24.04.2012, 19:16
29.04.2012, 18:21
[SIZE=2]Danke für euer fleiÃiges Feedback! Alle verbleibenden Fragen zu Simons Vergangenheit werden dann wohl geklärt. In Kapitel
[/SIZE]
DreiunddreiÃig
Aus unerfindlichen Gründen blitzten seine stahlblauen Augen fröhlich auf.
„Das macht aber nichts, sie sollten einfach eine Weile keinen Sport machen und sich nicht überbelasten.“
Jetzt zwinkerte er Anne zu. Zwei Mal. Hatte der gute Mann nervöse Zuckungen?
Anne gähnte nur und zog sich wieder vollständig an.
„Danke.“, sagte sie dabei. „Dann kann ich jetzt nach Hause?“
„Selbstverständlich!“
Der Arzt half ihr gentlemanlike in den Mantel, wobei Anne versuchte, nicht schmerzvoll das Gesicht zu verziehen.
Nicht, dass er sie noch hierbehalten würde, das konnte sie gerade gar nicht gebrauchen.
Das schien dem Mediziner aber gar nicht in den Sinn zu kommen. Stattdessen öffnete er ihr die Tür und wollte ihr gerade seine Visitenkarte in die Hand drücken, als auch schon jemand anderes Annes Aufmerksamkeit beanspruchte.
„Und, was ist los? Ist es was schlimmes? Soll ich dir Sachen holen? Nein, oder? Es ist alles gut, oder, Annie?“
„Alles gut. Bringst du mich nach hause?“
Diese kurz angebundene Antwort war mehr als berechtigt, das wusste Simon. Genau genommen hatte er sie überhaupt nur ins Krankenhaus bringen dürfen, weil sie allein nicht fahren konnte. Aber es war klar, dass seine Gesellschaft das Letzte war, was sie jetzt wollte.
„Ja, klar.“, murmelte er etwas entmutigt, als ihm der skeptische Blick des Arztes bewusst wurde, der ihn wohl schon anstarrte, seit er hier war.
„Entschuldigung. Hatte ich sie unterbrochen?“, fragte er den Arzt. Dieser ignorierte ihn und wandte sich direkt an Anne.
„Hier ist noch meine Karte mit meiner Privatnummer. Falls etwas sein sollte.“
Anne zog eine Augenbraue hoch. Privatnummer? Zögernd nahm sie die Karte.
„Sagen sie,“, fing der Arzt plötzlich an, als sie schon zur Verabschiedung ansetzen wollte.
„Wie haben sie sich eigentlich so eine Prellung zugezogen?“
Jetzt fiel ihr auf, dass er Simon misstrauisch beäugte. Kein Wunder. Simon trug nur eine Jacke, aber kein Shirt, und seine Haare waren fleckig, strubbelig und immer noch ein bisschen nass. Der schuldbewusste Gesichtsausdruck machte das Bild perfekt.
„Ich bin im Bad ausgerutscht.“, log sie.
„Es war etwas nass, weil er sich gerade die Haare gewaschen hatte, und da bin ich ausgerutscht und unglücklich gefallen.“
„Aha.“
Auch ein kompletter, ehrlicher Satz hätte nicht deutlicher machen können, wie sehr der Arzt ihre Geschichte nicht glaubte. Ein dummes, geprügeltes Mädchen war sie für ihn, so naiv, dass sie glaubte, es würde nicht wieder vorkommen.
Vielleicht war sie das. Aber das wollte sie nicht denken.
„Komm Simon, ich möchte nach Hause.“, sagte sie leise und hakte sich bei ihrem besten Freund ein.
„Danke, Herr Doktor.“
Verabschiedete sie sich und zog Simon mit sich, so kräftig es die Rippen zulieÃen. Aber Simon hatte, seit er verstanden hatte, worauf der Arzt anspielte, sowieso nur noch schuldbewusst in die Gegend gestarrt und lieà sich willenlos mitziehen, als hätte er Räder unter den FüÃen.
Bevor das Auto vor ihrer Haustür hielt, legte sie schon die Hand auf den Türgriff.
„Annie, ich will dir das erklären.“
Sie erschrak und zog die Hand zurück. Die ganze Autofahrt über hatte er nichts gesagt.
„Ich mein, wenn du mich lässt, dann versuch ich dir zu erklären, was da passiert ist.“
„Simon, ich bin müde.“
„Du denkst, ich sei ein Monster, oder?“
Auch im Dunkeln wusste sie genau, dass er gerade einen unglaublich enttäuschten Gesichtsausdruck hatte.
„Nein.“, sagte sie sanft. „Dann komm. Du musst mir das nicht im Auto erklären.“
„Zu dir in die Wohnung?“
„Ach komm, Simon. Wenn du mich umbringen wolltest, hättest du das längst getan, oder?“
Sie lachte. Er lachte nicht.
Simon starrte im Halbdunkel des Wohnzimmers vor sich hin und dachte an nichts, während er sprach. Er war nicht sicher, ob er bereit gewesen war, seine Geschichte zu erzählen, aber er hatte keine andere Möglichkeit mehr gehabt. Wenn eines sicher war, dann, dass nicht jeder eine beste Freundin hatte, die noch Erklärungen zulieÃ, nachdem man sie quer durch sein Badezimmer geworfen hatte. Es hatte nichts daran vorbei geführt, seine Geschichte zu erzählen, wenn er sie nicht verlieren wollte.
„Also bin ich weggelaufen. Und dann...“
Simon stockte. Nicht, dass er sich getraut hätte, sie anzusehen, aber er kannte sie lange genug, um ihr unterdrücktes Schluchzen zu erkennen. Wie viele Filme hatten sie zusammen gesehen, bei denen sie geschworen hatte, nicht geweint zu haben? Trotzdem wusste er es, auch wenn sie nur stumm dasaà und die Tränen einfach laufen lieÃ.
„Tut es wieder weh?“
„Nein.“, schniefte sie. „Erzähl weiter.“
„Aber du weinst. Soll ich was zum kühlen holen?“
„Nein, erzähl mir was passiert ist, nachdem du weggelaufen bist.“
„Ich wusste erst nicht, wohin. Dann bin ich zur Polizei. Ich hab die Uhr auf den Empfangstresen gelegt und gesagt: 'Mein Vater hat ihn umgebracht. Sie müssen ihn Festnehmen.'
Naja, und das haben sie dann auch gemacht.“
„Er war nicht tot?“
„Nein, war er nicht. Er ist hier im Städtischen Gefängnis. Der Tag an dem wir uns so gestritten hatten... an dem Tag war ich da.“
Anne brauchte lange, um ihre einzelnen Sätze zusammen zu bauen.
„Also hast du ihn nicht... und die Polizei hat ihn einfach festgenommen?“
„Die Uhr hatte eine Seriennummer und konnte direkt zurückverfolgt werden. Und dann stand seine Aussage gegen meine und ich musste mit einem Psychologen furchtbar lange reden und irgendwann... haben sie mir geglaubt. Ich bin auch im Krankenhaus untersucht worden, ob er wirklich das alles mit mir gemacht hat, und dann wurden alle möglichen Leute befragt... Und auf einmal hatten sie ihn alle verdächtigt... Nachbarn, Lehrer, Kindergartenerzieher – mein ganzes Leben lang.“
Er lachte trocken.
„Und nein, ich bin kein Mörder.“, fügte er dann hinzu.
„WeiÃt du, dass ich Donnerstags immer lange Schule hatte, das stimmte nicht. Das war Therapie. Da haben sie mich davon überzeugt, dass ich meine Mutter nicht umgebracht hab. Und versucht mein Wasserproblem zu beseitigen, aber das hat nie ganz funktioniert. Und...“
Er fühlte kalte Fingerspitzen an seinem Kinn, die seinen Gesicht zu ihr drehten. Sie sah genau so aus, wie er es sich vorgestellt hatte: Die Augen rot, die Lippen zusammengepresst, die Wangen nass glänzend.
„Du hast nie jemandem davon erzählt? AuÃer der Polizei und diesem Psychologen?“
„Tut mir leid, dass ich nie was gesagt hab. Aber als ich erstmal im Heim war wollte ich nicht mehr darüber reden. Das ist Vergangenheit. Interessiert mich nicht mehr.“
Er senkte den Blick und versuchte, den Kopf zurück zu drehen, aber sie hielt ihn fest.
