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Selene

„Lillian?“
Lillian schreckte aus ihren Gedanken.
„Alles in Ordnung?“
Lillian lachte gekünstelt. „Natürlich.“ Plötzlich bemerkte sie Elenas besorgte Miene. Auch Emilio musterte sie Stirn runzelnd.
„Warum weinst du dann?“, fragte er, worauf ihn seine Mutter strafend ansah.
Erst in diesem Moment bemerkte Lillian ihre feuchten Wangen. „Mir ist nur etwas in die Augen gekommen.“, sagte sie an Emilio gewandt.
„Was denn?“ Fragte er.
„Nur etwas Staub.“ Lillian lächelte.
„Machen die denn den Park nicht sauber?“, fragte Emilio.
„Es ist gar nicht so einfach einen Park sauber zu halten. Ich denke aber, dass sie ihr bestes geben.“ Lillian bemerkte aus dem Augenwinkel, dass Elena sie noch immer Stirn runzelnd musterte. „Also, Emilio, was denkst du, gehen wir zur Schaukel?“
Der Kleine sprang vom Schoß seiner Mutter. „Au ja!“ Er hüpfte fröhlich. „Lillian lässt mich viel höher schaukeln.“, sagte er an Elena gewandt.
Diese seufzte. „Wenn du ganz lieb zu ihr bist, adoptiert sie dich vielleicht.“ Sie zwinkerte ihrem Sohn zu. Plötzlich fiel ihr Blick auf Lillian, deren Gesichtsausdruck sich verspannt hatte. Elena biss sich unsicher auf die Unterlippe. „Entschuldige...“
Lillian mühte sich um ein Lächeln. „Du musst nicht mit mir umgehen, als wäre ich aus Zucker. Ich brauche nichts weniger als Mitleid, Elena. Es ist alles in Ordnung.“
Elena runzelte die Stirn und blickte ihrer Freundin nach, welche Emilio an der Hand nahm und zu den Schaukeln ging. Der Kleine ließ sich fröhlich auf den Sitz der linken der beiden Schaukeln fallen und teilte der jungen Frau mit, mit wie viel Schwung sie die Schaukel anstoßen sollte. Lillian behielt Emilio die ganze Zeit über ihm Auge, sie blickte nur zweimal zu der anderen Schaukel, auf welcher ein kleines Mädchen schaukelte und dabei laut vor sich hin trällerte.
Sie verbrachten noch zwei Stunden im Park, ehe Elena schließlich auf die vorangeschrittene Uhrzeit aufmerksam machte. Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen gelang es ihr und Lillian schließlich Emilio in den Kinderwagen zu setzen. Er verschränkte die Arme vor seiner Brust. Eine tiefe Falte bildete sich auf seiner Stirn. „Alle anderen gehen auch nicht.“
Elena seufzte genervt. „Würdest du vom Empire State Building springen, nur weil es alle machen?“
Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Wer macht das denn?“
„Emilio, Schatz, es ist bald Zeit schlafen zu gehen für Kinder deines Alters. Wenn das andere Mütter anders sehen, ist das allein ihre Sache.“
„Du bist gemein.“
„Das ist mein Job als Mutter.“ Elena seufzte genervt und begann den Kinderwagen Richtung Ausgang zu schieben. Lillian folgte ihr nachdenklich. Bereits während des Wegs nach Spanish Harlem war Emilio schließlich eingeschlafen. Elena bemerkte lächelnd: „Bin ich also doch keine furchtbar spießige Mutter...“
Lillian schüttelte den Kopf. „Du bist die beste Mutter...“ Ihr Blick schweifte auf die vorbei rasenden Autos. „Du hast so viele Probleme, und dennoch gelingt es dir Emilio ein stabiles Leben zu ermöglichen...genau diese Kleinigkeiten...sonntägliche Spaziergänge, Schlafenszeiten...schaffen Rhythmen, Rituale, die uns ein Gefühl von Sicherheit, Halt geben...“
Elena hielt vor ihrem Wohnhaus. Sie blickte zwei jungen Frauen nach, welche lachend auf ihren Fahrrädern fuhren. Schließlich wandte sie sich an Lillian. „Uns beiden ist dieses Gefühl genommen worden...wir waren zarte, unschuldige Vöglein. Wir wurden brutal aus dem Nest gestoßen. In eine scheinbar unendliche Tiefe. Ohne Vorwarnung. Und nun stehen wir beide hier...Lillian, ich bin nicht einmal annähernd so stark, wie du denkst...“ Ein Tränenschimmer durchzog ihre Augen. „Nur irgendwann erträgt man Elend besser als Glück...“
„Elena...“ Lillian musterte ihre Freundin Stirn runzelnd.
„Ich mache das alles nicht für mich. Für mich gibt es keinen Grund zu leben...außer Emilio.“
Lillian berührte die Arme ihrer Freundin. „Hör auf so zu reden...bitte. Elena, du weißt gar nicht, wie wichtig du mir bist. Du warst da für mich...immer.“
Elena atmete tief durch und blickte Lillian in die Augen. „An manchen Tagen will ich einfach nur zu ihm.“
Lillian nickte. „Ich weiß. Ich kenne dieses Gefühl.“
Elena wich ihrem Blick aus. „Es bringt uns nicht weiter...“
„Nein.“ Lillian strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Manchmal denke ich immer noch, das alles wäre nur ein furchtbarer Albtraum.“
„Der schlimmste Albtraum ist das Leben selbst. Denn aus dem erwachst du nicht...“ Elena hob ihren noch immer schlafenden Sohn aus dem Kinderwagen und sperrte die Wohnungstür auf. Lillian half ihr den Wagen über die Treppe zu tragen. Als Elena Emilio fürs Bett umzog, blinzelte dieser kurz, schloss die Augen jedoch wieder. Sie legte ihn lächelnd in sein Bettchen und deckte ihn zu. Elena gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Lillian machte es ihr gleich. Plötzlich öffnete Emilio die Augen und blickte die beiden an. „Ich will noch nicht schlafen. Darf ich noch spielen?“ Er gähnte.
„Du hast bereits geschlafen.“ Elena strich ihm durch sein dunkles Haar.
Er bemühte sich die Augen noch weiter aufzureißen. „Ich bin nicht müde. Ich habe gar nicht geschlafen.“
„Wir spielen morgen ganz lange mit dir.“, versprach Lillian lächelnd.
„Singst du mir noch etwas vor?“
Lillian wechselte einen kurzen Blick mit Elena, welche ihr auffordernd zunickte. „Okay. Aber diesmal nur ein einziges Lied. Du solltest dann wirklich schlafen. Schließlich willst du ja morgen gut ausgeschlafen sein, um stundenlang spielen zu können.“
Emilio nickte. „Ich schlafe, sobald du geendet hast.“, versprach er.
Lillian strich ihm lächelnd durchs Haar und begann das Lied anzustimmen, welches Rosa immer für sie gesungen hatte.

