â Sie legte die komplette Mappe vor ihn. âHier findest du die notariell beglaubigten Kaufverträge. Es hat alles seine rechtliche Gültigkeit.â
âDas könnt ihr nicht machen! Ich habe diese Firma auf Vordermann gebracht, ihr würdet heute alle auf der StraÃe sitzen, wenn ââ
âWenn ich dich damals nicht geheiratet hätte. Sie waren mir etwas schuldig. AuÃerdem können sie von dem Erlös gut leben, sehr gut sogar. General Motors war so freundlich einen zweistelligen Millionenbetrag für die Heywood Inc. zu zahlen â und ich spreche nicht vom Zehnerbereich.â Sie grinste. âWas jetzt Abraham? Was wirst du jetzt wohl tun?â, sagte sie mit gespielter Anteilnahme.
Abraham fegte seinen Schreibtisch leer. âDas ist, das ist, du kannst nichtâ, japste er. âIch dachte du liebst mich.â
âDich lieben? Gott, denkst du etwa, ich hätte tatsächlich vergessen können wie unsere erste Ehe war? Denkst du etwa, ich hätte es auch nur eine Sekunde lang vergessen? Nein, Abraham, ich könnte niemals vergessen, was du mir damals angetan hast. Und auch jetzt. Du hast versucht Lorelei und Rory gegen mich auszuspielen â und wenn ich etwas nicht leiden kann, dann ist es wenn man versucht mich oder meine Familie zu manipulieren.â
âWarum hast du dann so getan, als würdest du glücklich sein. Warum hast du ââ
âWie sonst hätte ich freie Hand bekommen sollen? Du bist ein offenes Buch für mich. Wenn ich wollte, wüsste ich sicherlich alles. Kommen dir diese Worte bekannt vor? Glaubst du etwa ich hätte nicht bemerkt, dass du jeden meiner Schritte misstrauisch überwacht hast? Auch wenn es mir schwer fiel, aber ich musste wohl oder übel dafür sorgen, dass du mir zumindest ein gewisses Vertrauen entgegen bringst. Wie du siehst, hat es funktioniert. Ich habe endlich was mir zusteht.â
âWie kann man nur so herzlos und manipulativ sein?â
âSag du es mir, Abraham.â
âIch wollte immer nur dein Bestes, Emily.â
âMein Bestes?â, verbittert schüttelte sie den Kopf und deutete auf das Chaos aus Papieren und Stiften auf dem Boden. âDu hast eine halbe Stunde Zeit das Büro zu räumen, ansonsten sehe ich mich gezwungen den Sicherheitsdienst zu rufen.â Sie beugte sich über sein Ohr. âHappy Birthday,
Liebling. Ich hoffe dein Geschenk sagt dir zu.â
Stars Hollow, Frühjahr 2005
Nervös saà Lorelei in Lukes Diner und fuhr mit den Fingern den Rand ihrer Kaffeetasse nach, während sie in ihrem Kopf immer und immer wieder dieselben Szenarios abspielte. Aber egal wie oft sie es tat â sie hatte bislang noch keinen Weg gefunden, wie sie es Luke beibringen sollte. Dabei wollte sie ja, sie wollte es unbedingt, aber jedes Mal wenn sie kurz davor war, sagte ihr eine innere Stimme, tu das nicht, Lorelei, lass es bleiben. Nicht jetzt, nicht heute, morgen.
âLukeâ, rief sie. âIch brauche noch einen Kaffee.â
âDas wäre dann der Siebte, Loreleiâ, Luke sah sie tadelnd an. âKaffee enthält Stoffe, die dem menschlichen Organismus im Ãbermaà Schaden zufügen.â
âMeinem Organismus geht es gut, dankeâ, sie hielt ihm die Tasse unter die Nase und grummelnd schenkte er ihr nach. âDanke, ich verspreche dir â wowh, wowh, wowh â ich glaube meinem Organismus geht es doch nicht so gutâ, sprudelte sie hervor und deutete zur Tür, in der eben ihre Mutter erschienen war. âIch scheine Halluzinationen zu haben.â
âFalls du mich meinst, ich bin es tatsächlichâ, entgegnete Emily trocken.
âEmily, schön sie zu sehen!â
âWas machst du denn hier?â
âIch wohne hierâ, sie setzte sich.