„Aber du warst ihn besuchen.“
„Er stirbt. Ich dachte, ich müsste ihm endlich alles sagen, dass ich keine Angst mehr vor ihm hab, dass ich meine Mutter nicht umgebracht hab, dass ich jetzt mein eigenes Leben hab, dass es mir gut geht... Alles, was ich ihm noch sagen müsste, damit meine Therapie erfolgreich war.“
Endlich sah er sie von allein an. Sie lieà ihn los und grinste schwach.
„Du hast den Kerl halbtot geschlagen. Meinst du nicht, dass das reicht?“
„So oft wie er mich halb umgebracht hat braucht es noch ein bisschen mehr. Ich konnte nicht mal zu ihm reingehen.“
Sie nickte nachdenklich.
„Annie, es tut mir wirklich leid, ich wusste nicht, dass ich sowas machen würde.“
„Ist schon gut, Simon, das heilt wieder.“
„Ich hätte dich wirklich schlimm verletzen können. Oder mehr...“
„Hast du aber nicht.“, sagte sie bestimmt und wischte sich schon wieder eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Warum weinst du denn die ganze Zeit?“
Sie sah ihn an als würde er ein pinkes Nilpferd auf seiner Nase balancieren.
„Weil so ein dämlicher Idiot meinen besten Freund verprügelt hat, seit er ganz klein war? Und weil ich gar nicht weiÃ, was ich sagen soll und wie ich dir helfen kann und ob ich dich jetzt in den Arm nehmen darf...“
Er lächelte vorsichtig.
„Warum solltest du nicht?“
„Weil ich... es kommt mir so vor als würd ich dich gar nicht mehr kennen. Ich kenn doch nur eine Hälfte von dir, den katzenallergischen, wasserängstlichen Simon, der den ganzen Tag die Decke anstarrt, Ungerechtigkeit hasst und sich unter keinen Umständen prügelt. Und jetzt ist da der Simon, der so viel erlebt hat und so verletzlich ist und irgendwie auch so stark... Ich weià gar nicht mehr wie ich dich sehen soll. Hat dich das all die Jahre nicht tierisch aufgeregt, wenn ich über meine Narben gejammert hab obwohl du viel schlimmeres erlebt hast? Müsstest du mich dafür nicht hassen? Und jetzt jammer ich dich schon wieder voll und...“
„Annie, du darfst mich in den Arm nehmen.“
Sofort hing sie an ihm und drückte ihn so fest sie konnte.
„Au.“, murmelte sie dabei. „Au, au, au...“
„Lass doch besser los, wenn es wehtut.“, schlug er ernstlich verwirrt vor.
„Nein. Au, aua, au, au, au...“
Plötzlich nieste er laut und stieà sich dabei von ihr ab.
„Au!“, rief sie empört.
„Entschuldige, ich...“
„Nicht du, ER!“
Sie zeigte auf Mrs. Mistoffelees, der unter dem Couchtisch saà und sie verschreckt anstarrte. Sein Wollknäuel hielt er „erlegt“ in den Pfoten, was für seine Verhältnisse ein groÃartiger Erfolg war. Aber statt ihn zu loben, dass er sich trotz Simons Anwesenheit nicht versteckte, starrte sein Frauchen ihn nur böse an. Beleidigt verzog er sich ins Schlafzimmer. Böse sein konnte er genau so gut...
Simon war auf der Flucht vor den Katzenhaaren in den Garten gegangen und beobachtete die Goldfische, die im Teich schwammen. Bald würde der Winter kommen, der kleine Gartenteich würde zufrieren – was war dann mit den Fischen? Würden sie einfach vergessen werden, wenn sie unter dem Eis verschwanden?
„Besser? Du solltest hier wieder 'nen Inhalator deponieren.“
Anne schloss die Gartentür hinter sich und blieb ein Stück hinter ihm stehen.
Er drehte sich um und nickte.
„Hey hör mal, wegen dem was du eben gesagt hast...“
„Tut mir leid, das ist nicht deine Schuld. Ich muss mich halt dran gewöhnen, das ist alles. Ich hab nur eine Frage: Wie heiÃt du eigentlich wirklich?“
„Keller. Simon Keller. Ich hab dann nur den Namen von meiner Mutter angenommen, mein Vater war in allen Zeitungen... Annie, ich hätt's dir eher sagen sollen... Aber ich bin deshalb kein anderer Mensch. Du kennst mich jetzt nur besser als vorher, du weiÃt warum ich so bin wie ich bin. Aber das ist gut, oder?“
„Ja, wahrscheinlich ist es das."
Sie sah auf den Schnitt in ihrer Hand und lächelte.
„Und wenn ich nie herausfinde, wieso ich selbst so bin wie ich bin, ist das vielleicht gar nicht so schlecht.“
„Du wirst es herausfinden. Warum besuchst du nicht noch mal Mayer? Ich komm auch mit, wenn du willst.“
Anne setzte sich auf die Treppenstufen, die von der Terrasse in den Garten hinabführten. Sie nickte leicht und sah eine Weile auf den Boden, dann sah sie ihn wieder an. Er hatte sich bereits wieder weggedreht und sah auf den Gartenteich.
„Simon? Was hältst du davon, wenn ich mit dir deinen Vater besuchen gehe? Würde dir das helfen?“
„Vielleicht. Wir könnten es ausprobieren.“
Er löste den Blick vom Teich und setzte sich neben sie.
„Wirst du es Valerie erzählen?“
„Vielleicht.“
„Sie ist wirklich nett. Abgesehen von der Haarfärbesache. Aber das hatte ja auch sein gutes...“
„Findest du?“
„Naja, du hättest mich fast umgebracht, aber ich glaube das hat unsere Freundschaft gerettet. Verrückt, oder?“
„Ich meinte, ob du Valerie wirklich nett findest.“, meinte er und verdrehte die Augen.
„Du wirst mir das ewig nachtragen, oder?“
„Ich kenn sie nicht wirklich, aber sie war sehr verständnisvoll mit der ganzen Messersache. Und ja, werde ich.“
Sie stieà ihn in die Seite.
„Ich werd noch meinen Enkeln von diesem Tag erzählen, der Tag, an dem Simon mich fast umgebracht hätte. Und weiÃt du was sie sagen werden?“
„Wahrscheinlich werden sie mich ausbuhen...“
„Sie werden sagen: Das ist cool, Oma, dass du einen besten Freund hattest, den du so lieb hattest, dass euch nichts auseinanderbringen konnte.“
„Meinst du?“
„Ja. Es sei denn, ich ende als einsame alte Dame mit Mrs. Mistoffelees fünfzehn Enkelkindern.“
Er grinste und legte einen Arm um sie.
„Das wirst du nicht.“, versprach er.
„Dieser Kater ist sowieso nie im Leben mutig genug um Kinder zu zeugen...“
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DreiunddreiÃig
2011
„Also sehen sie, es ist nichts gebrochen.“, erläuterte dunkelhaarige Arzt anhand eines Röntgenbildes von Annes Rippen. „Aber eine schöne Prellung haben sie trotzdem.“Aus unerfindlichen Gründen blitzten seine stahlblauen Augen fröhlich auf.
„Das macht aber nichts, sie sollten einfach eine Weile keinen Sport machen und sich nicht überbelasten.“
Jetzt zwinkerte er Anne zu. Zwei Mal. Hatte der gute Mann nervöse Zuckungen?
Anne gähnte nur und zog sich wieder vollständig an.
„Danke.“, sagte sie dabei. „Dann kann ich jetzt nach Hause?“
„Selbstverständlich!“
Der Arzt half ihr gentlemanlike in den Mantel, wobei Anne versuchte, nicht schmerzvoll das Gesicht zu verziehen.
Nicht, dass er sie noch hierbehalten würde, das konnte sie gerade gar nicht gebrauchen.
Das schien dem Mediziner aber gar nicht in den Sinn zu kommen. Stattdessen öffnete er ihr die Tür und wollte ihr gerade seine Visitenkarte in die Hand drücken, als auch schon jemand anderes Annes Aufmerksamkeit beanspruchte.