„Nein!“ Lillian schüttelte trotzig den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.
Rosa versuchte sie erneut zuzudecken, doch ihre Tochter stieß die Decke ein weiteres Mal von sich.
„Ich will nicht schlafen, ich will noch fernsehen.“
Rosa seufzte. „Es spielt jetzt gar nichts mehr im Fernsehen.“ Sie blickte Hilfe suchend zu Jorge, welcher auf der anderen Seite Lillians Bettes stand und seine Frau Stirn runzelnd musterte. Schließlich meinte er: „Deine Mutter hat Recht.“
Lillian runzelte die Stirn. „Du siehst um diese Uhrzeit doch auch noch fern...“
Jorge setzte sich auf das Bett und reichte seiner Tochter den kleinen Stoffbären, welcher am Bettrand gelegen hatte. „Es spielt jetzt nur noch langweilige Erwachsenensendungen.“
„Warum siehst du sie dir an, wenn sie so langweilig sind?“
„Weil ich ein langweiliger Erwachsener bin.“ Er zwinkerte.
„Lass mich mitschauen...“ Lillian blickte ihn flehend an.
Jorge strich ihr zärtlich über die Wange. „Spätzchen, es ist wirklich Zeit für dich schlafen zu gehen. Du bist doch gewiss schon müde.“
Rosa setzte sich auf die andere Seite des Bettes und deckte ihre Tochter zu. „Am Wochenende darfst du ein wenig länger aufbleiben.“, versprach sie.
„Singst du mir das Lied vor, Mamá?“ Lillian drückte den Stoffbären an ihre Brust und blickte ihre Mutter flehend an.
Rosa strich ihr sanft durchs Haar. „Natürlich, mein Schatz. Ich selbst könnte gar nicht schlafen gehen, ohne dir etwas vorgesungen zu haben.“
Jorge betrachtete seine Frau lächelnd, als sie zum Singen begann. Seine Augen waren voller Liebe und Zärtlichkeit. Rosa rutschte neben Lillian, welche den Kopf an ihre Brust legte. Sie legte die Arme um ihre Tochter. Der Raum schien mit einem Mal still. Der Straßenlärm drang nicht mehr durch die Scheiben. Einzig allein Rosas sanfter Gesang schien die Stille der Welt gebrochen zu haben. Jahre später noch sollte Lillian oft in der Nacht erwachen, im Glauben sie hätte die Stimme ihrer Mutter vernommen. Das sanfte Lied, voller Liebe und Zärtlichkeit.
Rosa hielt Lillian in ihren Armen, wie es Sarah sechs Jahre zuvor ebenso getan hatte. Beide erschüttert vom Leben, und dennoch so voller Liebe zu ihrer Tochter.
Als Rosa geendet hatte, war Lillian eingeschlafen. Sie küsste das Mädchen sanft auf die Wange und bettete es auf die weiche Matratze. Jorge brauchte einige Sekunden, bevor er sich wieder gefangen hatte. Die Stimme seiner Frau hatte ihn in einen Bann versetzt, aus welchem er sich nicht sofort hatte lösen können. Er küsste seine kleine Tochter auf die Stirn. Lillian blinzelte. „Ich hab euch lieb.“, flüsterte sie, sank jedoch sogleich wieder in einen tiefen Schlaf.
„Wir dich auch, mein Schatz.“ Rosas Augen tränten.
Jorge zog sie sanft in seine Arme und küsste sie. Er drehte das Licht ab und sie verließen leise Lillians Schlafzimmer.

Lillian spürte die sanften Arme, welche sie umschlossen nur vage. Sie starrte auf den schlafenden Emilio, versuchte sich auf dessen gleichmäßigen Atem zu konzentrieren. Stumme Tränen tropften auf den alten Teppich. Lillian löste sich langsam aus Elenas Umarmung und wandte sich zur Tür. „Ich gehe jetzt wohl besser.“ Erst jetzt bemerkte sie den Glanz der Tränen in den Augen ihrer Freundin. Sie runzelte fragend die Stirn.
„Du singst so wunderschön, vollkommen.“
„Sie sang vollkommen...“ Lillian ging zur Wohnungstür und schlüpfte in ihre Schuhe. Elena folgte ihr zögernd. „Lillian...“
„Großmama...sie erwartet mich...“ Lillian wich ihrem Blick aus.
„Lillian...sieh mich an.“ Elena trat näher und ergriff die Hände ihrer Freundin. „Sie sind bei dir. Jetzt und in jeder Sekunde. Sie haben uns beobachtet. Rosa, Jorge und Esteban. Sie sind stolz auf uns. Weil wir nicht aufgeben...kämpfen.“
Lillian runzelte die Stirn. „Ich wünschte, dass würde mich trösten, es leichter machen. Aber das tut es nicht...“
Elena zog sie in ihre Arme. „Lillian, du bist ein wunderbarer Mensch. Ich bin dankbar und stolz dich als meine Freundin bezeichnen zu dürfen. Wir brauchen einander. Gemeinsam können wir alles schaffen. Weißt du noch? Wir gegen den Rest der Welt...“
Lillian lachte gequält unter Tränen. „Den Rest der Welt?“
Elena nickte. „Was auch passiert, wir beide werden es gemeinsam durchstehen. Du kannst auf mich zählen.“
Lillian löste sich aus den Armen ihrer Freundin und blickte ihr in die Augen. „Danke.“
Elena ergriff ihre zitternden Hände und drückte sie. In diesem Moment fühlten sie sich enger verbunden, als jemals zu vor, waren sich so nahe, wie noch nie. Sie ahnten nicht, wie nahe sie dem Abgrund tatsächlich standen. Wie sehr ihre Freundschaft tatsächlich noch auf die Probe gestellt werden sollte. Die Schatten der Vergangenheit kamen leise und unbemerkt. Doch sie näherten sich in heimtückischer Geschwindigkeit und schienen alles mit sich reißen zu wollen.
Hey Süße
Schön, dass es wieder einen neuen Teil von dir gibt. Habe mich sehr darüber gefreut. Ich warte auch noch auf das Re-Fb. Du musst erst mal wieder gesund werden. Aber nun zum Teil.

Einfach nur genial und klasse geschrieben. Ich liebe die Freundschaft zwischen Elena und Lillian. Und Emilio ist einfach nur ein Goldstück. Vor allem als er immer gesagt hatte, dass er bei Lillian und Antonio das immer machen dürfte und bei Elena nicht.
Die Gespräche zwischen den beiden Frauen waren ja sehr ernst. Vor allem fand ich es traurig, als Elena von Esteban gesprochen hatte. Anscheinend hatte sie ihn sehr geliebt. Und das merkt man auch wie sie über ihn redet und ihre Vergangenheit. Und wie sich Elena gefreut hat, als sie erfahren hat, dass Lillian und Arturo endlich richtig zusammen sind. Fand ich einfach klasse die Reaktion von ihr.
Aber am liebsten habe ich die Rückblenden in die Kindheit von Lillian geliebt. Ich liebe einfach diese Szenen zwischen ihr, Rosa und Jorge. Vor allem erinnert mich das Verhältnis zwischen Jorge und Lillian an das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir. Am schönsten fand ich die Stelle wo Rosa ihr das Lied vorgesungen hat. Das war einfach nur wunderschön. Vor allem konnte man sich das so richtig vorstellen.
Der Schluss war einfach klasse. Vor allem wieder dieses Ende. Ich bin echt gespannt, was auf die beiden wartet.
Ich kann nur sagen, dass der Teil wie die anderen wieder einmal spitzenmäßig war und einfach klasse zu lesen war.
Freu mich schon auf einen neuen Teil von dir.
Hab dich lieb Bussi
Anne:cool2:
Hey Süsse... wollte nur sagen dass ich noch nicht zum Fb schreiben kommen werde. Aber ich werde das so bald wie möglich nachholen. Ich will nur dass du weisst dass du Fb bekommst, auch wenn es etwas länger dauert.
Hab dich lieb, Yela
Hey Süße!

Ich habs auch endlich geschafft deinen Teil zu lesen.
Bis mein Fb kommt dauert es in letzter Zeit immer etwas, ich versuche es beim nächsten mal wieder früher, aber hauptsache ist ja du bekommst überhaupt fb.

Ich weiß garnicht wie oft ich dir jetzt schon gesagt hab, wie sehr ich deine Geschichte liebe. Ich muss es aber schon wieder sagen.
Ich liiiiebe die Story. Ich finde sie ist echt die beste hier im Forum.
Du hast einen einzigartigen Schreibstil. Mach was draus!

Die Rückblicke in Lillians Vergangenheit waren schön. Sie hatte eine echt schöne Kindheit.
Elena ist eine tolle Freundin. Ich hoffe bei den beiden geht weiterhin alles gut, auch wenn es sich nicht so anhört.

Bin auf jeden fall schon gespannt wie es weiter geht.

Hab dich lieb
Zora

Selene

Hallo meine Süßen :knuddel:

Entschuldigt bitte, dass ich mich erst jetzt melde. Ich habe ziemlichen Stress in der Arbeit, die mir aber trotzdem sehr großen Spaß macht. Parallel muss ich noch etwas für die Uni machen und möchte zumindest bis Oktober, wo das neue Semester beginnt, auch etwas mehr Zeit mit Freunden und meinem Freund verbringen, da ich diese leider während des letzten Studienjahres so vernachlässigte. Ich war daher in letzter Zeit nicht so oft online. Ein weiterer Grund dafür war aber auch ein Problem mit der Internetverbindung (mein PC warf mich meist sehr schnell wieder raus) diese und letzte Woche. Dieses Problem sollte aber endlich behoben sein. Es tut mir leid, dass ich euch so vernachlässigt habe!

