Encarna sah Said am Schreibtisch sitzen, als sie aus der Klinik zurückkam. An seinem Blick sah sie, dass etwas passiert war. Sie kam nicht dazu nachzufragen.
âSie hat mit ihm geschlafen. Ich musste sie wegschickenâ, sagte er, bevor er wieder vor sich hin starrte.
âWo hast du sie hingeschickt? Wann kommt sie zurück?â, fragte Encarna und ging neben ihm in die Hocke.
âIch weià es nicht, aber sie kommt nie zurück. Ich habe eine Tochter weniger.â Er schüttelte den Kopf, als weigerte er sich zu verstehen, was passiert war.
âSaid, was redest du da?â Encarna verstand ihn nicht.
âSie hat mit ihm geschlafen, Encarna. Sara hat mit ihm geschlafen. Wenn das rauskommt, sind wir erledigt. Sie hat meinen Ruf ruiniert und die Familienehre beschmutzt. Ich darf das nicht so hinnehmen. Wenn es rauskommt, meine Familie... Ich hätte sie nie so erziehen dürfen. Ich hätte tun sollen, was mein Vater mir gesagt hat und hätte ihnen einen Mann suchen sollen.â
âSaid, was redest du für einen Blödsinn!â rief Encarna schockiert.
âIch habe sie so frei erzogen wie möglich und was ist dabei herausgekommen? Cilly hätte fast ein uneheliches Kind bekommen, Isabelle weigert sich zu heiraten und Sara schläft mit diesem Typen!â schrie er nun.
âIch sehe das Problem immer noch nicht!â schrie Encarna aufgeregt zurück.
âWas das Problem ist? Sie ist nicht verheiratet und schläft mit ihm. Meine Tochter ist eine Hure, das ist das Problem!â brüllte er.
âUnd was bin ich dann?â fragte Encarna leise, aber mit bebender Stimme.
âCarna, nein, das ist etwas anderes!â versuchte Said sie zu beschwichtigen.
âIch schlafe auch mit dir, obwohl wir nicht verheiratet sind.â
âDu bist eine Europäerin, eine Christin, da ist das normalâ
âWeil wir sowieso Huren sind oder wie?â
âNein, natürlich nicht. Nicht für mich.â
âUnd was ist mit deiner Familie?â fragte sie kaum lauter als ein Flüstern. Er antwortete nicht, schaute nur zu Boden.
London, 23. Februar 2002
Sara war in London gelandet. Es hatte sie etwas Zeit gekostet herauszufinden wo er jetzt war. Fast ein Jahr war es her, dass sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Sie nahm sich ein Taxi und fuhr zu dem Hotel, in dem er wohnen sollte. Er war nicht da, aber der Portier bot ihr an, dass sie eine Nachricht hinterlassen konnte. Sie wollte nicht, sie würde warten.
Nachdem die ersten zwei Stunden verstrichen waren und sie immer noch in der Lobby saÃ, zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte eine nur allzu bekannte Nummer.
âHey, Rana, ich bin´sâ sagte sie nur.
âHey , wie geht es dir? Und deiner Familie? Ich hab so lange nichts mehr von dir gehört?â fragte Rana auf Arabisch.
âOkay, du bist nicht alleine. Ich wollte dir nur sagen, das ich jetzt da bin. Ich habe ihn noch nicht gesehen, aber er ist hier. Bist du noch in der Klinik?â antwortete Sara ebenfalls auf Arabisch.
âNein, nein, war nicht so schlimm, du weiÃt ja das die immer alles viel schlimmer machen, als es wirklich ist. Ich bin, al-hamdu-líllah, wieder in Tunis. Und wie laufen euere Geschäfte?â sagte Rana.
âIch glaube nicht, dass Baba mein Konto hat sperren lassen, aber ich werde da nicht dran gehen. Ich werde schauen ob ich hier einen Job finde, ich habe meinen amerikanischen Pass dabei. Ich hoffe das klappt.â seufzte Sara.
âNatürlich kann ich dir hier Kleider besorgen! Sag mir einfach was genau du brauchst und ich schicke es dir.â kam Ranas Stimme vom anderen Ende der Leitung.