„Und, was ist los? Ist es was schlimmes? Soll ich dir Sachen holen? Nein, oder? Es ist alles gut, oder, Annie?“
„Alles gut. Bringst du mich nach hause?“
Diese kurz angebundene Antwort war mehr als berechtigt, das wusste Simon. Genau genommen hatte er sie überhaupt nur ins Krankenhaus bringen dürfen, weil sie allein nicht fahren konnte. Aber es war klar, dass seine Gesellschaft das Letzte war, was sie jetzt wollte.
„Ja, klar.“, murmelte er etwas entmutigt, als ihm der skeptische Blick des Arztes bewusst wurde, der ihn wohl schon anstarrte, seit er hier war.
„Entschuldigung. Hatte ich sie unterbrochen?“, fragte er den Arzt. Dieser ignorierte ihn und wandte sich direkt an Anne.
„Hier ist noch meine Karte mit meiner Privatnummer. Falls etwas sein sollte.“
Anne zog eine Augenbraue hoch. Privatnummer? Zögernd nahm sie die Karte.
„Sagen sie,“, fing der Arzt plötzlich an, als sie schon zur Verabschiedung ansetzen wollte.
„Wie haben sie sich eigentlich so eine Prellung zugezogen?“
Jetzt fiel ihr auf, dass er Simon misstrauisch beäugte. Kein Wunder. Simon trug nur eine Jacke, aber kein Shirt, und seine Haare waren fleckig, strubbelig und immer noch ein bisschen nass. Der schuldbewusste Gesichtsausdruck machte das Bild perfekt.
„Ich bin im Bad ausgerutscht.“, log sie.
„Es war etwas nass, weil er sich gerade die Haare gewaschen hatte, und da bin ich ausgerutscht und unglücklich gefallen.“
„Aha.“
Auch ein kompletter, ehrlicher Satz hätte nicht deutlicher machen können, wie sehr der Arzt ihre Geschichte nicht glaubte. Ein dummes, geprügeltes Mädchen war sie für ihn, so naiv, dass sie glaubte, es würde nicht wieder vorkommen.
Vielleicht war sie das. Aber das wollte sie nicht denken.
„Komm Simon, ich möchte nach Hause.“, sagte sie leise und hakte sich bei ihrem besten Freund ein.
„Danke, Herr Doktor.“
Verabschiedete sie sich und zog Simon mit sich, so kräftig es die Rippen zulieÃen. Aber Simon hatte, seit er verstanden hatte, worauf der Arzt anspielte, sowieso nur noch schuldbewusst in die Gegend gestarrt und lieà sich willenlos mitziehen, als hätte er Räder unter den FüÃen.
Bevor das Auto vor ihrer Haustür hielt, legte sie schon die Hand auf den Türgriff.
„Annie, ich will dir das erklären.“
Sie erschrak und zog die Hand zurück. Die ganze Autofahrt über hatte er nichts gesagt.
„Ich mein, wenn du mich lässt, dann versuch ich dir zu erklären, was da passiert ist.“
„Simon, ich bin müde.“
„Du denkst, ich sei ein Monster, oder?“
Auch im Dunkeln wusste sie genau, dass er gerade einen unglaublich enttäuschten Gesichtsausdruck hatte.
„Nein.“, sagte sie sanft. „Dann komm. Du musst mir das nicht im Auto erklären.“
„Zu dir in die Wohnung?“
„Ach komm, Simon. Wenn du mich umbringen wolltest, hättest du das längst getan, oder?“
Sie lachte. Er lachte nicht.
Simon starrte im Halbdunkel des Wohnzimmers vor sich hin und dachte an nichts, während er sprach. Er war nicht sicher, ob er bereit gewesen war, seine Geschichte zu erzählen, aber er hatte keine andere Möglichkeit mehr gehabt. Wenn eines sicher war, dann, dass nicht jeder eine beste Freundin hatte, die noch Erklärungen zulieÃ, nachdem man sie quer durch sein Badezimmer geworfen hatte. Es hatte nichts daran vorbei geführt, seine Geschichte zu erzählen, wenn er sie nicht verlieren wollte.
„Also bin ich weggelaufen. Und dann...“
Simon stockte. Nicht, dass er sich getraut hätte, sie anzusehen, aber er kannte sie lange genug, um ihr unterdrücktes Schluchzen zu erkennen. Wie viele Filme hatten sie zusammen gesehen, bei denen sie geschworen hatte, nicht geweint zu haben? Trotzdem wusste er es, auch wenn sie nur stumm dasaà und die Tränen einfach laufen lieÃ.
„Tut es wieder weh?“
„Nein.“, schniefte sie. „Erzähl weiter.“
„Aber du weinst. Soll ich was zum kühlen holen?“
„Nein, erzähl mir was passiert ist, nachdem du weggelaufen bist.“
„Ich wusste erst nicht, wohin. Dann bin ich zur Polizei. Ich hab die Uhr auf den Empfangstresen gelegt und gesagt: 'Mein Vater hat ihn umgebracht. Sie müssen ihn Festnehmen.'
Naja, und das haben sie dann auch gemacht.“
„Er war nicht tot?“
„Nein, war er nicht. Er ist hier im Städtischen Gefängnis. Der Tag an dem wir uns so gestritten hatten... an dem Tag war ich da.“
Anne brauchte lange, um ihre einzelnen Sätze zusammen zu bauen.
„Also hast du ihn nicht... und die Polizei hat ihn einfach festgenommen?“
„Die Uhr hatte eine Seriennummer und konnte direkt zurückverfolgt werden. Und dann stand seine Aussage gegen meine und ich musste mit einem Psychologen furchtbar lange reden und irgendwann... haben sie mir geglaubt. Ich bin auch im Krankenhaus untersucht worden, ob er wirklich das alles mit mir gemacht hat, und dann wurden alle möglichen Leute befragt... Und auf einmal hatten sie ihn alle verdächtigt... Nachbarn, Lehrer, Kindergartenerzieher – mein ganzes Leben lang.“
Er lachte trocken.
„Und nein, ich bin kein Mörder.“, fügte er dann hinzu.
„WeiÃt du, dass ich Donnerstags immer lange Schule hatte, das stimmte nicht. Das war Therapie. Da haben sie mich davon überzeugt, dass ich meine Mutter nicht umgebracht hab. Und versucht mein Wasserproblem zu beseitigen, aber das hat nie ganz funktioniert. Und...“
Er fühlte kalte Fingerspitzen an seinem Kinn, die seinen Gesicht zu ihr drehten. Sie sah genau so aus, wie er es sich vorgestellt hatte: Die Augen rot, die Lippen zusammengepresst, die Wangen nass glänzend.
„Du hast nie jemandem davon erzählt? AuÃer der Polizei und diesem Psychologen?“
„Tut mir leid, dass ich nie was gesagt hab. Aber als ich erstmal im Heim war wollte ich nicht mehr darüber reden. Das ist Vergangenheit. Interessiert mich nicht mehr.“
Er senkte den Blick und versuchte, den Kopf zurück zu drehen, aber sie hielt ihn fest.
„Aber du warst ihn besuchen.“
„Er stirbt. Ich dachte, ich müsste ihm endlich alles sagen, dass ich keine Angst mehr vor ihm hab, dass ich meine Mutter nicht umgebracht hab, dass ich jetzt mein eigenes Leben hab, dass es mir gut geht... Alles, was ich ihm noch sagen müsste, damit meine Therapie erfolgreich war.“
Endlich sah er sie von allein an. Sie lieà ihn los und grinste schwach.
„Du hast den Kerl halbtot geschlagen. Meinst du nicht, dass das reicht?“
„So oft wie er mich halb umgebracht hat braucht es noch ein bisschen mehr. Ich konnte nicht mal zu ihm reingehen.“
Sie nickte nachdenklich.
„Annie, es tut mir wirklich leid, ich wusste nicht, dass ich sowas machen würde.“
„Ist schon gut, Simon, das heilt wieder.“
„Ich hätte dich wirklich schlimm verletzen können. Oder mehr...“
„Hast du aber nicht.“, sagte sie bestimmt und wischte sich schon wieder eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Warum weinst du denn die ganze Zeit?“
Sie sah ihn an als würde er ein pinkes Nilpferd auf seiner Nase balancieren.