@Anne:
Zitat:[SIZE=3]Der anfang ist schon mal wieder echt klasse geschrieben. Und wie sich sarah über den brief von eduardo freut. Aber ist ja auch zu verstehen. Der brief ist einfach nur wunderschön geschrieben. Und obwohl er nur so kurz ist, steckt er voller gefühle und emotionen. Doch habe ich irgendwie das gefühl, dass es eduardo nicht wirklich ernst mit sarah meint. Man hat es ja auch schon in den vorigen teilen erfahren, wie es mit den beiden weiter gegangen ist. Aber mal sehen, ob sich mein gefühl bestätigt oder widerlegt wird.
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Dazu möchte ich noch nicht viel sagen. Die nächsten Kapiteln werden noch in der Gegenwart spielen, aber ihr werdet trotzdem schon bald mehr erfahren.

Zitat:[SIZE=3]Wieso ging es sarah kurz so schlecht, als sie aufstand? Ist sie etwa schon schwanger?
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Nein, noch nicht.

Zitat:[SIZE=3]Wie in einem so richtigen hollywoodfilm. Konnte ich mir echt gut vorstellen.^^
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Freut mich, dass dir die Szene sogut gefallen hat. Sie ist für die Geschichte eigentlich gar nicht so unwichtig.

Zitat:
[SIZE=3]Aber was mich dann wundert ist, dass sie später eduardo dann doch noch heiraten durfte. Und ich frage mich, warum auf einmal, wenn doch alle gegen diese hochzeit und gegen eduardo waren (außer noah jetzt, übrigens ist der name sehr schön)?

Warum Noah schließlich einwilligte, kann ich jetzt noch nicht sagen. Es ist wichtig, dass manches erst später rauskommt. Ich kann aber so viel sagen, dass mehr dahinter steckte, als man wahrscheinlich denken mag.

Zitat: Ein perfekter abschluss für einen perfekten teil. Du hast mich mit diesem teil echt in der seele berührt und hast mir echt aus der seele gesprochen und geschrieben

danke, süße. freut mich, dass dich meine geschichte so berührt. ich glaube, ein schöneres kompliment kann es nicht geben.

Zitat:Ich liebe die Freundschaft zwischen Elena und Lillian.

Das freut mich. Mir geht es genauso. Es war mir in diesem Kapitel wichtig, die tiefe Freundschaft zwischen den beiden zum Ausdruck zu bringen.

Zitat:Aber am liebsten habe ich die Rückblenden in die Kindheit von Lillian geliebt. Ich liebe einfach diese Szenen zwischen ihr, Rosa und Jorge. Vor allem erinnert mich das Verhältnis zwischen Jorge und Lillian an das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir. Am schönsten fand ich die Stelle wo Rosa ihr das Lied vorgesungen hat. Das war einfach nur wunderschön. Vor allem konnte man sich das so richtig vorstellen.

Freut mich, dass du diese Rückblenden so magst. Es wird im Laufe der Geschichte noch mehrere Rückblenden auf Lillians noch unbeschwerte Kindheit geben.

Danke für dein Feedback! Freu mich immer so sehr darüber :knuddel:


@Yela:
Zitat:Hey Süsse... wollte nur sagen dass ich noch nicht zum Fb schreiben kommen werde. Aber ich werde das so bald wie möglich nachholen. Ich will nur dass du weisst dass du Fb bekommst, auch wenn es etwas länger dauert.
Hab dich lieb, Yela

Kein Problem, Süße :knuddel: Auf Feedbacks warte ich doch gerne. Außerdem kenne ich das Zeitproblem von mir selbst.


@Zora: Danke, Süße, für deine wunderbaren Worte. Es freut mich, dass dir meine Geschichte so gefällt.

Zitat:Ich find es schön, dass sie sich mit ihrem Vater getroffen hat. Er scheint nett zu sein.

Die Beziehung der beiden zueinander wird noch eine wichtige Rolle in der Geschichte spielen. Sie ist eine der entscheidensten Handlungsstränge.

Zitat:Ich bin schon so gespannt wie es weiter geht mit Sarah und Eduardo.

Ein paar Kapitel dauert es noch, bis es wieder um die beiden geht. An einem Kapitel habe ich schon einiges geschrieben, ich denke/hoffe, es wird dir gefallen. Aber bis ich es posten kann, müssen noch einige andere Kapitel geschrieben worden sein.

Zitat:Bis mein Fb kommt dauert es in letzter Zeit immer etwas, ich versuche es beim nächsten mal wieder früher

Kein Problem, danke für dein Feedback! Freu mich immer darüber, auch wenn es länger dauert. Ich kann ja oft auch nicht gleich Feedback geben.

Zitat:Ich liiiiebe die Story. Ich finde sie ist echt die beste hier im Forum.
Du hast einen einzigartigen Schreibstil. Mach was draus!

Wow, danke Süße :knuddel: Es freut mich, dass du meine Geschichte so liebst!

@alle: Danke nochmals für eure wudnerbaren Worte :knuddel:

Ich habe heute Vormittag weiter geschrieben. Ich hoffe, ihr mögt das neue Kapitel. Freu mich schon auf eure Feedbacks!

Hab euch lieb
Bussi Selene[/SIZE]

Selene

42. Teil

Achtzehn Jahre nachdem Sarah Turunen de Dominguez mit Wehen, und Freudentränen in den Augen, in das noble Privatkrankenhaus Bogotás gebracht wurde, erwachte Lillian auf dem zerschlissenen Sofa in Anas Wohnung in Spanish Harlem. Das kleine Kissen, auf dem ihr Kopf geruht hatte, war tränennass. Doch anders als Sarah, hatte sie nicht aus Freude geweint. Lillian fuhr mit den Fingerspitzen über die nassen Stellen. Sie runzelte die Stirn und versuchte sich ihrer Träume zu entsinnen, doch es gelang ihr nicht. Ein Schutzmechanismus ihres Unterbewusstseins, wie sie schon damals ahnte. Ihre Beine schmerzten, als sie sich erhob und zu dem kleinen Fenster ging. Sie schob die Vorhänge zur Seite und starrte auf den gelborangen Feuerball, welcher den Himmel in unterschiedliche Farbschattierungen getaucht hatte. Auf der Straße fuhren drei Autos. Der Fahrer des letzten hupte, als ein älterer Mann plötzlich über die Kreuzung rannte und das kleine Cafe gegenüber betrat. Lillians Blick schweifte zu der kleinen Seitengasse, aus welcher eine Gruppe junger Menschen zwischen sechzehn und Anfang zwanzig traten, welche sich laut lallend unterhielten. Eine der Frauen warf eine leere Flasche achtlos neben einen Mistkübel und hängte sich bei einem der Männer ein. Lillian kannte sie. Lavinia war einst eine sehr gute Freundin von ihr gewesen. Bis sie sich von ihr, Elena und den anderen abgewandt hatte, um sich der Clique ihres Freundes anzuschließen, welche ihrem Realitätsbild eher entsprach. Lillian beobachtete Lavinia Stirn runzelnd. Sie war abgemagert. Die harten Drogen und der Alkohol hatten ihren Körper zerfressen. Lillian hatte zweimal versucht mit ihr zu sprechen, doch Lavinia hatte ihr nicht einmal zugehört. Ihr Blick fiel auf Diego, auf den festen Griff, mit welchem er sie umfasste, um der Welt zu präsentieren, dass sie sein Eigentum, dass er an ihrem Elend beteiligt war. Tagtäglich zog er auch alleine mit Freunden los, versoff Lavinias geringen Verdienst und vergnügte sich schließlich mit anderen Frauen, welchen seinem angeblichen Charme verfallen waren. Ein paar Mal hatte er Lillian und Elena vor der Wohnung letzteren abgepasst. Nachdem er Lillian übertriebene Komplimente gemacht hatte, hatte er Elena stets seine Hilfe angeboten. Das waren die wenigen Momente, in welchen er ehrlich gewesen war. In welchen er tatsächlich etwas für einen anderen Menschen tun wollte. Schließlich war Esteban sein bester Freund gewesen.
Lillian wandte sich von dem Fenster ab und ging zu dem kleinen Kasten. Ihre Hände zitterten, als sie ein altes Buch herauszog und darin zu blättern begann.
Für Lillian
In Liebe, Mamá und Papá
Juni 1989
Ein Buch über Mythen und Sagen aus aller Welt. Ein Geschenk zu Lillians siebenten Geburtstag. Sie atmete tief durch und erinnerte sich an ihr freudiges Lachen. Wie glücklich waren sie gewesen. Wie erfüllt von Glück war ihr Herz gewesen. Lillian fuhr mit dem Zeigefinger über ein Bild unter einer Textstelle. Es zeigte eine anmutige Frau in einem Rosengarten. Hinter ihr stand ein prächtiger Baum, auf dessen Ast ein Vogel saß. Lillian hatte dieses Bild immer geliebt. Nun schien etwas Beunruhigendes von ihm auszugehen. Ihre Hände begannen zu zittern. Sie schlug das Buch zu und stellte es zurück in den Kasten. Lillian schleckte mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen und räusperte sich leise. Ihr Blick fiel auf Sarahs Umschlag. Sie runzelte die Stirn, als sie diesen zögernd ergriff. Lillian schloss die Kastentür leise und schlich in Anas kleines Zimmer, um sich davon zu überzeugen, dass diese noch schlief. Schließlich setzte sie sich wieder auf das Sofa und zog den Schnellhefter aus dem Umschlag. Ihre Finger zitterten, als sie nach der Stelle sucht, bei welcher sie zu lesen aufgehört hatte.

Eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen war der Sommer, welchen ich mit Großmama und Mutter in einem kleinen Dorf an der Südküste Schwedens verbrachte. Wir schrieben das Jahr 1970, ich war noch keine acht Jahre alt. Mein Vater war geschäftlich verreist, weshalb wir unseren alljährlichen Sommerurlaub ohne ihn verbrachten. „Ein Geschenk des Himmels.“, wie Großmama sagte. Meine Mutter verletzten diese Worte, doch sie wollte in diesen drei Wochen keinen Streit vorm Zaun brechen. Wir brachen in den frühen Morgenstunden auf. Ich liebte es immer auszuschlafen, doch für Reisen störte es mich nicht, einen Wecker zu stellen. Meine Mutter war immer darauf bedacht, so früh wie möglich aufzubrechen, damit wir in keinen Stau gerieten. Ich hatte ein eigenes blaues Köfferchen, welches ich Großmama mit Stolz präsentierte, während sie das größere Gepäck im Kofferraum verstaute. Die Sonne war gerade aufgegangen. Der Himmel hatte unterschiedlichste, ineinander fließende Farbschattierungen angenommen.
Wir hatten ein kleines Ferienhaus, nur wenige Gehminuten vom Meer entfernt. Wir verbrachten die Tage am Strand, die Abende meist in einem Restaurant, welches eine Terrasse mit Meeresblick besaß. Wir saßen dort oft bis in die frühe Nacht und redeten. Meine Mutter und Großmama tranken Wein, ich Traubensaft. Wir waren frei von Sorgen, glücklich. Dieser Sommer hatte für uns alle eine größere Bedeutung, als wir ahnten. Wir erinnerten uns in den schweren Jahren danach oft daran. Doch erst heute ist mir wirklich bewusst, wie wertvoll diese drei Wochen waren. Es waren die einzigen Tage einer vollkommen unbeschwerten Kindheit. Ich war von bedingungsloser Liebe umgeben. Ich war frei und dennoch geborgen. Auch wenn ich die Jahre nach der Scheidung meiner Eltern als großteils sehr positiv und glücklich erlebte, dieser Sommer blieb einmalig und brannte sich tief in mein Herz. Noch heute rieche ich das Meer, wie es damals roch. Großmamas süßliches Vanilleparfum. Mutters herbes Haarspray. Ich schließe die Augen und sehe, wie ich am weißen Sand laufe, wie meine kleinen Füße Abdrücke hinterlassen. Großmama läuft mir nach und wedelt mit meinem weißen Sonnenhut, welchen ich nicht tragen wollte. Meine Mutter und ich bauen eine große Sandburg, während meine Großmutter liest. Wir tauchen nach Fischen. Ich erinnere mich an den jungen, humorvollen Mann, welcher mit Großmama und mir manchmal mit einem Motorboot hinaus aufs Meer fuhr. Meine Mutter wartete auf uns, winkte und machte Fotos. Ich denke an die Abende, für welche ich mich stets besonders schick machen wollte. Schließlich ging ich mit meiner Großmutter und Mutter aus.
Jahre später verstehe ich es nicht mehr. Ich verstehe nicht mehr, warum mein Herz so rastlos war. Nach jenem Sommer konnte ich es nicht mehr erwarten, erwachsen zu werden. Nun bin ich es und wünschte oft, die Zeit zurück drehen zu können.
Dann sehe ich dich, geliebte Tochter, und ich weiß, warum. Ich weiß, warum alles so gekommen ist, wie es hatte kommen müssen. Du bist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Und ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du ein Leben führen wirst, welches dich erfüllt. Ich wünsche dir von Herzen, dass du bei Menschen aufwachsen wirst, welche dir soviel Liebe schenken, wie ich von meiner Großmama und Mutter erhielt. Nimm diese Liebe niemals als selbstverständlich. Sie ist etwas Einzigartiges, Vollkommenes.

Lillian atmete tief durch und starrte auf die Seite. Sie spürte die Verzweiflung, welche von Sarahs Worten ausging. Ein Druck erfasste ihr Herz.

Ich bin dankbar für dich, mein geliebtes Kind, denke niemals, dass es nicht so ist. Ich bereue sehr vieles in meinem Leben, aber nicht dich dieser Welt gegeben zu haben. Du bist so zart, so wunderschön und vollkommen. Ich liebe dich, meine Tochter, mehr als du dir vorstellen kannst.

Lillian rannte die Stufen hinunter. Sanfte Stimmen drangen aus dem Wohnzimmer. Lillian wurde langsamer. Leise schlich sie sich in den Raum. Lillian stieß sich den Fuß am Türstock. Ihr entfuhr ein kurzer Schmerzensschrei.
Ihre Eltern und Großmutter drehten sich überrascht zu ihr.
„Spätzchen, ich habe doch gesagt, ich hole dich, wenn alles fertig ist...“ Rosa blickte sie gespielt streng an.
Lillians Augen weiteten sich staunend, als sie die dicht geschmückte Tanne erblickte. Ihre Mutter hatte rote und goldene Weihnachtskugeln gewählt, goldenes Lametta verzierte den Baum. Jorge und Ana hatten mehrere Äste mit Süßigkeiten behängt. Unter dem Baum lagen Päckchen in buntem Papier, welche jedoch erst am kommenden Morgen geöffnet werden würden. Der große Esstisch war passend mit einer rotgold verzierten Tischdecke bedeckt. Aus der Küche drang ein sanfter Geruch.
„Entschuldige.“, Lillian lächelte Rosa treuherzig an.
Ana strich ihr sanft durchs Haar. „Neugierde ist eine Sünde, mein Kind.“
Jorge runzelte die Stirn. „Nachdem du uns vorhin so ausführlich über deine Nachbarinnen berichtet hast, wissen wir ja endlich, woher sie dieses Laster hat....“ Er zwinkerte.
„Nun, Jorge, ich bin eine alte Frau.“ Ana warf ihrer Enkeltochter einen zärtlichen Blick zu. „Unsere Lillian ist noch ein kleines Mädchen.“
„So alt bist du doch noch gar nicht. Du und Rosa könntet Schwestern sein.“
Ana blickte zu ihrer Tochter. „Dein Gatte ist ein unverbesserlicher Charmeur, aber er ist mit den Jahren einfallslos geworden.“ Sie wandte sich wieder an Jorge. „Weißt du noch, wie du versucht hast, dich bei mir einzuschmeicheln?“
Jorge fasste sich gespielt empört an die Brust. „Aber, Mamá, ich wollte dir lediglich meine Hochachtung erweisen.“
Ana schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Das ist zuviel.“ Sie setzte sich auf einen der Stühle. Lillian setzte sich neben sie und musterte sie mit großen Augen. „Was hat Papá denn gemacht, um sich bei dir einzuschmeicheln?“ Sie zappelte unruhig voller Neugierde und spielte mit den Fingern.
„Kleine Mädchen sollten nicht so viele Fragen stellen.“ Ana bedachte sie mit einem milden Blick. „Ich kannte deinen Papá nur sehr flüchtig, musst du wissen. Wir sind zwar eine kleinere Welt als Brooklyn, aber groß genug, um nicht jeden persönlich zu kennen...“
„Aber klein genug, um alles über jeden zu wissen...“, warf Rosa schmunzelnd ein, worauf sie von ihrer Mutter mit einem strafenden Blick getadelt wurde.
„Ich kannte die Großeltern und Eltern deines Vaters. Seine Onkeln und Tanten...“, fuhr Ana fort, „...aber nicht die jüngste Generation. Wir wohnten auf der anderen Seite des Viertels, musst du wissen. Es schien mir seltsam, als dein Vater immer wieder meinen Weg kreuzte. Wie oft er mich vor dem Supermarkt abpasste, um mir anzubieten, meine schwere Einkaufstasche bis zu meiner Wohnungstür zu tragen. Selbstverständlich habe ich stets abgelehnt.“
„Nicht immer.“, warf Jorge ein.
Lillian blickte von Ana zu ihrem Vater und wieder zurück. „Warum hast du abgelehnt?“
Ana schüttelte den Kopf. „Für mich gab es nur zwei Begründungen, warum dein Vater so handeln konnte und beide gefielen mir nicht. Die eine war, dass er mich für alt und schwächlich hielt. Die andere, dass er dachte, in meiner Wohnung gäbe es irgendetwas Besonderes, was er sich aneignen könnte...“
„Das gab es doch auch.“ Jorge schenkte Rosa einen zärtlichen Blick. Lillian lächelte verträumt. Sie wünschte sich, eines Tages einen Mann kennen zu lernen, mit welchem sie eine ebenso große Liebe verband, wie zwischen ihren Eltern bestand.
„Du denkst immer das Schlechteste, Mamá. Hätte es denn nicht sein können, dass ich einfach nur hilfsbereit sein wollte?“
Ana ignorierte ihren Schwiegersohn und blickte ihre Enkeltochter ernst an. „Das ist keine gute Welt da draußen, Cara, vergiss das niemals. Es ist besser sich zu oft vorzusehen, als sich in sein Unglück zu stürzen.“
Lillian runzelte unsicher die Stirn. Rosa legte die Arme um ihre Tochter und blickte Ana streng an. „Du machst ihr Angst, Mamá! Muss das denn sein? Soll sie scheu werden? Willst du, dass sie niemals jemanden vertrauen und einsam bleiben wird?“, Sie wandte sich mit sanfter Stimme an Lillian: „Dein Herz wird dir immer sagen, wem du wirklich vertrauen kannst. Vergiss bloß nie auf dein Herz zu hören.“
„Pah!“, Ana pfiff durch die Zähne. „Schau dir doch diese jungen Dinger an, welche auf ihr Herz gehört haben und nun...“
„Mamá, es reicht. Sie ist noch ein Kind.“
Anas Gesichtszüge wurden sanfter. Sie betrachtete das kleine Mädchen, welches unruhig zappelte. „Lass stets Herz und Verstand entscheiden, Cariña.“
Rosa küsste Lillians Haaransatz. „Jorge durfte zwar nicht bis vor unsere Wohnungstür, um ihr die Einkäufe zu tragen, aber er durfte in die Wohnung, um diverse Geräte zu reparieren...“
„Was hätte ich denn tun sollen, wenn sie stets ihn schickten?“ Ana schüttelte den Kopf. „Dein Vater versuchte immer ein Gespräch mit mir zu beginnen. Er war sogar daran interessiert, wie es mir gelang, dass mein Blumenstock so gedieh.“ Ana lachte. „Ich wette, um deine Mutter hat er sich nicht halb so bemüht...“
Rosa betrachtete Jorge lächelnd. „Doch, das hat er. Das kannst du mir glauben.“
„Bei dir war es allerdings leichter als bei Mamá.“ Er trat zu seiner Frau und legte einen Arm um sie und seine Tochter. Lillian lächelte.
Sie liebte diese Geschichten um die Jahre vor ihrer Geburt. Das Mädchen bat ihre Eltern und Großmutter oft darum, davon zu erzählen.