âDu wohnst hier?â
âNun, natürlich nicht hier. Aber ich habe heute eine Wohnung in Hartford erstanden und dachte mir, es wäre doch viel netter, es dir persönlich mitzuteilen.â
âHartford? Wieso Hartford? Was ist mit Detroit?â
âWer würde schon in einer Stadt leben wollen, dessen bekanntester Einwohner ein ungehobelter Junge ist, der eine Vorliebe dafür hat sein Hinterteil vor laufenden Fernsehkameras zu entblöÃen?â
âIâm sorry, Mamaâ, erwiderte Lorelei augenverdrehend.
âWas?â
âNichts, das ist nur - ich, ach vergiss esâ, sie trank einen Schluck Kaffee. âIch sollte mal wieder dringend meinen Kleiderschrank aufräumenâ, zischte sie Luke zu und dieser verschwand grinsend hinter der Theke.
âNun, hast du heute Abend schon was vor? Ich dachte das gehört gefeiert.â
âEigentlich wollte ich heute noch ein paar Fanbriefe schreiben. Aber vielleicht willst du mir ja dabei helfen, ich habe nämlich immer Schwierigkeiten mit der Eröffnung â soll ich schreiben Gruezi Georgie-Boy, Hola Bushi-Mausi, Sehr geehrtes Ar-â
âLorelei! Du wirst nichts dergleichen tun!â
âSpielverderberâ, grummelte sie.
âAlso, was ist mit heute Abend?â
âMmmhhh, also weiÃt du, wir â so gerne ich auch -â, druckste Lorelei herum. âWir haben schon etwas vor.â
âEtwas das wichtiger ist, als ein Essen mit deiner Mutter, die du seit Wochen nicht mehr gesehen hast?â
âNa ja â¦â
âRaus mit der Sprache. Hast du vor deine Wäsche zu waschen? Deine Briefmarken zu sortieren? Dich von einer Brücke zu stürzen? Was könnte wohl wichtiger sein?â
âEin Essen mit meinem Vaterâ, rückte sie mit der Sprache heraus.
âOhâ, war alles was Emily erwidern konnte.
âMom, glaub mir, wenn wir nicht schon ââ
Emily unterbrach ihre Tochter. âLorelei, du musst dich nicht dafür entschuldigenâ, sie zog einen Umschlag aus ihrer Handtasche und reichte ihn Lorelei. âWenn du ihn sowieso siehst, dann kannst du ihm den vielleicht geben.â
âWas ist das?â, fragte Lorelei verwirrt.
âEin Pferd, Lorelei. Es ist ein Briefumschlag.â
âTatsächlich? Und was ist drin, Stan?â
âGib ihn einfach deinem Vater.â
âOkayâ, Lorelei steckte ihn in ihre Jackentasche und Emily musterte sie tadelnd.
âWarum wirfst du ihn nicht gleich in den nächsten Mülleimer? Wozu hast du eine Handtasche?â
âArghâ, sie zog den Umschlag erneut hervor und stopfte ihn mit demonstrativer Langsamkeit in ihre Tasche. âZufrieden?â
âWarum nicht gleich so?â
âWo wäre da der SpaÃ?â
âDu wirst wohl nie erwachsen.â
âKommt ganz darauf an, was du mir dafür zahlst.â
âGott, Lorelei.â
âWas sagt eigentlich dein Mann dazu?â
âWozu?â
âNa, dazu das du eine Wohnung in Hartford gekauft hast. Dazu das du deinem Ex-Mann Briefe über deine Tochter zukommen lässt.â
Emily nickte langsam. âNun, eigentlich wollte ich es dir unter anderen Umständen sagen, aberâ¦â
âAber?â
âIch habe mich von Abraham getrennt.â
Loreleis Kinnlade klappte nach unten. Einige Sekunden blickte sie immer schneller werdend von links nach rechts, ehe sie mit - für sie auÃergewöhnlich hoher Stimme - wieder die Sprache fand. âLuke! Luke! Nimm mir den Kaffe weg, sofort, nimm ihn mir weg und gib mir nie wieder welchen. Kaffee ist böse, der Teufel hat ihn uns aus der Hölle geschickt.â
âLorelei, bitte. Das ist wirklich keine angemessene Reaktion.â
âAch nein?â, sie sah sich suchend nach ihrem Mann um. âLuke!?!?â
âLorelei, lass das.â
âLass uns das Thema wechseln.â
âWieso willst du das Thema wechseln?â
âWeil ich es nicht fassen kann, dass meine Mutter scheinbar Elizabeth Taylor nacheifert.â
âIch eifere nicht Elizabeth Taylor nach. Und selbst wenn es so wäre, hättest du das nicht zu beurteilen. Ich habe schlieÃlich das gute Recht mit so vielen Männern -â
âIch bin schwanger.â
âDu bist was?â
âIch wollte nur das Thema wechselnâ, sie lachte nervös. âHat funktioniert.â
âDu bist schwanger?â
âKann schon sein.â
âDu bist schwanger?â
âVermutlich.â
âVermutlich?â
âIch gehe stark davon aus.â
âDu gehst stark davon aus?â
âMein Arzt tut es auch.â
âDas erzählst du mir hier?â
âIch wollte das Thema wechseln.â
âDu bist was?â, Luke war unbemerkt an den Tisch getreten und Lorelei schnalzte mit der Zunge. âDu bist schwanger?â, fragte er erneut.