„Weil so ein dämlicher Idiot meinen besten Freund verprügelt hat, seit er ganz klein war? Und weil ich gar nicht weiÃ, was ich sagen soll und wie ich dir helfen kann und ob ich dich jetzt in den Arm nehmen darf...“
Er lächelte vorsichtig.
„Warum solltest du nicht?“
„Weil ich... es kommt mir so vor als würd ich dich gar nicht mehr kennen. Ich kenn doch nur eine Hälfte von dir, den katzenallergischen, wasserängstlichen Simon, der den ganzen Tag die Decke anstarrt, Ungerechtigkeit hasst und sich unter keinen Umständen prügelt. Und jetzt ist da der Simon, der so viel erlebt hat und so verletzlich ist und irgendwie auch so stark... Ich weià gar nicht mehr wie ich dich sehen soll. Hat dich das all die Jahre nicht tierisch aufgeregt, wenn ich über meine Narben gejammert hab obwohl du viel schlimmeres erlebt hast? Müsstest du mich dafür nicht hassen? Und jetzt jammer ich dich schon wieder voll und...“
„Annie, du darfst mich in den Arm nehmen.“
Sofort hing sie an ihm und drückte ihn so fest sie konnte.
„Au.“, murmelte sie dabei. „Au, au, au...“
„Lass doch besser los, wenn es wehtut.“, schlug er ernstlich verwirrt vor.
„Nein. Au, aua, au, au, au...“
Plötzlich nieste er laut und stieà sich dabei von ihr ab.
„Au!“, rief sie empört.
„Entschuldige, ich...“
„Nicht du, ER!“
Sie zeigte auf Mrs. Mistoffelees, der unter dem Couchtisch saà und sie verschreckt anstarrte. Sein Wollknäuel hielt er „erlegt“ in den Pfoten, was für seine Verhältnisse ein groÃartiger Erfolg war. Aber statt ihn zu loben, dass er sich trotz Simons Anwesenheit nicht versteckte, starrte sein Frauchen ihn nur böse an. Beleidigt verzog er sich ins Schlafzimmer. Böse sein konnte er genau so gut...
Simon war auf der Flucht vor den Katzenhaaren in den Garten gegangen und beobachtete die Goldfische, die im Teich schwammen. Bald würde der Winter kommen, der kleine Gartenteich würde zufrieren – was war dann mit den Fischen? Würden sie einfach vergessen werden, wenn sie unter dem Eis verschwanden?
„Besser? Du solltest hier wieder 'nen Inhalator deponieren.“
Anne schloss die Gartentür hinter sich und blieb ein Stück hinter ihm stehen.
Er drehte sich um und nickte.
„Hey hör mal, wegen dem was du eben gesagt hast...“
„Tut mir leid, das ist nicht deine Schuld. Ich muss mich halt dran gewöhnen, das ist alles. Ich hab nur eine Frage: Wie heiÃt du eigentlich wirklich?“
„Keller. Simon Keller. Ich hab dann nur den Namen von meiner Mutter angenommen, mein Vater war in allen Zeitungen... Annie, ich hätt's dir eher sagen sollen... Aber ich bin deshalb kein anderer Mensch. Du kennst mich jetzt nur besser als vorher, du weiÃt warum ich so bin wie ich bin. Aber das ist gut, oder?“
„Ja, wahrscheinlich ist es das."
Sie sah auf den Schnitt in ihrer Hand und lächelte.
„Und wenn ich nie herausfinde, wieso ich selbst so bin wie ich bin, ist das vielleicht gar nicht so schlecht.“
„Du wirst es herausfinden. Warum besuchst du nicht noch mal Mayer? Ich komm auch mit, wenn du willst.“
Anne setzte sich auf die Treppenstufen, die von der Terrasse in den Garten hinabführten. Sie nickte leicht und sah eine Weile auf den Boden, dann sah sie ihn wieder an. Er hatte sich bereits wieder weggedreht und sah auf den Gartenteich.
„Simon? Was hältst du davon, wenn ich mit dir deinen Vater besuchen gehe? Würde dir das helfen?“
„Vielleicht. Wir könnten es ausprobieren.“
Er löste den Blick vom Teich und setzte sich neben sie.
„Wirst du es Valerie erzählen?“
„Vielleicht.“
„Sie ist wirklich nett. Abgesehen von der Haarfärbesache. Aber das hatte ja auch sein gutes...“
„Findest du?“
„Naja, du hättest mich fast umgebracht, aber ich glaube das hat unsere Freundschaft gerettet. Verrückt, oder?“
„Ich meinte, ob du Valerie wirklich nett findest.“, meinte er und verdrehte die Augen.
„Du wirst mir das ewig nachtragen, oder?“
„Ich kenn sie nicht wirklich, aber sie war sehr verständnisvoll mit der ganzen Messersache. Und ja, werde ich.“
Sie stieà ihn in die Seite.
„Ich werd noch meinen Enkeln von diesem Tag erzählen, der Tag, an dem Simon mich fast umgebracht hätte. Und weiÃt du was sie sagen werden?“
„Wahrscheinlich werden sie mich ausbuhen...“
„Sie werden sagen: Das ist cool, Oma, dass du einen besten Freund hattest, den du so lieb hattest, dass euch nichts auseinanderbringen konnte.“
„Meinst du?“
„Ja. Es sei denn, ich ende als einsame alte Dame mit Mrs. Mistoffelees fünfzehn Enkelkindern.“
Er grinste und legte einen Arm um sie.
„Das wirst du nicht.“, versprach er.
„Dieser Kater ist sowieso nie im Leben mutig genug um Kinder zu zeugen...“
29.04.2012, 18:55
Zitat:„Also sehen sie, es ist nichts gebrochen.“, erläuterte dunkelhaarige Arzt anhand eines Röntgenbildes von Annes Rippen. „Aber eine schöne Prellung haben sie trotzdem.“autsch. tut mehr weh als ein bruch
Zitat:Jetzt zwinkerte er Anne zu. Zwei Mal. Hatte der gute Mann nervöse Zuckungen?scheinbar. oder er sollte ein kollegen aufsuchen.
Zitat:„Selbstverständlich!“vielleicht bin ich da ein bisssel eigen, aber eigentlich könnte das ausrufezeichen auch weg bleiben, oder?
Zitat:Stattdessen öffnete er ihr die Tür und wollte ihr gerade seine Visitenkarte in die Hand drücken, als auch schon jemand anderes Annes Aufmerksamkeit beanspruchte.irgendwie ist der seltsam. wie weit auseinander hast du dir denn die beiden vorgestellt? er muss ja definitv älter sein.
Zitat:„Und, was ist los? Ist es was schlimmes? Soll ich dir Sachen holen? Nein, oder? Es ist alles gut, oder, Annie?“simon ist süà <3... und der arzt uns[FONT="]y[/FONT]mpathisch. (auch wenn seine vermutung wegen der ursache schon nachvollziehbar ist.)
Zitat:Auch im Dunkeln wusste sie genau, dass er gerade einen unglaublich enttäuschten Gesichtsausdruck hatte.ich hätte den "dann komm" satz direkt hinter "sanft" gesetzt.muss zugeben, ich bin erst drüber gestolpert, auch wenn erklären drin steht und es eigentlich damit klar ist.
„Nein.“, sagte sie sanft.
„Dann komm. Du musst mir das nicht im Auto erklären.“
der abschnitt wo er ihr davon ist einfvch nur toll. und zum schluss die krönung mit mrs. mistoffelees - herrlich :gg:
Zitat:Simon war in den Garten gegangen und beobachtete die Goldfische, die im Teich schwammen. Bald würde der Winter kommen, der kleine Gartenteich würde zufrieren – was war dann mit den Fischen? Würden sie einfach vergessen werden, wenn sie unter dem Eis verschwanden?XD :laugh: (musst du nicht verstehen :gg
Zitat:„Besser? Du solltest hier wieder 'nen Inhalator deponieren.“den satz kapier ich nicht. also im zusammenhang
Zitat:„Und wenn ich nie herausfinde, wieso ich selbst so bin wie ich bin, ist das vielleicht gar nicht so schlecht.“sehr gute idee. ich hab ja gehofft, dass er nochmal auftauchen wird.