Lillian lächelte. Ein sanfter Tränenschleier durchzog ihre Augen. Sie schlug den Schnellhefter zu und ließ ihn wieder in den Umschlag gleiten, welchen sie zurück in den Kasten legte. Der Fußboden knarrte, als sie das Schlafzimmer ihrer Großmutter betrat. Lillian betrachtete Ana lächelnd. Sanfte Sonnenstrahlen waren durch die dünne Jalousie gedrungen und warfen ein zartes Licht auf die ältere Frau. Lillian wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und setzte sich auf die Bettkante. Sie lauschte Anas tiefen Atemzügen und strich sanft über ihre vom Alter gekennzeichneten Wange.

„Lillian! Komm sofort heraus!“ Ana rüttelte an der Tür, welche seit Jahren klemmte.

Lillian kniff die Augen zusammen. Ein erstickender Druck erfasste ihr Herz bei der Erinnerung an jenen Abend.

Die Tür knarrte laut, als sie schließlich aufsprang. Ana lief in den dunklen Raum. Lillian saß auf dem alten Bett ihrer Großmutter, die Arme um die Beine geschlungen und den Kopf an ihre Knie gepresst. Heiße Tränen rannen ihre Beine entlang. Ihr zarter Körper wog unruhig hin und her. Sie schluchzte hysterisch. Lillians Anblick brachte Anas Herz zum Bluten. Sie sank neben das Mädchen und legte die Arme um seinen Körper. „Lillian!“
„Ich will zu meiner Mamá, zu meinem Papá! Bring mich zu ihnen!“
Anas Augen begannen zu tränen. „Querida...ich habe dir gesagt, dass das nicht geht.“
Lillians Schluchzen wurde lauter. „Bring mich zu ihnen!“, schrie sie.
„Querida, bitte beruhige dich bitte...“ Ana biss sich auf die Unterlippe. Was verlangte sie da von ihrer Enkeltochter? Sie selbst würde ihren Schmerz, die Wut doch selbst am liebsten hinausschreien. Sollten es doch die Nachbarn hören. Sollten sie doch reden.
„Ich will nicht hier bleiben! Ich hasse es hier!“ Lillian riss sich von ihrer Großmutter los. „Wo sind Mamá und Papá? Bitte lass mich doch zu ihnen! Ich verspreche dir auch, nie wieder etwas anzustellen. Bitte lass mich doch zu ihnen!“ Sie blickte Ana flehend an. Diese senkte ihren Blick und schluckte schwer. Lillian sollte ihre Tränen nicht sehen. Sie musste stark sein. Ana hob den Kopf und berührte Lillians zitternde Hände. „Querida...“
„Ich werde auch immer brav sein...“
„Querida, du bist das wunderbarste Mädchen der Welt...“
„Warum darf ich dann nicht bei ihnen sein? Das verstehe ich nicht!“
Ana nahm sie in die Arme.
„Das ist nicht fair!“, schluchzte das Mädchen.
„Nein.“, antwortete Ana leise, „das ist es nicht.“ Sie strich Lillian durchs Haar. „Deine Eltern sind nun an einem schönerem Ort.“
„Warum haben sie mich nicht mitgenommen?“
‚Herr, gib mir Kraft.’, flehte Ana innerlich. Der Schock saß noch in ihrem Herzen. Der Schmerz war zu frisch, wie konnte sie jetzt ihrer Enkeltochter Trost spenden? „Weil deine Zeit noch nicht gekommen ist, Cara.“
„Habe ich etwas falsch gemacht?“
„Nein, Querida...“
„Wo...wo ist dieser Ort? Warum können wir dort nicht hinfahren?“ Lillians Stimme schwankte.
„Ich weiß es nicht, mein Schatz. Aber ich weiß, dass dieser Ort wunderschön ist.“ Ana stockte. „Es ist unvorstellbar schön, das ewige Paradies. Nach diesem Leben werden wir alle diesen Ort aufsuchen. Wir werden unseren geliebten Menschen wieder begegnen und für immer bei ihnen sein.“
Lillian hob den Kopf und blickte ihre Großmutter Stirn runzelnd an. Das Meer der Tränen hatte ihre Augen geschwollen.
Ana strich über ihre Wange. „Deine Eltern sind nun bei den Engeln. Auch meine Eltern sind dort. Sie blicken auf uns herab und beschützen uns.“
„Ich möchte bei ihnen sein. Mit ihnen sprechen. Sie umarmen. Mich dafür entschuldigen, dass ich nicht immer brav war.“
Ana küsste Lillians Stirn. „Ich auch, Querida. Mehr als alles andere.“ Sie hob Lillians Kinn und zwang sie so sie anzusehen. „Aber wir können mit ihnen sprechen. Sag ihnen, was du am Herzen hast. Sie werden dich immer hören und dir antworten. Du wirst sie spüren. Fühlen, was sie dir antworten.“

Eine einzelne Träne tropfte auf Anas Stirn. Sie öffnete langsam die Augen und betrachtete Lillian einen Moment irritiert, ehe sie sich aufrichtete. „Was hast du denn, Querida? Ist etwas passiert?“
Lillian ließ den schmerzenden Tränen freien Lauf und umarmte ihre Großmutter schluchzend. „Danke.“, flüsterte sie leise. „Danke, dass du immer für mich da bist. Ich hab dich lieb, Großmama.“
Ana strich der jungen Frau sanft durchs lange Haar. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihr Herz. Sie hatte Rosa nach ihrem Tod versprochen, stets auf ihre geliebte Enkeltochter zu achten. Doch nun musste sie fürchten, bald nicht mehr dazu in der Lage zu sein. Lillian wusste nicht, wie es tatsächlich um die Gesundheit ihrer Großmutter stand und Ana wusste nicht, wie sie ihr davon unterrichten sollte, ehe sie nicht eine Lösung gefunden hatte. Rosa, was rätst du mir zu tun?
mann war das wieder sc höööön!!!
Ich liebe die schreibweiße...
und lilian beschreibst du acuh toll!!
Mach weiter soo
lg
Gurke
Hey Süße!