âTja ââ, sie setzte ein unbehagliches Grinsen auf.
âDu hast es mir vor deinem Ehemann erzählt?â
Lorelei zuckte mit den Achseln. âDer Kaffee.â
âKein Kaffee mehr für dichâ, ihr Ehemann nahm ihr die Tasse auf der Hand und sie setzte ein entsetztes Gesicht auf, während ihre Mutter strahlte.
âGib mir sofort meinen Kaffee zurück!â
âIch werde GroÃmutter. Du bist schwanger. Und du bist verheiratet.â
âIch werde nie wieder das Thema wechselnâ, erwiderte sie mit einem verzweifelten Stöhnen.
âSie ist schwanger, Lukeâ, freudestrahlend wand sich Emily an ihren Schwiegersohn, doch ehe dieser antworten konnte, kam Lorelei ihm zuvor. Mit einem anklagenden Ton zeigte sie auf ihre Mutter. âUnd sie hat sich scheiden lassen.â
âDas wusstest du doch schonâ, erklärte Luke überwältigt. âDu bist wirklich schwanger?â
âSagt zumindest mein Arzt. Und nicht von meinem Dad, von Abraham.â
âWas?â, rief Luke verwirrt aus. âVon Abraham?â
âSchwanger bin ich natürlich von dir, aber Mom, sie hat sich von Abraham scheiden lassen.â
âMeine Tochter ist tatsächlich schwanger!â
âS.cheiÃe.â
âLuke!â, riefen Lorelei und Emily wie aus einem Mund.
âWas? Kinder sind, Kinder sind klein und sie schreien und niemand weià warum und wenn man sie fallen lässt, gehen sie kaputt und ââ
âDu wirst unser Kind nicht fallen lassen.â
âWieso?â, fragte Luke und seine Frau warf die Hände in die Höhe.
âWeil es kaputt gehen könnte.â
âNein, wiesoâ, wiederholte er seine Frage.
âÃhm - die Blumen und die Bienen und Boris Becker und die Wäschekammer.â
âNeinâ, er sah seine Schwiegermutter an. âWieso haben sie sich scheiden lassen?â
âWechsle nicht das Thema, Luke!.....mmmmhhâ¦ja, warum eigentlich?â
Emily senkte den Kopf und wischte einen Krümel vom Tisch. âWeià Rory es schon?â
âKeine Themenwechsel mehr!â
âDu hast damit angefangen, Lorelei.â
âJa, aber jetzt sind wir zwei gegen einen, also: WARUM?â
âWarum nicht? Ich habe, nun ja, ich habe einen Abschnitt meines Lebens beendet und einen neuen begonnen.â
âWas ist in dem Umschlag?â
âWelcher Umschlag?â, fragte Luke irritiert.
âLorelei!â
âMom!â
âWas?â
âMom!â
âLorelei!â
âWas ist drin!?!â
âEin Scheckâ, sie zuckte mit den Schultern. âEs ist ein Scheck.â
âEin Scheck!?!?â
âNun, wenn man etwas zu Ende bringt, dann richtig. Ich habe deinen Vater im Laufe der Jahre sehr viel Geld â â
Lorelei sprang auf. âWowh! Das ist krank!â
âDas ist meine einzige Möglichkeit komplett abzuschlieÃen.â
âKomplett abzuschlieÃen? Okay, dann kann ich ja nicht davon ausgehen, noch mal etwas von dir zu hören, da ich ja auch zu dieserâ, sie machte GänsefüÃchen mit den Händen. âVergangenheit gehöre.â
âSo war das doch nicht gemeint, Lorelei!â
âWie dann?â
âWarst du nicht immer diejenige, die um jeden Preis selbstständig sein wollte?â
âSchonâ, gab sie kleinlaut zu.
