Keine GG-Story. ich habe diese Kurzgeschichte für meine GroÃeltern zu Weihnachten geschrieben und auch der Rest der Family fand sie schön.
Lest sie euch doch mal durch und sagt mir, was ihr davon haltet.
Frohe Weihnachtstage!
UND ABENDS GRÃÃT DER WEIHNACHTSMANN
Weihnachten... das heiÃt, erschreckende rot gekleidete Männer mit weiÃen Bärten, Trubel darum, was man den Liebsten dieses Jahr bloà wieder schenkt und von was man das bezahlen soll, beleuchtete und geschmückte Tannen mit glitzernden Kugeln und Lametta, so dass sich die Ãste biegen, SüÃkram, der die Hosen um Hüften und Bäuche kneifen lässt und doch als Winterspeck vor Kälte notwendig ist. Eine ganze Menge dreht sich auch noch um die Familie in der Weihnachtszeit, die sich so oft sieht wie kein zweites Mal im Jahr und frohe Lieder von Geburt Jesu und Schneeballschlachten singt.
Martin Luther King haben wir schlieÃlich noch die zwei Weihnachtsfeiertage nach Heiligabend zu verdanken. Zwei ganze Tage voller Essen, Geschenken und wieder Essen, Singen, Schneeballschlachten und Essen. Eine herrliche Zeit irgendwie. Man stellt sich gemeinsam mit dem Rest der Menschheit aufs Laufband und klappert die Läden nacheinander ab, sieht dabei zu, wie der Geldbeutel immer leerer wird und glaubt, noch gar nichts gekauft zu haben.
âEin heilloses Durcheinanderâ, ärgerte sich Julias Mutter erneut und quetschte sich mit ihren drei Tüten bepackt durch zwei hochgewachsene Männer, die gemeinsam eine Tanne trugen.
âPassen Sie doch aufâ, beschwerte sich einer.
Julia Kiepert machte sich möglichst klein, damit man sie nicht erkannte. Obwohl das in dieser wirren Menge wohl ausgeschlossen war, zudem sie eine dicke Wollmütze trug und den Schal bis zur Nase gezogen hatte.
âJulia, bist du noch da Schätzchen?â, kam eine Stimme von weit her und Julia erkannte den grellbunten Schal ihrer Mutter, griff danach und lief ihr hinterher wie ein Herrchen. Frau Kiepert war der Inbegriff von Nervosität und Desorganisation. Da war Julia, ihre Tochter, das ganze Gegenteil. Sie managte sozusagen das Leben ihrer kleinen Familie.
Ihr Vater war die meiste Zeit aus beruflichen Gründen im Ausland und flog nur selten aus den USA nach Deutschland. Somit lebte Julia, ihre Mutter Klara und Julias kleiner Bruder Tom in einem kleinen Haus am Waldrand, einige Kilometer von Chemnitz entfernt.
Am Nachmittag des 23. Dezembers, ein Tag vor Weihnachten, erledigten Julia und Klara die alljährlich gewohnten letzten Besorgungen. Für alle Verwandten und Freunde, für die bis zu diesem Zeitpunkt nichts Passendes gefunden wurde, bekamen Gutscheine für Bücherläden oder Parfümerien, einen Schal und dicke Socken oder Dinge, die man selbst letztes Jahr geschenkt bekommen hat, jedoch nie zu gebrauchen wusste. Man rede hier nicht von gebrauchten und ausgedienten Sachen, nein, manche davon sind sogar noch verpackt! Aber hier gilt Vorsicht walten lassen: wenn man diese Dinge dem selben zurückschenkt, von dem man sie bereits bekam, kann die Situation unangenehm werden.
Tatsächlich fanden sich in den Tüten zwei Schals für die Zwillinge von engen Freunden, dementsprechend gleichaussehend, ein Büchergutschein für Klaras Schwester und Schokolade en mas, als würde die die lahmen Geschenke mit etwas Liebe bezuckern.
âKind, Kind, wir müssen nachhause. Wann wollte dein Vater noch gleich kommen?â
â18Uhr sollte die Maschine landen, gegen 19Uhr ist er dann daheimâ, antwortete Julia durch das Klingen der Kirchenuhren und legte noch einen Zahn zu.
âAb ins Auto, aber los jetzt. Wir haben noch so viele Sachen zu erledigen, bevor dein Vater kommt. Hoffentlich kümmert sich Oma bereits ums Essen.â
Klara warf die Einkäufe auf die Rückbank und knallte die Tür so schwer zu, dass der Kleintransporter erstaunlich wackelte. Julia tat, wie ihr geheiÃen, und stieg ein. In schnellem Rückwärtsgang brauste der Mini aus der Parklücke, machte Kehrt und fuhr in eine wesentlich ruhigere Gegend, weg von dem Leben in der Stadt.