„Du wirst es herausfinden. Warum besuchst du nicht noch mal Mayer? Ich komm auch mit, wenn du willst.“
der schluss ist einfach nur :herz: :herz: und süüüÃ. :gg: bin mal gespannt, ob sie nun wirklich den "vater" besuchen gehen werden.
tolles kapitel
30.04.2012, 11:29
Zitat:vielleicht bin ich da ein bisssel eigen, aber eigentlich könnte das ausrufezeichen auch weg bleiben, oder?
wieso? der mensch ist super-enthusiastisch
Zitat:irgendwie ist der seltsam. wie weit auseinander hast du dir denn die beiden vorgestellt? er muss ja definitv älter sein.
jaja, klar. so 7-8 jahre unterschied, würd ich sagen.
Zitat:hast recht, wird gemacht!
ich hätte den "dann komm" satz direkt hinter "sanft" gesetzt.muss zugeben, ich bin erst drüber gestolpert, auch wenn erklären drin steht und es eigentlich damit klar ist.
Zitat:den satz kapier ich nicht. also im zusammenhang.
vielleicht ist da etwas zu viel in meinem kopf passiert bzw ich hab etwas zu wenig davon aufgeschrieben. es ist halt so gedacht dass simon wegen der katzenhaarallergie kurz raus muss. vielleicht schreib ich da nochmal nen nebensatz zu.
dankeschöön!
30.04.2012, 19:45
Tz tz tz diese Reeeechtschreibfehler ;D
Aber egal
ich fand den Teil toll....
Nur vielleicht irgendwie ein bisschen kurz - keine allzu groÃen Umschreibungen mehr, etc....
Aber trotzdem schön, dass er es endlich mal erzählt hat ♥
Aber egal
ich fand den Teil toll....
Nur vielleicht irgendwie ein bisschen kurz - keine allzu groÃen Umschreibungen mehr, etc....
Aber trotzdem schön, dass er es endlich mal erzählt hat ♥
30.04.2012, 20:23
Uii, toller neuer Teil <3
Hab fast nur Lieblingsstellen entdeckt, die zu zitieren wäre also zu viel des gutem
Für die Katermomente lieb ich dich, das passt in die ernste Situation total gut rein, genauso wie der Humor der beiden. Ich weià nicht, ob da jetzt irgendwann noch die Leidenschaft zwischen den beiden erwacht und sie übereinander herfallen, aber wenn das nicht passiert, wär ich überhaupt nicht unglücklich, weil ihre Freundschaft in meinen Augen schon sehr viel Besonderheit hat <3
Wenn doch, werd ich mich auch damit bestimmt anfreunden können. Mein ja nur
Dass Anne so auf Simons Geschichte reagiert und sich verkopft, finde ich sehr gut wiedergegeben, wirkt auf mich ziemlich authentisch in der Beziehung.
Freu mich, dass es weitergeht und will, dass es bald weitergeht
Hab fast nur Lieblingsstellen entdeckt, die zu zitieren wäre also zu viel des gutem
Für die Katermomente lieb ich dich, das passt in die ernste Situation total gut rein, genauso wie der Humor der beiden. Ich weià nicht, ob da jetzt irgendwann noch die Leidenschaft zwischen den beiden erwacht und sie übereinander herfallen, aber wenn das nicht passiert, wär ich überhaupt nicht unglücklich, weil ihre Freundschaft in meinen Augen schon sehr viel Besonderheit hat <3
Wenn doch, werd ich mich auch damit bestimmt anfreunden können. Mein ja nur
Dass Anne so auf Simons Geschichte reagiert und sich verkopft, finde ich sehr gut wiedergegeben, wirkt auf mich ziemlich authentisch in der Beziehung.
Freu mich, dass es weitergeht und will, dass es bald weitergeht
01.05.2012, 19:18
Dieser Teil hat mir super gut gefallen.
Anne und Simons Freundschaft ist einfach was besonderes.
Bin gespannt was noch alles passieren wir.
Anne und Simons Freundschaft ist einfach was besonderes.
Bin gespannt was noch alles passieren wir.
23.06.2012, 19:41
ihr lieben,
es tut mir unendlich leid, dass es hier so lange nicht weitergegangen ist. aber ich bin wieder da, ich bin wieder inspiriert und ich weià jetzt, wo es hingeht ich habe einen neuen teil mitgebracht und ich hoffe er gefällt euch und ich hoffe dass ihr mir verzeiht
danke für all euer feedback was noch zum letzten teil dawar!
(ungebetat-beschwert euch gern!)
VierunddreiÃig
âWen suchen sie denn?â
âAlle nennen ihn nur Mayer, ich weià aber wo er ist, sie müssten mir nur eben aufschlieÃen, wenn sie gerade Zeit haben...â
Simon beobachtete seine beste Freundin aus einiger Entfernung. Sie rang nervös ihre Finger und trat von einem Fuà auf den anderen, als würde das die gemächlichen Schritte der Empfangsdame beschleunigen.
âKomm, Simon.â, sagte sie auch schon, als die Empfangsdame noch an ihrem Schlüsselbund nach dem richtigen Aufzugschlüssel suchte.
Er trat hinter Anne und wollte gerade etwas sagen, da stutzte die Empfangsdame.
âMayer, sagen sie? Der ist gar nicht mehr auf der geschlossenen Station.â, fiel ihr ein und sie lieà den Schlüssel sinken. âIch muss ihnen gar nicht aufschlieÃen. Er ist jetzt im ersten Stock.â
Sie ging etwas schneller zu ihrem Tresen zurück. Anne schaute sie nur ungläubig ab, bis ein paar Mausklicks später die Zimmernummer feststand.
âZimmer 18. Gehen sie nur!â, meinte sie aufmunternd. Simon packte Anne an den Schultern und schob sie in den Aufzug.
âNervös?â, sprach er das Unübersehbare als sich die Türen schlossen.
âIch war nicht gerade nett zu ihm, letztes Mal...â, murmelte sie.
âUnd was zur Hölle soll das bedeuten, er ist nicht mehr auf der geschlossenen Station? Ist er plötzlich wieder zurechnungsfähig?â
âNaja? Kann das denn passieren, dass man auf einmal nicht mehr dement ist? Einfach so?â
Ratlos standen die beiden Freunde da, bis sich die Türen wenig später öffneten und sie auf einem leeren Flur hinaustraten. Am Ende des Ganges, dort, wo sich auf Mayers alter Station die Tür zur groÃen Wohnküche befunden hatte, stand eine einsame Topfpflanze vor einer Tür, auf der groà ânur für Mitarbeiterâ Stand. Rechts und Links von ihnen waren Patientenzimmer, die nicht, wie Anne von ihren letzten Besuchen gewohnt, mit Bildern der Patienten dekoriert waren, sondern nur durch Nummern gekennzeichnet waren. Simon fasste etwas Mut und klopfte schlieÃlich an die Tür von Zimmer Nr. 18.
âHerein?â
Anne erkannte sofort Mayers Stimme. Sie öffnete die Tür und sah vorsichtig in das Zimmer, verängstigt von der kalten Atmosphäre des Ganges.
âOh, wer sind Sie denn?â, fragte Mayer höflich und versuchte, seinen Fernseher leiser zu stellen. Offensichtlich hatte er dabei jedoch groÃe Probleme mit der Fernbedienung.
Als Simon sich gerade an seiner versteinerten besten Freundin vorbeischieben wollte, um ihm zu helfen, stand jedoch plötzlich ein junger Mann aus einem Sessel in einer Ecke auf, den er vorher glatt übersehen hatte, und schaltete den Fernseher ab.
âFrau Becker, wie schön, dass sie es einrichten konnten!â, sagte er zu Anne, die noch ihre Sprache wiederzufinden suchte.
Vor ihr stand der junge Mann, der ihr das Paket mit dem Messer übergeben hatte. Und noch viel wichtiger, verwirrender, schockierender war Mayer, wie er dort lag, eingefallen, blass und müde.
Sie trat vor und schluckte gleichzeitig den riesigen Kloà in ihrem Hals, in dem bedrückenden Gefühl, dass hier etwas gar nicht in Ordnung war. Ihre Hand legte sie auf Mayers Schulter, bevor sie leise zu sprechen begann.
âMayer, wieso liegst du im Bett? Warum hast du die Station gewechselt?â
âStation... Station....â murmelte Mayer verwirrt. âSie sind das Becker-Mädchen, oder? Anne. Meine Güte, bist du groà geworden.â
Anne lächelte.