âNun, ich war mein Leben lang abhängig. Erst von meinen Eltern, dann von Abraham, dann von deinem Vater und dann wieder von Abraham. Wieso sollte ich zur Abwechslung nicht auch einmal unabhängig sein wollen?â
âWeil, weil du nicht der Typ dafür bist.â
Emily erhob sich. âDas werden wir sehenâ, erklärte sie schnippisch.
âMom, bitte, bleib hier. Lass uns einen Kaffee trinken und in Ruhe darüber reden.â
âNein, Lorelei. Ich weiÃ, dass ich in deinen Augen nur eine lächerliche Witzfigur bin, die nichts Besseres zu tun hat, als die Abstände zwischen Kerzenständern nachzumessen. Aber denkst du nicht, dass auch ich noch etwas mehr vom Leben zu erwarten habe, als ständig nur die Rolle zu spielen, die mir zugeteilt wird?â Ohne weiter auf ihre Tochter einzugehen, verlies Emily das Diner und lies eine verblüffte Lorelei zurück.
âLass uns beten, dass unser Kind nicht zuviel von ihren Genen abbekommen hat, sonst drehe ich durch.â
Luke lies sich auf den freigewordenen Stuhl fallen. âDu bist wirklich schwanger? Ich, ich werde Vater?â
âIch weiÃ, wir wollten mit dieser Sache noch warten. Es war nicht geplant, glaub mirâ, zerknirscht schob sie sich die Haare hinters Ohr.
âVater. Wie das klingt. Vaterâ, er rollte das R theatralisch.
âSehr schlimm?â
âNein, es klingt eigentlich ganz gutâ, er nahm Loreleis Hand. âIch mag es. Es hat sogar Chancen eines meiner Lieblingswörter zu werden.â
âEhrlich?â
âEhrlich.â
âAuch dann noch, wenn dieses Kind Wörter wie Personal, inkompetent und Todesstrafe in einem Satz verwendet?â
âAuch dann.â
âWas ist, wenn es sich Krokodillederhandtaschen und Perlenketten zu Weihnachten wünscht?â
âAuch das würde ich akzeptieren.â
âKrawatten â wenn es dich zwingen würde Krawatten zu tragen.â
âDann würde ich entweder mich oder den Balg an der Krawatte aufhängen.â
âSiehst du â es wird schrecklich werden.â
âEs könnte aber auch ein Junge sein.â
âIch habe nie gesagt, dass ich von einem Mädchen ausgehe.â
âDu hast gesagt, es will Handtaschen und Perlen.â
âEs gibt auch Jungs die auf so was stehen.â
âNicht mein Sohn.â
âUnd wenn doch?â
âDann werde ich eben statt des Superbowls, die Finals im Standardtanz mit ihm besuchen.â
âDas würdest du wirklich tun?â
âSolange ich keine Krawatte dabei tragen muss.â
Lorelei hechtete über den Tisch und fiel Luke stürmisch um den Hals. âGleich nach Aragorn bist du der tollste Mann den es gibt!â
âDann kann ich ja froh sein, dass wir nicht in Mittelerde leben, Arwen.â
âAllerdingsâ, Lorelei grinste. âAber was hältst du von Frodo, wenn es ein Junge wird?â
âUnd bei einem Mädchen?â, fragte er wenig begeistert.
âLorelei, was sonst!?!?â, entgegnete sie mit funkelnden Augen und küsste ihn zärtlich.
Hartford, Frühsommer 2005
âMmmh, mmmh, mmmhâ, wiederholte Lorelei geschäftig, ihr Telefon fest ans Ohr gepresst. âBis dannâ, sie legte auf und steckte das Mobiltelefon wieder in ihre Handtasche. âTut mir leid Mom, aber ich muss unser Abendessen leider verschieben.â
âLoreleiâ, protestierte Emily. âWir sind gerade Mal seit zehn Minuten hier! Hälst du es wirklich ncht länger als zehn Minuten mit deiner Mutter aus?â
âDoch natürlich. Aber wir haben einen Notfall im Hotelâ, entschuldigte Lorelei sich.