âIch schalte das Radio anâ, informierte Julia und drückte auf den Knopf.
âOh ja, jaâ, stimmte ihre Mutter geistesabwesend zu und verrenkte ihren Arm, um nach hinten auf die Rücksitze greifen zu können. Verzweifelt suchte sie nach etwas, was sie jedoch nicht in die Finger bekam. Julia runzelte die Stirn und ihre Augen verengten sich.
âMama, was tust du da? Pass auf die StraÃe auf, es ist glatt!â
âJa ja, ich pass auf. Hoppla, Schlagloch.â
âWas suchst du denn? Ich kann für dich kramen und du konzentrierst dich auf die StraÃeâ, bot Julia an und zerrte den Arm ihrer Mutter zum Lenkrad.
âDie roten Schals für die Zwillinge, steht der Preis dran?â, fragte Klara und Julia schaute gezielt in der blauen Tüte ihres Lieblingskleiderladens nach.
âJa, die stehen noch dran. Soll ich sie...â
âGut gut, sonst machen die Verkäuferrinnen die Preisschilder ja schon manchmal im Laden ab und...â
âIch werde die Kärtchen abmachenâ, meinte Julia und zog straff daran, bevor sie von ihrer Mutter gegen die Schulter gestupst wurde.
âBist du des Wahnsinns? Lass die dran!â, schrie Klara halb hysterisch und drückte das Gas noch weiter runter.
âAber die Preise lässt man an den Geschenken nicht dran.â
âWir schon. Die sollen ruhig wissen, dass diese mit Schneekugeln bestickten kratzigen Schals jeweils zwanzig Euro gekostet haben. Dann bekommen sie vielleicht ein schlechtes Gewissen wegen den drei kaputten Weingläser, die sie uns letztes Jahr geschenkt hatten.â
Julia lehnte sich zurück. Die Frau mit den Zwillingen war seit der Schule eine sehr gute Freundin ihrer Mutter. Doch manchmal, genau wie früher, standen sie auf Kriegsfuà und fauchten sich nur an. Dass dies regelmäÃig in der Weihnachtszeit passiert, ist traurig, aber wahr.
Beide Frauen sind dann wie aufgelöst und völlig auÃer Kontrolle, was die Entscheidung, Heiligabend ohne einander zu verbringen, seit dem ersten Fehlversuch geklärt hatte.
In die Einfahrt eingebogen, stürzte Klara aus dem Auto, was noch nicht mal richtig zum Stehen gekommen war. Sie zerrte die Hintertür auf und krallte sich die Tüten unter den Nagel.
Julia währenddessen ging voraus und öffnete ihr die Haustür.
âDanke Schatz, geh deinen Bruder suchen und kümmere dich um ihn, okay?â, bat Klara und streifte provisorisch die Schuhe auf dem FuÃabstreicher ab.
Julia tat wie ihr geheiÃen und ging ihrer Mutter nach ins Wohnzimmer, wo sich ihr kleiner Bruder Tom auf dem Teppich lümmelte.
âTom, nimm den Schuh aus dem Mundâ, forderte sie ihn erschöpft auf und schnappte ihm den Hausschuh unter der Nase weg. Er quengelte und spazierte ihr nach in ihr Zimmer. Auf dem Weg durch die Küche begrüÃte sie kurz ihre haareraufende GroÃmutter am Herd und lies sie weiter im Kochbuch lesen, um wenige Sekunden später ihre Zimmertür hinter ihr schlieÃen zu können.
âGib mir den Schuh wiederâ, nörgelte Tom und zog eine Schnute.
âDu bist fünf Jahre, Tom. In diesem Alter kaut man nicht mehr auf Schuhen und auch nicht auf seinen Fingernâ, fügte Julia hinzu, als Tom anfing, auf seinem Daumen rumzubeiÃen.
âSpielen wir dann wenigstens was?â, fragte er und wippte nach vor und hinten, während Julia die dicke Jacke, Schal und Mütze abstreifte.
âJenga, los holâs her.â
âIch will nicht schon wieder Jenga spielen.â
âWas Anderes spiele ich nicht mehr mit dir, Tom. Alle deine anderen Spiele sind was für Kinder.â
âAber ich will was spielen!â
âDann hole Jenga, was Anderes gibt es nicht.â
Mit den Mundwinkeln um noch einen Grad tiefer, griff Tom in die Spielkiste und holte das Spiel heraus. Die Geschwister spielten geschlagene zwei Stunden, bis sie dem Duft des Essens, der durch den Türspalt kam, nicht mehr widerstehen konnten und zusammenpackten.
DrauÃen herrschte das Chaos!