âRichtig, das bin ich. Du hast mir ein Paket geschickt. Mit einem Messer drin, Mayer.â
âDas hab ich? Das wollte ich immer, aber erst, wenn ich sicher bin, dass es mit mir wirklich...â
Er brach ab und sah Simon an.
âWer sind sie denn dann?â
Simon war zu sehr damit beschäftigt, die Situation überhaupt zu verstehen, als dass er noch hätte reagieren können. Anne hatte nie sehr viel von ihren Besuchen bei Mayer erzählt, aber er hatte sich den alten Polizisten um einiges anders vorgestellt. Anne schien ihn allerdings auch anders in Erinnerung zu haben. Nur der junge Mann, der sich inzwischen wieder in seine Zimmerecke zurückgezogen hatte wie ein sehr gut erzogener Hund, schien überhaupt nichts seltsames an der Situation zu finden.
Wenn man davon absah, dass es ihm neu zu sein schien, dass Mayer Messer in Paketen verschickte...
âDas ist Simon.â, erklärte Anne, âer ist mit mir hier.â
Mayer nickte bedächtig.
âUnd wenn du gehen musst? Bleibt er dann allein zurück?â, fragte er nachdenklich zurück.
âEs ist nicht schön, ganz allein auf der Welt zu sein.â
âWenn ich gehen muss, kommt Simon mit. Mayer, das Messer...â
âDein Vater sagte du sollst es nicht wissen, aber das fand ich nicht gut. Ich hab ihm versprochen...â
âIch weiÃ. Willst du es jetzt sagen?â
Mayer griff nach ihre Hand und klammerte sich regelrecht an sie.
âNiemals darf sie es wissen, verstehen sie? Ich will es nicht. Meine Frau... Ich kann das nicht. Ich kann das nicht.â
âWas?â
An dieser Stelle schien es auch dem jungen Pfleger aufzugehen, dass das hier keine alltägliche Situation mit dem verwirrten alten Herrn war.
âBitte, Sie regen Herrn Mayer auf.â, merkte er vorsichtig an.
âIch weià es nicht mehr.â, sagte Mayer da, laut und deutlich.
âIch weià nicht, was er als nächstes gesagt hat. Und ich will es auch gar nicht wissen, wenn ich es nicht weiÃ, muss ich es dir nicht verschweigen.â
Anne fühlte sich unangenehm an ihren letzten Besuch im Altenheim erinnert. Mayer hatte auch damals gesagt, er hätte es vergessen gehabt, obwohl ihnen beiden klar war, dass er es genau wusste. Aber heute war etwas anders. Sie glaubte ihm. Und viel mehr noch: Ihr wurde klar, dass sie von Mayer nie erfahren würde, was sie wissen wollte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie das von Anfang an gewusst und es war nur befreiend, es mit Sicherheit zu verstehen. Es war unfair von ihr gewesen, von Mayer zu verlangen, sein Versprechen zu brechen. Zu verraten, wer er war und woran er glaubte â das konnte sie von niemandem erwarten.
AuÃerdem war sie sich inzwischen nicht mehr sicher, ob sie überhaupt wissen wollte, was geschehen war. Sie hatte sich den jungen Mayer, der vor zwanzig Jahren im Fall ihrer Eltern ermittelt hatte, jedenfalls immer als einen starken, Unrecht und Gefahren gewohnten Einzelgänger vorgestellt. Einen perfekten Polizisten aus ihren Kriminalromanen. Seltsamerweise tat sie das heute immer noch, obwohl seine weiche Seite ihr inzwischen mehr als deutlich geworden war. Wenn sie richtig lag, wenn er wirklich dieser Mensch gewesen war, den sie sich vorstellte, was konnte es dann sein, was diesen Mann aus der Bahn warf? Wenn die Wahrheit schon für ihn viel zu viel zu sein schien â war es dann besser, sie einfach nicht zu erfahren?
âIst schon gut, Mayer. Wir reden über was anderes.â
Mayer schaute sie müde an.
âSie sind das Becker-Mädchen, oder? Vielleicht hab ich etwas Apfelschorle da...â
â Er hat sich vor einem Monat die Hüfte gebrochen, seitdem geht es bergab mit ihm.â, erklärte der Pfleger ihnen auf dem Flur, nachdem sie sich etwas später von Mayer verabschiedet hatten.
âDas ist bei alten Menschen oft so, wenn sie sich nicht mehr bewegen, wird es noch viel schlimmer.â
Anne nickte.
âHat er was zu dem Paket gesagt, das Sie mir vorbei gebracht haben?â
âNein, nicht mehr als das was er gerade auch gesagt hat. Das können Sie auch nicht mehr von ihm erwarten. Aber es wäre schön, wenn sie ihn trotzdem noch mal besuchen.â
Er lächelte leicht und wandte sich zurück zu Mayers Zimmertür.
âNatürlich!â, beeilte sich Anne zu sagen, wie um ihr schlechtes Gewissen zu vertreiben. Es würde ihr noch eine Weile im Kopf herumspuken, dass sie Mayer für diese ganze Misere verantwortlich gemacht und deshalb schlecht behandelt hatte.
Aber ändern konnte sie es nicht mehr.
*
âSag mal...â, setzte Simon an, als sie im Klappermobil auf dem Rückweg zu Annes Wohnung waren.
âErzählst du mir jetzt, was mit Mark eigentlich war?â
Anne drehte den Kopf.
âWas meinst du?â
âDu sagtest er heiratet? Gepiercter Rauschgoldengel?â, erinnerte Simon sie. Fast hatte sie das schon wieder vergessen. Aber nur fast.
âMarlijn heiÃt sie, ja. Aber die zwei hatten 'nen riesigen Streit. Die haben schon zusammen gewohnt, kannst du dir das vorstellen?â
âNicht wirklich, aber eher weil ich immer dachte, dass du irgendwann mit ihm zusammen ziehst.â
Er warf ihr einen kurzen, prüfenden Blick zu, bevor er sich wieder auf die StraÃe konzentrierte.
Anne lachte leise.
âNun, offensichtlich lagst du falsch. WeiÃt du, mir ist klargeworden, dass das mit Mark und mir nicht gesund war. Ich war so verknallt in ihn, dass ich gar keinen eigenen Willen hatte, wenn er dabei war. Und das kuriose ist, dass es bei ihm genau so war. Das ist... merkwürdig. Als Freunde funktionieren wir einfach viel besser.â
âFindest du?â, fragte Simon nach, den das Gespräch irgendwie an seine eigene Situation erinnerte. âIhr habt auf mich immer glücklich gewirkt. Bis er ein bisschen durchgedreht ist mein ich...â
âNaja, was meinst du, wieso er durchgedreht ist? Er dachte immer, er wäre derjenige, der sich permanent anstrengen muss, damit unsere Beziehung hält. Aber in Wirklichkeit war ich das. In meiner Wirklichkeit eben.â
Sie überlegte kurz.
âWarum analysieren wir eigentlich grad meine allererste Beziehung?â
âWeil du nach unserem Streit direkt zu ihm wolltest, er jetzt heiratet und es auÃerdem nicht nur deine Erste, sondern auch deine letzte längere Beziehung war? Ich dachte, das beschäftigt dich... Aber wir können auch über was anderes reden.â
Sie lächelte und schaute einem HeiÃluftballon zu, der parallel zu ihnen am Himmel entlangzog.
âWenn ich ehrlich bin: Es ist verdammt merkwürdig, wenn er jetzt wirklich heiratet. Aber nicht deshalb, weil ich ihn heiraten wollte, sondern weil er so plötzlich in einer ganz anderen Welt sein wird. Es ist komisch, wenn sich unsere Beziehung dann verändert. Und stell dir vor er bekommt dann bald Kinder, und ich studiere immer noch? Ich hab immer noch keine Ahnung, was ich mit meinem Leben noch anfangen soll. Dann haben wir uns irgendwann gar nichts mehr zu sagen, weil es kein Thema gibt, was uns noch beide interessiert.â
Sie runzelte die Stirn, als der HeiÃluftballon am Horizont verschwand.