âEin Notfall?â
âMichel ist ganz alleine da.â
âDann stell jemanden ein.â
âIch brauche keine neuen Angestellten, Mom.â
âIch bin überrascht, du wirst in wenigen Monaten Mutter werden â wie willst du es dann regeln? Lässt du das Kind alleine zuhause, wenn Michel wegen eines Notfalls im Hotel anruft?â
âVielleicht werfe ich es auch einfach in die nächste Babyklappe.â
âDas wirst du nicht tun!â
âDas war ein Scherz, Mom. AuÃerdem muss ich jetzt wirklich los, sonst macht mir Michel noch einen auf Terminatorâ, hastig stand sie auf.
âLorelei, das Gespräch war noch nicht ââ, rief Emily ihr hinterher, erhielt jedoch keine Antwort. âIch fasse es nichtâ, sie warf ihre Serviette auf den Tisch und sah sich suchend nach dem Ober um.
âHalloâ, ertönte eine Stimme, von dem Platz auf dem eben noch Lorelei gesessen hatte.
Für einen Moment verschlug es Emily die Sprache. âWas willst du denn hier?â, fragte sie schlieÃlich ungehalten.
âIch kam zufällig an diesem bezaubernden Restaurant vorbei und habe sie hier so ganz alleine sitzen sehen.â
âSie?â Emily hob irritiert die Augenbrauen. âHast du endgültig den Verstand verloren?â
âIch wüsste nicht, dass wir uns gut genug kennen, um sich schon derartig intime Fragen zu stellen.â
âWas soll das, Richard?â
âScheinbar kennen sie mich dochâ, er deutete eine leichte Verbeugung an. âMein Name ist in der Tat Richard. Richard Gilmore.â
âFür einen Moment dachte ich, ich hätte Baron von Trapp vor mir.â
âWenn ich mich auch nach ihrem werten Namen erkundigen dürfte?â, fuhr er ungerührt fort.
âHör auf wie ein europäischer Adliger zu sprechen und sag mir lieber, was dieses überaus lächerliche Verhalten zu bedeuten hat.â
âLassen sie mich nachdenken. Katharina? Louise? Nein, das passt nicht ganz. Marie? Elizabeth? Ava?â
âRichard!â
âClara? Norma? Bridget? Tatjana? Sophie â oh nein, jetzt habe ich es! Esther! Sie sehen aus wie eine Esther.â
âHör sofort auf damit, oder ich sehe mich gezwungen, dich zu einem Psychiater zu schicken.â
âAlso keine Estherâ, er setzte ein angestrengt nachdenkendes Geicht auf. âValerie? Jessica? Samantha? Penelope? Isabelle? Annica? Nein? Nun, dann fallen mir jetzt beim besten Willen keine Namen mehr ein.â
âHast du getrunken?â
Der Ober trat an den Tisch und warf Richard einen misstrauischen Blick zu. âBelästigt dieser Herr sie, Mrs. Heywood?â, fragte er an Emily gewandt.
âHeywood!â, rief Richard fröhlich aus und Emily verdrehte die Augen.
âMadam?â, erkundigte er sich erneut.
âNein, ich denke nichtâ, sagte sie zum Ober und dieser verlies den Tisch mit einem skeptischen. âWie sie meinen.â
âHeywood also. Ein reizender Name. Wollen sie mir nicht auch noch den dazugehörigen Vornamen nennen? Unterhaltungen sind so steif, wenn man sich beim Nachnamen anredet.â
âNa schön. Ich weià zwar nicht was das soll, aber ich will deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Die letzten vierzig Jahre hast du mich für gewöhnlich Emily genannt.â
Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. âEmily! Natürlich, sie sehen auch eindeutig so aus. Der Name wird ihnen gerecht.â
âRichard!â, langsam begann Emily wirklich die Geduld zu verlieren. âSag mir endlich was das soll.â
âIch sagte doch schon, ich kam zufällig vorbei und ââ
âBlödsinn, du und Lorelei steckt doch wohl unter einer Decke. Ein Notfall im Hotel, das ich nicht lache. Also?â
âLorelei?â, fragte er mit gespielter Verwunderung und Emily griff nach ihrer Handtasche.