âIst Papa noch immer nicht da?â, fragte Julia im Vorbeigehen ihre Oma und bekam eine prompte Antwort: âNein, ist er nicht. Und es ist bereits 21Uhr. Wir werden Essen. Geht Hände waschen!â
Sie taten, wie ihnen geheiÃen, und setzten sich an den Essenstisch. Ihre Mutter war mit den Nerven am Ende, schaute ständig auf die Uhr und zur Tür und klimperte mit den Fingern auf der Tischplatte.
âEr meldet sich nicht mal mehr. Die Amerikaner verziehen meinen Ehemannâ, beschwerte sie sich und zündete mit zittrigen Händen alle vier Kerzen auf dem Tisch an.
Julia zitterte ebenfalls leicht. Ein Weihnachtsfest ohne ihren Papa konnte sich sie gar nicht vorstellen. Schon letztes Jahr kam er später als gedacht, aber wenigstens hatte er vorher angerufen. Wie auf Pfiff läutete das Telefon und Klara stürzte auf.
âDann verteile ich halt derweilen die Ente. Reicht mir mal eure Tellerâ, bat Oma Lisbeth und nahm zwei Messer zur Hand.
Tom rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her.
âWieso kommt Vati denn nicht, Oma?â, fragte er und bestaunte das leckere Essen mit groÃen Augen.
âSicher steckt er im Stau. Das kann ich mir bei diesem starken Schneefall sehr gut vorstellenâ, antwortete sie und verteilte das Essen weiter.
âWar er es?â, fügte sie hinzu, als gleich darauf Mama Klara ins Esszimmer zurückkam. Sie wirkte durch den Wind, aber auf eine gewissen Weise auch ruhiger als vorher.
âNein, es war Amanda von der Firma. Ich soll euch allen schöne GrüÃe ausrichten. Los, lasst uns essen.â
âGanz ohne Vati?â, fragte Julia misstrauisch und beäugte das groÃe Stück Ente auf ihrem Teller. âWir sollten warten.â
âDann wird das Essen kalt. Iss, Julia!â
Vorsichtig nahm Julia Messer und Gabel zur Hand, sah kurz zu ihrem Bruder, der bereits munter im Kraut stocherte und fing dann selbst an zu essen.
DrauÃen stürmte es noch immer sehr stark. Schneeflocken wehten einen um die Ohren und es war bitterkalt. Julia saà vor dem Fenster und genoss das Gefühl, pappsatt zu sein. Das Weihnachtsessen ihrer Oma war köstlich, doch etwas schlug ihr auch gehörig auf den Magen: ihr Vater war noch immer nicht zuhause und Tom wurde schon langsam müde. Bescherung handhabten sie wie die Amerikaner. Diese Tradition der Geschenkverteilung am nächsten Morgen hatte ihr Vater sich in den Staaten abgeschaut. Um die Geschenke ging es ihr sowieso weniger. Sie freute sich zwar besonders auf ein Buch, doch viel lieber hätte sie ihren Vater bei sich gehabt.
âTom, wollen wir Jenga spielen?â, fragte sie und sah verträumt weiter nach drauÃen, wo der Schnee in dicken Flocken fiel.
Sie bekam keine Antwort und forderte ihn auf zu antworten: âTom!â
Aber wieder folgte keine Antwort. Sie riss ihren Blick von der weiÃen Pracht los und sah dann ihren Bruder unter der Tanne liegen. Er hatte die Augen zu und atmete ruhig und gleichmäÃig.
Seit einiger Zeit hatte man auch von GroÃmutter Lisbeth und Mama Klara nichts mehr gehört. Julia vermutete sie noch immer in der Küche, mit dem Abwasch beschäftigt. Langsam bahnte sie sich einen Weg zu Tom und zog ihn leicht am Arm. Dem folgte jedoch nur ein leises Schnaufen. Sie zog ihn noch ein Stück zu sich und bettete ihn auf ihrem SchoÃ.
Mit dem Rücken an die Wand gelehnt, streichelte sie ihm nun durch das braune Wuschelhaar und versuchte, irgendwelche Geräusche im Haus auszumachen.
Ãberall knackte es. Unheimlich war allein schon das, doch als dann das Quietschen einer Tür hinzukam, hielt Julias Hand inne und krallte sich regelrecht an ihren Bruder.
Schritte, knarrende Schritte. Es klang eindeutig nach Einbrechern, wer würde sonst so leise durchs Haus spazieren, wenn er denn auch normal gehen konnte? Noch weiter zog sie den kleinen Jungen zu sich heran und entschloss sich in sekundenschnelle, dem Einbrecher Beine zu machen und ihn abzuschrecken.