Ich sitz hier grad mit tränen in den Augen. Fühl mich gerade so als würd ich gleich voll heulen. Guck was du kannst!

Wieder ein wunderschöner teil. Lillian tut mir soo leid. Aber Sarah auch.
Was ist mit Ana los? Sie darf nicht sterben. Nicht sie auch noch.
Ich fühle immer so mit bei dieser FF. = )

Freu mich schon auf den nächsten Teil.

Hab dich lieb ♥
Hey Süße
So jetzt habe ich meine Woche London hinter mir. Und jetzt kriegst du auch dein Fb. Hatte den Teil schon vor der Woche gelesen, aber keine Zeit gehabt um Fb zu geben.

Der Teil hat mir Gänsehaut und Tränen bereitet. Der Brief von Sarah an Lillian war einfach klasse geschrieben.
Die erste Erinnerung von Lillian waren einfach nur wunderschön. Vor allem das Gespräch zwischen Jorge und Ana war einfach klasse.
Bei der zweiten Erinnerung von Lillian hatte ich Tränen in den Augen. Vor allem als Ana dieses gesagt hatte
Selene schrieb:Es ist unvorstellbar schön, das ewige Paradies. Nach diesem Leben werden wir alle diesen Ort aufsuchen. Wir werden unseren geliebten Menschen wieder begegnen und für immer bei ihnen sein.“

Aber was ist mit Ana? Sie darf nicht sterben. Dafür ist mir die Person schon zu sehr ans Herz gewachsen.
Dein Schreibstil ist einfach nur genial und ich freu mich schon auf einen nächsten Teil von dir.
Hab dich lieb Anne

Selene

Hallo meine Süßen :knuddel:

@Gurke: Danke für dein tolles Feedback! Freut mich, dass dir das Kapitel so gut gefallen hat!

@Zora: Tut mir leid, ich wollte dich nicht zum Weinen bringen, Süße. Es freut mich aber, dass du so mitfühlst. Das zeigt mir, dass es mir gelungen ist, die Gefühle richtig rüberzubringen. Bin da oft unsicher. Danke für dein tolles Feedback.

@Anne: Danke für deine Worte. Freut mich, dass dir der Teil so gut gefallen hat! Was mit Ana los ist, werdet ihr bald erfahren.

@alle: So, eigentlich hätte ich ja anderes zu tun gehabt Wink, habe aber trotzdem weitergeschrieben *g*

Ich hoffe, euch gefällt der neue Teil und ihr verzeiht die Länge Wink

Freu mich auf jedes Feedback!

Hab euch lieb
Bussi Selene


43. Teil

Stunden, Tage, Jahre schienen vergangen. Die Sonne brannte durch die dünne Jalousien und begann den Raum zunehmend zu erhitzen. Lillian löste sich zögernd von ihrer Großmutter und blickte in die dunklen Augen der älteren Frau, welche von einem leichten Tränenschleier durchzogen waren. „Danke.“, flüsterte die Jüngere. Ihr Herz brannte voller Schmerz um den Verlust ihrer geliebten Eltern, voller Dankbarkeit und verzweifelter Liebe Ana gegenüber und voller Angst vor dem, was kommen sollte. Lillian wusste nicht, vor welcher Zukunft sich ihr Herz fürchtete, doch es sagte ihr, dass schon lange nichts mehr so war, wie es einst gewesen war. Sie erinnerte sich an die ersten Wochen bei Ana. Wie launisch und gehässig war sie oftmals der Frau gegenüber gewesen, welche sich ihrer angenommen hatte. Ihr Verhältnis war sehr kompliziert geworden, ehe es so innig werden konnte. Doch an jenem Morgen waren zum ersten Mal seit über zehn Jahren Worte der Zuneigung über Lillians Lippen gekommen. Tiefe Gefühle zuzulassen schien ihr noch immer mit einer großen Angst verbunden, dennoch hatte sich etwas in ihr zu verändern begonnen. Inwiefern Sarahs Briefe etwas damit zu tun haben konnten, wusste sie nicht. „Cariña, ich bin immer bei dir.“ Ana strich ihrer Enkeltochter lächelnd über die Wangen. Lillian erwiderte ihr Lächeln, doch ihre Gesichtszüge begannen sich sogleich wieder zu verspannen. Ein Geheimnis lastete auf ihrem Herzen. Ein Geheimnis, welches, so glaubte sie, das Herz ihrer Großmutter brechen konnte. „Großmama...es gibt etwas, das ich dir sagen muss...“ Lillian räusperte sich leise und begann stockend von der Begegnung mit Oksana, Sarahs Briefen und ihrem Treffen mit Eduardo zu erzählen. Anfangs stoppte sie immer wieder kurz, um die Gesichtszüge ihres Gegenüber zu studieren, doch da sich diese nicht zu verändern schienen, fuhr sie schneller fort. Als sie geendet hatte, schien eine große Last von ihr gewichen. All die Schuldgefühle auf ihrem Herzen schienen leichter.
Ana betrachtete ihre Enkeltochter Stirn runzelnd. „Warum hast du mir nicht eher davon erzählt?“ Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte an das Geheimnis, welches sie Lillian beinahe achtzehn Jahre verschwiegen hatte sowie an ein anderes, welches sie der Enkelin noch eine gewisse Zeit vorenthalten musste.
Lillian atmete tief durch. „Ich weiß es nicht. Es ist eine schwierige Situation. Mamá, Papá und du, ihr werdet stets die einzigen sein, welche ich Familie nenne. Denn ihr habt mir jahrelang Liebe und Geborgenheit geschenkt. Ich hatte Angst, dass ihr es mir nicht verzeihen könntet, wenn ich nach Menschen suche, welche all die Jahre nicht für mich da waren. Ich hatte Angst, dass ihr denken könntet, sie würden euch ersetzen können.“ Lillians Stimme wurde fester. „Das könnten sie niemals, das ist vollkommen unmöglich. Aber trotzdem...etwas in mir möchte mehr über sie erfahren. Etwas in mir möchte meine Wurzeln kennen lernen. Mein Herz sagt mir, dass es wichtig ist...“ Sie biss sich auf die Unterlippe und senkte den Kopf.
Ana hob ihr Kinn. „Lillian...Cara, war dein Herz aus diesem Grund die letzten Wochen so schwer?“
Lillian zögerte. „Ja.“, antwortete sie schließlich, ohne der Großmutter in die Augen zu sehen. Es gab noch andere Gründe, doch diese sollten die ältere Dame zumindest vorerst nicht belasten.
Ana schüttelte den Kopf. „Du hättest es mir sagen müssen...“
Lillian nickte. „Es tut mir leid.“
„Es ist dein gutes Recht etwas über deine Wurzeln zu erfahren. Niemand versteht das so wie ich.“ Ana lächelte leicht, doch Lillian entging die Bedrücktheit in den Augen der älteren Frau nicht. Doch ehe sie noch etwas sagen konnte, war ihre Großmutter aufgestanden. Ein aufmunterndes Lächeln zierte ihr Gesicht. „Heute ist dein Geburtstag. Wir sollten allmählich aufstehen. Was hältst du davon, wenn wir heute in dem kleinen Cafe zwei Straßen weiter frühstücken? Schließlich ist doch ein Festtag.“ Als Lillian sich nicht bewegte, stemmte Ana die Hände in die Hüften und blickte sie Stirn runzelnd an. „Nun komm schon. So kannst du kaum essen gehen. Wir müssen noch duschen und uns umziehen.“ Sie blickte auf ihre Armbanduhr, welche sie manchmal sogar über Nacht am Handgelenk ließ. „Beeil dich. Man sollte nicht erst so spät in einem Cafe frühstücken. Die Leute denken sonst noch, ich würde den halben Tag verschlafen.“