âIch denke, ich sollte jetzt besser gehen.â
âBitte nichtâ, er sah sie flehend an. âWissen sie, ich bin geschieden und nun ja, ich dachte mir es wäre an der Zeit, mal wieder etwas unter Menschen zu gehen. Vielleicht eine Frau kennen zu lernen. Denn meine Ex-Frau hat mir unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie mich aus ihrem Leben gestrichen hat.â
Emily seufzte. âHat sie das?â
âJa. Ein neues Leben, fern ab von der Vergangenheit.â
âIst es das? Tust du deshalb so, als würden wir uns nicht kennen, Richard?â
Er zuckte mit den Schultern. âWürden sie mir die Ehre erweisen mit mir zu essen?â
âIch ââ, hilflos sah sie ihn an.
âSag ja, Emily. Es ist doch nur ein Essen. Ein völlig unverbindliches Essen, zwischen zwei Menschen die sich gar nicht kennen. Wir werden ein paar Floskeln austauschen, und wer weiÃ, vielleicht stellen wir ja fest, dass wir uns mögen. Wer weià das schon?â
âEin Essen?â
âEine Essenâ, bestätigte er nickend.
Emily presste die Lippen aufeinander und atmete tief durch. âNun, es wäre eine Schande die Reservierung verfallen zu lassen, die sind hier sehr schwer zu bekommen.â
âDavon habe ich auch schon gehört.â
âDas ist kein Date.â
âDer Zufall hat uns zusammengeführt.â
âEr heiÃt Lorelei.â
âRäumst du mir die Option ein, dem Zufall erneut auf die Sprünge zu helfen, sollte der Abend harmonisch verlaufen?â
âRichard, ich weià nichtâ, sie zögerte und senkte den Blick. âNach allem was passiert ist. Nach allem was ich ââ
âIch weià nicht wovon du sprichst, das ist unser erstes Treffen, schon vergessen?â Richard griff nach der Speisekarte. âIch habe gehört, dass sie hier ein auÃergewöhnlich gutes Cassoulet servieren.â
Emily hatte alle Mühe sich ein Lächeln zu verkneifen. âJa, es soll wirklich vorzüglich sein. Aber ich denke für ein einfaches Essen wäre dieses Opfer doch zu groÃ.â
âWenn ich diese Option bekomme, dann esse ich zum Nachtisch sogar die mit Schafskäse gefüllten Feigen.â
âWarum tust du das?â, fragte sie ihn leise.
âWeil ich glaube, dass diese beiden Gerichte gut zueinander passen.â
âRichardâ¦..â
âAuf den ersten Blick vielleicht nicht, denn sie haben beide eine gemeinsame Vergangenheit, die ich nicht gerade als rosig bezeichnen würde.â
âDas Cassoulet und der Schafskäse?â
âJa, stell dir vor die Milch für den Käse kommt von der Mutter des Lamms, das im Hauptgericht serviert wird â das wäre doch tragisch.â
âDas wäre esâ, räumte Emily mit matter Stimme ein. âAber dann wäre da auch eine gewisse Verbindung zwischen den zwei Gängen.â
âSie könnten also ein harmonisches Menu ergeben?â
âDas kommt ganz auf die Vorspeise an.â
âIch denke auf die können wir verzichten, denn ein drittes Gericht könnte die Sache unnötig erschwerenâ
âTatsächlich?â
âDrei Gänge liegen einem oft schwer im Magen und glaub mir, ich weià wovon ich rede. Wer braucht schon eine Suppe, wenn er Cassoulet und Feigen haben kann? Vermutlich würden wir uns nur die Zungen an der Suppe verbrennen und alles andere hätte einen fahlen Nachgeschmack.â
âUnd was, wenn es trotz fehlendem ersten Gang furchtbar schmeckt? Wenn wir hinterher lieber etwas anderes bestellt hätten?â
âDas werden wir erst wissen, wenn wir es gewagt haben. Lass es uns einfach versuchen, Emily.â
Nachdenklich blickte sie aus dem Fenster und fragte sich, weshalb sie auf einmal so nervös war. Es war doch nur ein Essen. Gleichzeitig wusste sie, dass sie keinen Bissen herunterbringen würde. Es war so verrückt und trotzdem â âEinverstandenâ, stimmte sie schlieÃlich lächelnd zu. âAber das ist nur ein einfaches Abendessen â nicht mehr.â
âEin einfaches Abendessenâ, bestätigte Richard. âNicht mehr, aber auch nicht wenigerâ, grinsend orderte er den Kellner zurück an den Tisch.
To be continued.
ATN: Na? Glücklich?
Riska