âBitte, heirate Valerie nicht sofort, okay? Ich kann mich bestimmt mit ihr anfreunden, aber zwischen Marks und deiner Hochzeit müssen mindestens zwei Jahre vergehen, damit ich nicht durchdrehe.â
Er lachte laut und trat plötzlich aufs Gas, sodass sie über die freie Fahrbahn vor ihnen schossen.
âWillst du mich umbringen?â, rief Anne, ebenfalls lachend, während sie sich am Griff an der Innenseite der Autotür festklammerte.
âHeiraten...â, wiederholte er. âWillst du mich umbringen?â
es tut mir unendlich leid, dass es hier so lange nicht weitergegangen ist. aber ich bin wieder da, ich bin wieder inspiriert und ich weià jetzt, wo es hingeht ich habe einen neuen teil mitgebracht und ich hoffe er gefällt euch und ich hoffe dass ihr mir verzeiht
danke für all euer feedback was noch zum letzten teil dawar!
(ungebetat-beschwert euch gern!)
VierunddreiÃig
2011
âHallo, mein Name ist Anne Becker, ich bin hier, um einen alten Freund zu besuchen.â, stellte Anne sich bei der Empfangsdame vor. Sie hatte bei Annes letzten Besuch noch nicht hier gearbeitet.âWen suchen sie denn?â
âAlle nennen ihn nur Mayer, ich weià aber wo er ist, sie müssten mir nur eben aufschlieÃen, wenn sie gerade Zeit haben...â
Simon beobachtete seine beste Freundin aus einiger Entfernung. Sie rang nervös ihre Finger und trat von einem Fuà auf den anderen, als würde das die gemächlichen Schritte der Empfangsdame beschleunigen.
âKomm, Simon.â, sagte sie auch schon, als die Empfangsdame noch an ihrem Schlüsselbund nach dem richtigen Aufzugschlüssel suchte.
Er trat hinter Anne und wollte gerade etwas sagen, da stutzte die Empfangsdame.
âMayer, sagen sie? Der ist gar nicht mehr auf der geschlossenen Station.â, fiel ihr ein und sie lieà den Schlüssel sinken. âIch muss ihnen gar nicht aufschlieÃen. Er ist jetzt im ersten Stock.â
Sie ging etwas schneller zu ihrem Tresen zurück. Anne schaute sie nur ungläubig ab, bis ein paar Mausklicks später die Zimmernummer feststand.
âZimmer 18. Gehen sie nur!â, meinte sie aufmunternd. Simon packte Anne an den Schultern und schob sie in den Aufzug.
âNervös?â, sprach er das Unübersehbare als sich die Türen schlossen.
âIch war nicht gerade nett zu ihm, letztes Mal...â, murmelte sie.
âUnd was zur Hölle soll das bedeuten, er ist nicht mehr auf der geschlossenen Station? Ist er plötzlich wieder zurechnungsfähig?â
âNaja? Kann das denn passieren, dass man auf einmal nicht mehr dement ist? Einfach so?â
Ratlos standen die beiden Freunde da, bis sich die Türen wenig später öffneten und sie auf einem leeren Flur hinaustraten. Am Ende des Ganges, dort, wo sich auf Mayers alter Station die Tür zur groÃen Wohnküche befunden hatte, stand eine einsame Topfpflanze vor einer Tür, auf der groà ânur für Mitarbeiterâ Stand. Rechts und Links von ihnen waren Patientenzimmer, die nicht, wie Anne von ihren letzten Besuchen gewohnt, mit Bildern der Patienten dekoriert waren, sondern nur durch Nummern gekennzeichnet waren. Simon fasste etwas Mut und klopfte schlieÃlich an die Tür von Zimmer Nr. 18.
âHerein?â
Anne erkannte sofort Mayers Stimme. Sie öffnete die Tür und sah vorsichtig in das Zimmer, verängstigt von der kalten Atmosphäre des Ganges.
âOh, wer sind Sie denn?â, fragte Mayer höflich und versuchte, seinen Fernseher leiser zu stellen. Offensichtlich hatte er dabei jedoch groÃe Probleme mit der Fernbedienung.
Als Simon sich gerade an seiner versteinerten besten Freundin vorbeischieben wollte, um ihm zu helfen, stand jedoch plötzlich ein junger Mann aus einem Sessel in einer Ecke auf, den er vorher glatt übersehen hatte, und schaltete den Fernseher ab.
âFrau Becker, wie schön, dass sie es einrichten konnten!â, sagte er zu Anne, die noch ihre Sprache wiederzufinden suchte.
Vor ihr stand der junge Mann, der ihr das Paket mit dem Messer übergeben hatte. Und noch viel wichtiger, verwirrender, schockierender war Mayer, wie er dort lag, eingefallen, blass und müde.
Sie trat vor und schluckte gleichzeitig den riesigen Kloà in ihrem Hals, in dem bedrückenden Gefühl, dass hier etwas gar nicht in Ordnung war. Ihre Hand legte sie auf Mayers Schulter, bevor sie leise zu sprechen begann.
âMayer, wieso liegst du im Bett? Warum hast du die Station gewechselt?â
âStation... Station....â murmelte Mayer verwirrt. âSie sind das Becker-Mädchen, oder? Anne. Meine Güte, bist du groà geworden.â
Anne lächelte.
âRichtig, das bin ich. Du hast mir ein Paket geschickt. Mit einem Messer drin, Mayer.â
âDas hab ich? Das wollte ich immer, aber erst, wenn ich sicher bin, dass es mit mir wirklich...â
Er brach ab und sah Simon an.
âWer sind sie denn dann?â
Simon war zu sehr damit beschäftigt, die Situation überhaupt zu verstehen, als dass er noch hätte reagieren können. Anne hatte nie sehr viel von ihren Besuchen bei Mayer erzählt, aber er hatte sich den alten Polizisten um einiges anders vorgestellt. Anne schien ihn allerdings auch anders in Erinnerung zu haben. Nur der junge Mann, der sich inzwischen wieder in seine Zimmerecke zurückgezogen hatte wie ein sehr gut erzogener Hund, schien überhaupt nichts seltsames an der Situation zu finden.
Wenn man davon absah, dass es ihm neu zu sein schien, dass Mayer Messer in Paketen verschickte...
âDas ist Simon.â, erklärte Anne, âer ist mit mir hier.â
Mayer nickte bedächtig.
âUnd wenn du gehen musst? Bleibt er dann allein zurück?â, fragte er nachdenklich zurück.
âEs ist nicht schön, ganz allein auf der Welt zu sein.â
âWenn ich gehen muss, kommt Simon mit. Mayer, das Messer...â
âDein Vater sagte du sollst es nicht wissen, aber das fand ich nicht gut. Ich hab ihm versprochen...â
âIch weiÃ. Willst du es jetzt sagen?â
Mayer griff nach ihre Hand und klammerte sich regelrecht an sie.
âNiemals darf sie es wissen, verstehen sie? Ich will es nicht. Meine Frau... Ich kann das nicht. Ich kann das nicht.â
âWas?â
An dieser Stelle schien es auch dem jungen Pfleger aufzugehen, dass das hier keine alltägliche Situation mit dem verwirrten alten Herrn war.
âBitte, Sie regen Herrn Mayer auf.â, merkte er vorsichtig an.
âIch weià es nicht mehr.â, sagte Mayer da, laut und deutlich.
âIch weià nicht, was er als nächstes gesagt hat. Und ich will es auch gar nicht wissen, wenn ich es nicht weiÃ, muss ich es dir nicht verschweigen.â
Anne fühlte sich unangenehm an ihren letzten Besuch im Altenheim erinnert. Mayer hatte auch damals gesagt, er hätte es vergessen gehabt, obwohl ihnen beiden klar war, dass er es genau wusste. Aber heute war etwas anders. Sie glaubte ihm. Und viel mehr noch: Ihr wurde klar, dass sie von Mayer nie erfahren würde, was sie wissen wollte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie das von Anfang an gewusst und es war nur befreiend, es mit Sicherheit zu verstehen. Es war unfair von ihr gewesen, von Mayer zu verlangen, sein Versprechen zu brechen. Zu verraten, wer er war und woran er glaubte â das konnte sie von niemandem erwarten.