Der kleine Raum war von einem süßlichen Duft erfüllt. Eine Mischung aus Kakao, Zimt und dem süßen Gebäck, welches Juanita wenige Minuten zuvor aus dem großen Backofen gezogen hatte. Ana biss genüsslich in ihr Buttercroissant und studierte Lillians Gesichtszüge. Die junge Frau nippte an ihrer Kaffeetasse und ließ den Blick über die fünf Tische schweifen. Ana dachte an das kleine Mädchen, welches sie immer gebeten hatte, Geschichten zu erzählen. Seine Augen hatten gefunkelt. Voller Freude und kindlicher Unschuld. Ana entsann sich dem Tag, an welchem die Unschuld aus den Augen des Mädchens der Angst, dem Kummer gewichen war. Ein leichter Glanz durchzog nun Lillians goldbraune Augen, ihre Großmutter vermochte ihn nicht zu deuten. Die junge Frau konzentrierte sich auf ihr Käsebrot, von welchem sie beinahe zaghaft abbiss. Sie wischte sich die Bröseln mit einer Serviette vom Mund und sah hoch, direkt in Anas Augen. Plötzlich runzelte sie die Stirn, als hätte sie die Sorge, bei etwas Verbotenem ertappt worden zu sein.
„Du bist eine wunderschöne Frau geworden.“, sagte Ana lächelnd.
Lillian senkte verlegen den Blick. Es war ihr unangenehm als schön bezeichnet zu werden. Äußerlichkeiten waren nebensächlich für sie. „Danke.“ Sie nippte erneut an ihrem Kaffee.
„Wir waren früher manchmal hier, weißt du noch?“
Lillian betrachtete Ana lange, ehe sie nickte. Sie waren früher öfters hier gewesen. Doch das war lange her, in einem früheren Leben. In einem Leben, in welchem ihre Eltern sie noch in die Arme genommen hatten. In einem Leben, in welchem es scheinbar nichts Schlechtes gegeben hatte.
„Dein Vater liebte die Croissant. Deine Mutter war hingegen begeistert von den frischgebackenen Semmeln.“
„Wer nicht?“ Lillian bemühte sich um ein Lächeln und wechselte das Thema. „Elena und Emilio werden gegen ein Uhr bei uns sein.“
Ana nickte lächelnd. „Wie geht es den beiden?“
Lillian zögerte. „Es geht ihnen gut.“, antwortete sie schließlich.
Ihre Großmutter musterte sie prüfend. „Es ist vor drei Jahren passiert, habe ich recht?“
Lillian nickte langsam. „Übermorgen vor drei Jahren...“
Ana biss sich auf ihre Unterlippe. „Um so wichtiger, dass Elena sich ein wenig ablenkt. Feiert heute Abend schön und kommt mir bloß nicht vor dem frühen Morgen nachhause. Emilio und Elena übernachten ohnehin bei uns.“
„Okay.“ Lillian nickte. „Danke.“
„Elena ist wie eine zweite Enkeltochter für mich.“ Ana lächelte. „Hätte ich mehr Geld, würde ich eine größere Wohnung für uns alle kaufen.“ Sie strich über Lillians Handrücken.
Ihre Enkeltochter strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Lillian hatte sich früher oft vorgestellt, dass sie studieren und später viel Geld verdienen würde. Sie würde mit ihrer Großmutter, Elena und Emilio in eine geräumige Wohnung in einen anderen Teil von New York City ziehen. Doch nun konnte sie sich glücklich schätzen, wenn sie überhaupt einen Arbeitsplatz bekam. „Großmama, weißt du, sucht jemand eine Aushilfe? In einem Cafe, einem Supermarkt, wo auch immer...“
Ana runzelte die Stirn, schüttelte schließlich den Kopf. „Ich werde Consuela fragen. Sie weiß gewiss bescheid.“ Sie betrachtete ihre Enkeltochter lange. „Es tut mir leid, dass ich dir deinen Wunsch zu studieren nicht erfüllen kann. Weder mein Geld noch das deiner verstorbenen Eltern reicht dafür, nicht wahr? Ich wollte es nicht wahr haben. Habe gebetet, dass du studieren könntest. Das war auch mein Wunsch, und der deiner Eltern. Schon immer. Du solltest studieren und ein besseres Leben führen...“
Lillian drückte Anas Hand. „Großmama...“, sie zögerte, „...es stimmt, ich wollte studieren. Möchte es immer noch. Doch das ist nicht das Wichtigste. Mein Leben ist in Ordnung, so wie es ist...“, sie wich Anas Blick aus. „...du hast mir so viel gegeben. Mehr hätte ich nie verlangen können. Und wer sagt denn, dass ich niemals studieren werde. Vielleicht bekomme ich ja nächstes Jahr ein Stipendium, wer weiß?“ Lillian versuchte selbstsicher zu klingen.
Ana durchschaute sie, beschloss aber, das Thema erst mal ruhen zu lassen. „Eventuell kannst du in der Flamenco Bar arbeiten.“
Lillian nickte. „Das wäre für den Anfang bestimmt nicht schlecht. Außerdem arbeitete auch Mamá eine Zeit lang dort.“