âDanke, Rana. Ich geb dir Bescheid, wenn ich ein neues Konto habe. Pass auf dich auf!â
âDu auch. Bis baldâ
âBis bald!â sagte Sara und musste schlucken. Es fiel ihr schwer nur noch heimlich mit ihrer Schwester telefonieren zu können. Einen Tag zuvor hatten sie einen kurzen Moment alleine gehabt und Rana hatte erzählt, dass Encarna und Said den gröÃten krach hatten und sich die Familie in zwei Lager gespalten hatte. Encarna, Cecilia, Saskia, Corinna und Ricky auf der einen Seite, und Said, Karim, Laila, Isabelle und Rana auf der anderen. Täglich gab es Diskussionen darüber wie Said Sara hatte wegschicken können.
Drei weitere Stunden vergingen und dann sah sie ihn durch die Tür kommen: Schwarzer Anzug, blaues Hemd ohne Krawatte, dunkelblonde Haare und blaue Augen. Er sah noch genauso gut aus wie sie ihn in Erinnerung hatte. Sie überlegte ob sie warten sollte bis er auf seinem Zimmer war, oder ob sie sie sich gleich bemerkbar machen sollte. Warum war Rana nicht hier, die wüsste das! Sie entschied sich für letzteres und ging langsam auf ihn zu während er sich vom Portier seinen Schlüssel und seine Post geben lieÃ.
âHey Joshâ, sagte sie leise. Er spannte sich an, stellte sich aufrecht hin und drehte sich dann langsam um.
âSaraâ sagte er und schaute sie an. Sie versuchte ihn anzulächeln, aber es gelang ihr nicht wirklich und sie schlug die Augen nieder. Als er aber nichts weiter sagte, schaute sie auf.
âKann ich mit dir reden?â fragte sie ihn.
âSara, ich weià wirklich nicht ob..â
âBitte!â sagte sie mit Nachdruck.
âOkay. Sollen wir uns da drüben hinsetzten?â fragte er und deutete auf die Lobb in der sie fast den ganzen Tag verbracht hatte.
âKönnten wir auf dein Zimmer gehen?â Ihr Blick war flehentlich und er wusste, dass etwas passiert war.
âOkay, komm mit.â Er legte ihr kurz die Hand auf die Schulter und und führte sie so in Richtung des Aufzuges.
Sie schwiegen, bis sie in seinem Zimmer standen und er die Tür geschlossen hatte.
âSchönes Zimmer. Die Vorhänge sind hübsch, sie passen so gut zum Sofa und dem Teppich und ...â Sara hielt inne als sie seinen Blick sah.
âSara, was willst du hier?â fragte er sie und sie hörte an seiner Stimme das er wütend war.
âIch wollte dich sehen, mit dir redenâ sagte sie und setzte sich auf die Couch.
âDas fällt dir nach fast einem Jahr ein, indem du dich nicht ein Mal gemeldet hast?â fragte er aufgebracht.
âJa, ich hab dich vermisst und ich dachte es hört irgendwann auf, aber das tat es nicht und dann hab ich es nicht mehr ausgehalten und hier bin ichâ erklärte sie mindestens genauso aufgebracht.
âDu hast mich sitzen lassen nach unserer ersten gemeinsamen Nacht, nachdem ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe, bist du abgehauen und verschwunden. Ich hab versucht dich anzurufen, hab versucht Tina zu erreichen, aber die Nummern stimmten nicht mehr. Euer Haus hatte neue Bewohner und im Hotel wusste niemand wo ihr seid, weil niemand euere Namen kannte. Du hast mich die ganze Zeit angelogen, sogar die drei Jahre in denen wir befreundet waren, nichts als Lügen. Wer bist du Sara?â schrie er.
âIch bin... ich und ich bin hier um mich zu entschuldigen und um dich zu bitten uns noch eine Chance zu geben.â
âSo einfach ist das nicht, was denkst du eigentlich?â er wedelte frustriert mit den Armen.
âBitte, Josh, sag mir jetzt nicht, das alles umsonst war. Ich hab nicht... Gott, nein, bitte !â begann Sara zu weinen und wurde von einer Sekunde auf die andere völlig hysterisch.
Joshua stand etwas hilflos daneben, dann konnte er es sich aber nicht länger mit anschauen, setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und hängte sich an ihn.
âWo ist Tina?â fragte er nach einiger Zeit weil ihm nichts besseres einfiel.
âSie ist totâ, antwortete Sara und begann erneut zu schluchzen.
âOh Gott, Sara, das tut mir so Leid!â sate er geschockt und legte seine Wange auf ihre Haare. Sara ohne ihre kleine Schwester, das konnte er sich nicht vorstellen. Die beiden waren doch immer zusammen.
âWenn du willst, kannst du hier bleibenâ sagte er als sie sich etwas beruhigt hatte.
âOkayâ war alles was sie sagte.
TBC