AuÃerdem war sie sich inzwischen nicht mehr sicher, ob sie überhaupt wissen wollte, was geschehen war. Sie hatte sich den jungen Mayer, der vor zwanzig Jahren im Fall ihrer Eltern ermittelt hatte, jedenfalls immer als einen starken, Unrecht und Gefahren gewohnten Einzelgänger vorgestellt. Einen perfekten Polizisten aus ihren Kriminalromanen. Seltsamerweise tat sie das heute immer noch, obwohl seine weiche Seite ihr inzwischen mehr als deutlich geworden war. Wenn sie richtig lag, wenn er wirklich dieser Mensch gewesen war, den sie sich vorstellte, was konnte es dann sein, was diesen Mann aus der Bahn warf? Wenn die Wahrheit schon für ihn viel zu viel zu sein schien â war es dann besser, sie einfach nicht zu erfahren?
âIst schon gut, Mayer. Wir reden über was anderes.â
Mayer schaute sie müde an.
âSie sind das Becker-Mädchen, oder? Vielleicht hab ich etwas Apfelschorle da...â
â Er hat sich vor einem Monat die Hüfte gebrochen, seitdem geht es bergab mit ihm.â, erklärte der Pfleger ihnen auf dem Flur, nachdem sie sich etwas später von Mayer verabschiedet hatten.
âDas ist bei alten Menschen oft so, wenn sie sich nicht mehr bewegen, wird es noch viel schlimmer.â
Anne nickte.
âHat er was zu dem Paket gesagt, das Sie mir vorbei gebracht haben?â
âNein, nicht mehr als das was er gerade auch gesagt hat. Das können Sie auch nicht mehr von ihm erwarten. Aber es wäre schön, wenn sie ihn trotzdem noch mal besuchen.â
Er lächelte leicht und wandte sich zurück zu Mayers Zimmertür.
âNatürlich!â, beeilte sich Anne zu sagen, wie um ihr schlechtes Gewissen zu vertreiben. Es würde ihr noch eine Weile im Kopf herumspuken, dass sie Mayer für diese ganze Misere verantwortlich gemacht und deshalb schlecht behandelt hatte.
Aber ändern konnte sie es nicht mehr.
*
âSag mal...â, setzte Simon an, als sie im Klappermobil auf dem Rückweg zu Annes Wohnung waren.
âErzählst du mir jetzt, was mit Mark eigentlich war?â
Anne drehte den Kopf.
âWas meinst du?â
âDu sagtest er heiratet? Gepiercter Rauschgoldengel?â, erinnerte Simon sie. Fast hatte sie das schon wieder vergessen. Aber nur fast.
âMarlijn heiÃt sie, ja. Aber die zwei hatten 'nen riesigen Streit. Die haben schon zusammen gewohnt, kannst du dir das vorstellen?â
âNicht wirklich, aber eher weil ich immer dachte, dass du irgendwann mit ihm zusammen ziehst.â
Er warf ihr einen kurzen, prüfenden Blick zu, bevor er sich wieder auf die StraÃe konzentrierte.
Anne lachte leise.
âNun, offensichtlich lagst du falsch. WeiÃt du, mir ist klargeworden, dass das mit Mark und mir nicht gesund war. Ich war so verknallt in ihn, dass ich gar keinen eigenen Willen hatte, wenn er dabei war. Und das kuriose ist, dass es bei ihm genau so war. Das ist... merkwürdig. Als Freunde funktionieren wir einfach viel besser.â
âFindest du?â, fragte Simon nach, den das Gespräch irgendwie an seine eigene Situation erinnerte. âIhr habt auf mich immer glücklich gewirkt. Bis er ein bisschen durchgedreht ist mein ich...â
âNaja, was meinst du, wieso er durchgedreht ist? Er dachte immer, er wäre derjenige, der sich permanent anstrengen muss, damit unsere Beziehung hält. Aber in Wirklichkeit war ich das. In meiner Wirklichkeit eben.â
Sie überlegte kurz.
âWarum analysieren wir eigentlich grad meine allererste Beziehung?â
âWeil du nach unserem Streit direkt zu ihm wolltest, er jetzt heiratet und es auÃerdem nicht nur deine Erste, sondern auch deine letzte längere Beziehung war? Ich dachte, das beschäftigt dich... Aber wir können auch über was anderes reden.â
Sie lächelte und schaute einem HeiÃluftballon zu, der parallel zu ihnen am Himmel entlangzog.
âWenn ich ehrlich bin: Es ist verdammt merkwürdig, wenn er jetzt wirklich heiratet. Aber nicht deshalb, weil ich ihn heiraten wollte, sondern weil er so plötzlich in einer ganz anderen Welt sein wird. Es ist komisch, wenn sich unsere Beziehung dann verändert. Und stell dir vor er bekommt dann bald Kinder, und ich studiere immer noch? Ich hab immer noch keine Ahnung, was ich mit meinem Leben noch anfangen soll. Dann haben wir uns irgendwann gar nichts mehr zu sagen, weil es kein Thema gibt, was uns noch beide interessiert.â
Sie runzelte die Stirn, als der HeiÃluftballon am Horizont verschwand.
âBitte, heirate Valerie nicht sofort, okay? Ich kann mich bestimmt mit ihr anfreunden, aber zwischen Marks und deiner Hochzeit müssen mindestens zwei Jahre vergehen, damit ich nicht durchdrehe.â
Er lachte laut und trat plötzlich aufs Gas, sodass sie über die freie Fahrbahn vor ihnen schossen.
âWillst du mich umbringen?â, rief Anne, ebenfalls lachend, während sie sich am Griff an der Innenseite der Autotür festklammerte.
âHeiraten...â, wiederholte er. âWillst du mich umbringen?â
25.06.2012, 00:50
Badaaaamm ^^
ich hab's gesehen und du hast nichts gesagt, dass ich irgendwas betan sollte *beschwer*
is ja nicht so, als hätte ich jetzt mal wieder unmengen von Zeit, meine Liebe.
Aber jetzt mal zu deinem neuen Teil:
Mayer kann einem wirklich Leid tun und Anne erst. Allerdings finde ich es doch schon ein klein wenig merkwürdig, dass sie 34 Kapitel lang nur nach einer Antwort gesucht hat und sich jetzt damit zufrieden gegeben hat, dass sie absolut keine kriegt. Mal abgesehen von dem Messer....
ich finde irgendwie, dass da mehr dahinter stehen sollte. Vielleicht kommt das ja noch. Oder aber du konzentrierst dich jetzt auf meinen heimlichen Pärchenfavouriten.
Immerhin spielen die letzten paar Absätze ja schon ein wenig darauf an.
Hochzeitsglocken sind für Simon also ein absolutes No-Go... na wir werden sehen wo uns der Wind hinweht ^^ ich hoffe nur Val verschwindet ganz schnell wieder *grumml*
ich hab's gesehen und du hast nichts gesagt, dass ich irgendwas betan sollte *beschwer*
is ja nicht so, als hätte ich jetzt mal wieder unmengen von Zeit, meine Liebe.
Aber jetzt mal zu deinem neuen Teil:
Mayer kann einem wirklich Leid tun und Anne erst. Allerdings finde ich es doch schon ein klein wenig merkwürdig, dass sie 34 Kapitel lang nur nach einer Antwort gesucht hat und sich jetzt damit zufrieden gegeben hat, dass sie absolut keine kriegt. Mal abgesehen von dem Messer....
ich finde irgendwie, dass da mehr dahinter stehen sollte. Vielleicht kommt das ja noch. Oder aber du konzentrierst dich jetzt auf meinen heimlichen Pärchenfavouriten.
Immerhin spielen die letzten paar Absätze ja schon ein wenig darauf an.
Hochzeitsglocken sind für Simon also ein absolutes No-Go... na wir werden sehen wo uns der Wind hinweht ^^ ich hoffe nur Val verschwindet ganz schnell wieder *grumml*
25.06.2012, 00:54
nun, sie hat in dem moment verstanden, dass das mit infos von mayer nichts mehr wird. sich abfinden ist ja immer ein prozess. das kann man immer im einen moment tun und dann doch nicht mehr....
ich wollte dir übrigens schreiben aber du warst nicht online und ich musste dann los und dachte ich poste es besser schneller
ich wollte dir übrigens schreiben aber du warst nicht online und ich musste dann los und dachte ich poste es besser schneller