Nach dem Essen gingen Lillian und Ana noch ein wenig spazieren und sprachen über vergangene Zeiten. Die ältere Frau hatte sich bei der jüngeren eingehenkt und betrachtete sie immer wieder voller Stolz. Mit den frühen Mittagsstunden setzte ein sanfter Wind ein, welcher die Hitze erträglicher machte. Als Anas Kopf zu schmerzen begann, bat sie ihre Enkeltochter wieder nachhause zu gehen. Lillian kochte ihrer Großmutter Tee und setzte sich zu ihr auf das Sofa. Ana bat sie nochmals von ihrer Abschlussprüfung zu erzählen, schlief jedoch ein, kaum hatte Lillian begonnen und erwachte erst wieder, als es an der Tür klopfte.
„Oh mein Gott!“ Sie fuhr in die Höhe. Lillian, welche gerade das Essen zubereitete lächelte ihr zu, ehe sie die Tür öffnete.
„Lillian! Das ist dein Geburtstag. Ich wollte für euch kochen.“ Ana stemmte die Arme in die Hüften.
„Großmama, dein Körper hat Schlaf gebraucht. Ich habe gerne für uns gekocht. Keine Sorge, es ist nichts Außergewöhnliches.“ Lillian zwinkerte.
Eine zärtliche Wärme erfüllte das Herz der älteren Frau, als Elena mit Emilio auf dem Arm die kleine Wohnung betrat und ihre beste Freundin lächelnd begrüßte. „Alles Gute!“ Sie setzte den kleinen Jungen, welcher sogleich auf Ana zustürmte, auf den Boden ab und schloss Lillian in ihre Arme. Ihre Großmutter hob unterdessen Emilio hoch und küsste ihn auf die Wange. „Wie geht es meinem kleinen Cariño?“
Emilios Strahlen umfing den Raum mit einem Mal und tauchte ihn in einen warmen Glanz. „Gut.“, sagte er nur, seine zarte Stimme eroberte aber erneut die Herzen der drei Frauen.
Lillian strich ihm sanft über den dunklen Haarschopf. Ihre Finger berührten Emilio dabei nur ganz zaghaft. Als wäre er aus Porzellan und könnte zerbrechen. Er lachte fröhlich und griff nach Lillians Hand. Ein zärtlicher Tränenschimmer durchzog ihre Augen. Sie fragte sich einen Moment, ob Sarah sie auf dieselbe behutsame Art berührt hatte. Ihre Augen richteten sich auf Elena, welche ihren Sohn voller Stolz betrachtete. „Jetzt hast du aber genug Aufmerksamkeit erhalten, Querido. Heute ist doch Lillians Geburtstag!“
Emilio musterte Lillian grinsend. „Happy Birthday!“
„Danke, mein Kleiner.“ Lillian küsste ihn auf die Stirn.
Elena tauschte einen Blick mit Ana. „Ich denke, sie ist nun bereit.“, meinte erstere. Letztere gab mit einem Nicken zu verstehen, dass sie ihr zustimmt.
„Was habt ihr vor?“ Über Lillians Stirn zog sich eine tiefe Falte. Sie musterte die beiden Frauen misstrauisch.
Elena zog eine kleine rechteckige, schwarze Schachtel aus ihrer Tasche und reichte sie ihrer Freundin. „Von Ana, Emilio und mir. Alles Gute zum Geburtstag.“
Lillian musterte das Päckchen in ihrer Hand. Es schien plötzlich einen Kilo zu wiegen. „Aber das wäre doch nicht notwendig gewesen. Das schönste ist, dass ihr hier seid...“ Sie biss sich unsicher auf die Unterlippe. Ana und Elena hatten genügend Geldsorgen.
„Nun mach schon.“, drängte die Großmutter ungeduldig.
„Aufmachen!“, quietschte Emilio und klatschte mit seinen kleinen Händen.
Lillian löste die Masche des weißen Bandes und öffnete die Schachtel. Zum Vorschein kam eine Kette mit einem Kreuz als Anhänger. Die Sonnenstrahlen schienen sich mit dem Silber des Schmucks zu vereinen. Lillian verschlug es den Atem. „Sie ist wunderschön. Vielen Dank.“ Elena half ihrer Freundin die Kette anzulegen.
„Sie steht dir.“ Ana lächelte.
Lillian schüttelte den Kopf. „Ihr hättet sie dennoch nicht kaufen dürfen. Sie war gewiss teuer...“
Ana strich ihr über die Wange. „Cariña, wenn ich dir schon kein Studium finanzieren kann, sollst du zumindest ein Schmuckstück bekommen. Es soll dich dein Leben lang beschützen.“
Lillian umarmte zuerst ihre Großmutter, dann ihre beste Freundin. „Das wird es gewiss.“
Plötzlich klopfte es an der Tür. Lillian runzelte verwundert die Stirn.
„Mein zweites Geschenk.“ Ana reichte Emilio seiner Mutter und ging zur Tür, welche sie lächelnd öffnete. „Komm herein.“
Arturo schenkte Lillian und Elena ein Lächeln, bevor er sich an Ana wandte. „Vielen Dank für die Einladung, Señora.“
„Oh nein!“, entfuhr es Lillian. Die anderen musterten sie erstaunt. „Das Essen. Ich wusste nicht, dass du auch kommen würdest. Es ist sicherlich zu wenig.“
Arturo strich ihr grinsend durchs Haar. „Was für eine Begrüßung.“
Lillian lächelte. „Entschuldige. Ich freue mich, dass du hier bist.“ Sie umarmte und küsste ihn sanft. „Aber normalerweise gehst du in deiner Mittagspause mit deinen Kollegen doch immer zu Ed.“
„Ja, das ist in der Tat ein Problem. Ohne meine glänzende Anwesenheit wird der Laden wohl nicht gehen.“ Er zwinkerte ihr zu, ehe er sich an Elena wandte. „Sie sehen von Tag zu Tag bezaubernder aus, Señorita.“
Elenas Wangen röteten sich. „Lass das.“ Sie machte eine abweisende Handbewegung.
„Aber er hat Recht.“ Ana betrachtete sie lächelnd.
„Da stimmst du uns doch auch zu, Emilio?“ Arturo strich dem Kleinen etwas unbeholfen über den Kopf. Er war ungeübt und daher unsicher beim Umgang mit Kindern. Umso mehr erfreute es ihn, als Emilio ihm ein fröhliches Lächeln schenkte.
Elena rollte mit den Augen und wandte sich an Arturo. „Spar dir die Komplimente für Lillian.“
Ihre Freundin, welche gerade vier Teller und einen kleineren, für Emilio, aus dem kleinen Schrank neben dem Herd zog, zwinkerte amüsiert. „Solange ich die bezauberndste Frau für ihn bleibe, darf er dir ruhig Komplimente machen.“
„Wer denn sonst?“ Arturo schenkte ihr ein zärtliches Lächeln, ehe er ihr half den kleinen Sofatisch zu decken.
Das gemeinsame Essen verlief harmonisch und fröhlich. Als wären sie eine große, glückliche Familie. Ana, welche nach Rosas Tod zu Lillians zweiter Mutter geworden war. Elena, die Schwester, die sie niemals hatte. Emilio, welchen sie wie einen Neffen, vielleicht sogar wie einen Sohn, liebte. Und Arturo. Das Essen dauerte kaum eine Stunde, und doch schien es wie ein eigenes Leben. So fern von den Schmerzen der Realität. Den Schatten der Vergangenheit. Den Abgründen der Zukunft, welche noch unentdeckt, und deshalb umso gefährlicher, waren. Eines der Dinge, welche Lillian in ihrem Leben gelernt hatte, war, dass alles vergänglich war. Zerbrechlich. Wie feinstes Porzellan.

Nachdem Arturo wieder zurück zur Arbeit gefahren war, gingen Ana und Emilio in ihr Zimmer, um ein wenig zu schlafen. Zuvor hatte die ältere Frau Lillian gebeten, das Geschirr nicht zu waschen, es nur auf die Abwasch zu stellen. Sie würde es später tun, schließlich sei es doch ihr Geburtstag. Doch die Enkeltochter und ihre Freundin ließen sich nicht daran hindern. Gemeinsam begannen sie die Teller, Gläser und das Besteck zu waschen, und es schließlich abzutrocknen. Nachdem sie fertig waren, kochte Lillian etwas Kaffee und sie setzten sich auf das alte Sofa. Elena lehnte sich lächelnd an den weichen Stoff und betrachtete das zufriedene Gesicht der Freundin, der Schwester. „Weißt du noch?“, fragte sie plötzlich.
Lillian nippte an ihrem Kaffee und presste schmerzvoll die Lippen zusammen, als sie erfahren musste, dass er noch zu heiß war, um von ihm zu trinken. „Was meinst du?“
„Es war beinahe wie in unserer Vorstellung...“ Elena lächelte leicht. „Mit ein paar Schönheitsfehlern...“
Plötzlich wusste Lillian, wovon ihre Freundin sprach.

Das Mädchen schloss die Augen, als es Schwung holte und dem Himmel entgegen flog. Seine Hände ruhten währenddessen locker auf den dicken Seilen der Schaukel. Sein helles Lachen schien das ganze Viertel zu erfüllen. Die Sonne schimmerte auf der dunklen Haut, die Haare flogen sanft mit dem Wind. Das Mädchen hatte keine Angst zu fallen. Scheinbar mitten im Flug sprang es von der alten Schaukel. Seine Augen funkelten vergnügt. „Nun bist du an der Reihe.“
Lillian blickte ihre Freundin unsicher an. „Ich weiß nicht. Die Schaukel ist so alt. Die Seile könnten reißen.“
Elena lachte. „Du bist noch immer das verwöhnte Baby aus Brooklyn. Sei doch nicht so ein Feigling. Papá ließe mich doch nicht mehr schaukeln, wäre es gefährlich.“ Dieses blinde Vertrauen in den Vater kannte Lillian, wenn sie es auch beinahe vergessen hatte. Sie hatte Jorge vollkommen vertraut, ehe er sie im Stich gelassen hatte. Ein spitzer Dolch bohrte sich tief in ihr Herz. Ein Tränenschleier durchzog ihre Augen.
Elenas Stimme wurde mit einem Mal sanft. „Lillian...“ Sie legte einen Arm um sie. „Du musst nicht, wenn du Angst hast. Gehen wir hinein. Nana hat uns Kuchen gemacht. Mein Bruder wird dich auch gewiss nicht mehr ärgern. Wir sind alle eine Familie. Du bist meine Schwester, hast du das schon vergessen?“ Elenas Großmutter María war die beste Freundin Anas. Die Mädchen hatten sich vor einem Jahr, wenige Monate nach dem Lillian nach Spanish Harlem gekommen war, durch diese Verbindung kennen gelernt.
Lillian lächelte dankbar.
Elena hängte sich bei ihr ein, während sie auf die Tür des kleinen Hauses zugingen. „Wir werden immer Schwestern bleiben, nicht wahr? Ich sehe uns schon vor mir. Nana, Ana, wir mit unseren Ehemännern und Kindern an einem großen Tisch. Wir werden alle gemeinsam leben, glücklich und zufrieden, bis ans Ende unserer Tage.“
Lillian blickte sie zweifelnd an, widersprach jedoch nicht. Sie wollte die Freundin nicht verärgern. Elena war stets optimistisch und ließ keinen Zweifel an ihren Träumen zu. Sie flog stets auf die Dinge zu, stellte sich ihnen. Sie hatte keine Angst zu fallen. Ehe sie fiel und scheinbar alles verlor. Das erste Seil riss mit dem Tod Marías, das zweite mit ihrer ungeplanten Schwangerschaft und dem Rauswurf aus ihrem Elternhaus. Nach Estebans Tod verlor sie endgültig die Kraft sich wieder zu erheben.
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