âVerschwinden Sie bloÃ, mein Vater ist Polizist, der trägt ständig eine Pistole mit sich herum und das auch zu Heiligabend. Ich warne Sie, kommen sie nicht näher!â Ihr Versuch, zu schreien, misslang kläglich. Ihre Stimme zitterte wie Espenlaub.
âDein Vater ist also Polizist, ja?â, kam als Antwort zurück. Die knarrenden Schritte waren verstummt, Julia konnte nun überhaupt nicht mehr ausmachen, wo sich dieser Mann mit dieser unglaublich tiefen Stimme gerade befand.
âJaâ, piepste Julias Stimme und sie schnappte sich ihren Bruder, drückte ihn noch ein Stück näher an sich heran und versuchte aufzustehen, wegzurennen, ihre Mutter und GroÃmutter zu finden.
âWas denn, du willst schon gehen? Ich dachte, du bist schon ein groÃes Mädchen, das keine Kinderspiele mehr spielt und keine Angst mehr hatâ, fragte die kratzige Stimme und nun hörte man wieder Schritte , die diesmal in erheblich schnellerem Tempo in ihre Richtung kamen.
Tom regte sich in den Armen seiner Schwester und zappelte, so dass Julia, sowieso die Arme schwer wie Blei, ihn auf den Boden zurücksinken lieÃ. Woher wusste dieser Mann all diese Dinge?
Dann sah man ein paar Schuhe um die Ecke biegen. Alte, abgewetzte, braune Stiefel, die erstaunliche Ãhnlichkeit mit Papas Gartenschuhen hatten, wie Julia feststellte. Die Geschwister hielten den Atem an. Ihre Herzen rasten und die Gedanken spielten verrückt.
Es folgte ein roter Umhang, benetzt mit weiÃen Schneeflocken und gleich darauf tauchte ein langer weiÃer zerzauster Bart auf.
âJulia, den Weihnachtsmann gibt es doch!â, schrie Tom plötzlich in die entstandene Stille hinein und sprang auf. In sekundenschnelle packte Julia ihn um die Hüften und zog ihn zu sich zurück.
âLass mich los, das ist der Weihnachtsmann und kein Einbrecher! Du hattest Unrecht, Julia, den Weihnachtsmann gibt es doch!â
Julia sah zu dem Mann auf, dessen Gesicht zum groÃen Teil durch den wirren Bart verdeckt war. Was sie sehen konnte, war einzig und allein das braune Augenpaar, was die beiden Kinder ansah. Oder eher, die Julia ansahen. Der Mann zwinkerte ihr zu und auch wenn man es nicht weiter ausmachen konnte, so sah man doch, dass er lächelte. Er lächelte sie an und seine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen, bis er plötzlich ein kräftiges âHohohoâ ausrief. Julia zuckte zurück, lieà dabei Tom los, der sich wie verrückt auf den Weihnachtsmann stürzte. Ein letzter kurzer, zwinkernder Blick des hochgewachsenen, schlanken Mannes, und Julia wusste, wer da vor ihr stand. Die Schuhe, diese braunen Augen, die Statur. Alles deutete eindeutig auf: âPapa?â, hin. Der Mann sah erschrocken auf, schüttelte unsanft den Kopf wie ein Besessener und lehnte sich dann wieder runter zu seinem Sohn. Es war ihr Vater, der sich dort als Weihnachtsmann für seinen fünfjährigen Sohn verkleidet hatte. Erleichtert ging Julia auf ihn zu und schloss ihn in die Arme. Tom bekam von der ganzen Lügengeschichte überhaupt nichts mit.
Am nächsten Morgen wurde Julia unsanft von ihrem kleinen Bruder geweckt. Er rüttelte sie am Arm und brüllte um sich.
âVati ist wieder da, Julia! Vati...â
âJa doch, Tomâ, stöhnte sie, kletterte schweren Herzens aus ihrem Bett und warf einen Blick auf den Radiowecker. 5Uhr morgens.
âTom, hast du schon mal auf die Uhr geschaut?â Im selben Moment fiel ihr ein, dass ihr kleiner Bruder die Uhr ja noch gar nicht lesen konnte.
âGut, gehen wirâ, stimmte sie zu und verlieà ihr Zimmer, um sich ins Schlafzimmer ihrer Eltern zu schleichen.
In dem stockdunklen Zimmer herrschte absolute Ruhe, bis Tom die beiden Erwachsenen aus dem Schlaf riss.
âPapa!â, brüllte er und sprang auf der Matratze auf und ab. Auch Julia näherte sich langsam dem Bett und setzte sich ans Ende.
Klara schaltete die Nachttischlampe an und im Schein des Lichtes erkannte Julia wieder die strahlendbraunen Augen und des kecke Lächeln ihres Vaters, das mehr als tausend Worte verriet.
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Liebe WeihnachtsgrüÃe,
LGRG